Slávka Zámečníková. Foto: © Álfheiður Erla
Die Entwicklung und Karriere vielversprechender NachwuchskünstlerInnen übt eine unvergleichliche Faszination aus. Es lohnt sich dabei zu sein, wenn herausragende Talente die Leiter Stufe um Stufe hochsteigen, sich weiterentwickeln und ihr Publikum immer wieder von neuem mit Sternstunden überraschen. Wir stellen Ihnen bei Klassik-begeistert jeden zweiten Donnerstag diese Rising Stars vor: junge SängerInnen, DirigentInnen und MusikerInnen mit sehr großen Begabungen, außergewöhnlichem Potenzial und ganz viel Herzblut sowie Charisma.
NEUE STIMMEN 2019 – Finale: Slávka Zámečníková singt „Depuis le jour“ (Louise, Charpentier)
von Lorenz Kerscher
Als „Slowakische Nachtigall“ galt einige Jahrzehnte lang Edita Gruberová und es ist natürlich sehr fraglich, ob man diesen Ehrentitel nochmals verwenden darf. Doch gerade als sich diese so überaus erfolgreiche Sängerin 2019 von der Bühne verabschiedete, machte eine junge Frau auf sich aufmerksam, die ebenfalls ihr Studium in Bratislava begonnen hatte und sich nun anschickte, ihrem Heimatland ganz besondere Ehre zu machen. Also sei dieser Vergleich erlaubt, auch wenn Slávka Zámečníková nicht wie Gruberová eine Koloraturstimme entwickelt, sondern als lyrischer Sopran die Bühnen erobert. Dass die großgewachsene, bildschöne junge Frau, die nach eigenem Bekunden ihre Konzertkleider selber näht, auch ein wenig der jugendlichen Anna Netrebko ähnlich sieht, kommt noch als gutes Omen hinzu.
Slávka Zámečníková stammt aus der slowakischen Kleinstadt Banovce nad Bebravou, die von Bratislava, dem nächsten kulturellen Zentrum, 150 Kilometer entfernt ist. Ihre Eltern haben keinen besonderen Bezug zur Musik. Zwar sang sie schon von Kindheit an gerne und sauber und erhielt Klavierunterricht, doch hatte sie den festen Gedanken, Ärztin zu werden. Ihr erster Opernbesuch als 16-jährige brachte diesen Plan allerdings ins Wanken: Nach einer Aufführung der Verkauften Braut war sie völlig verzaubert. Im Interview drückte sie das wie folgt aus: „Das war der Moment, in dem ich verstanden habe, wie schön es sein kann, etwas darzustellen und dazu Musik zu machen. Ich war angetan davon, wie man sich einerseits als Sänger in alles verwandeln und andererseits ein Publikum mit Musik begeistern kann. Plötzlich wusste ich: So wie die Mitwirkenden an diesem Abend mich innerlich berührten, wollte ich ebenso einem Publikum große Gefühle vermitteln.“
Deshalb verließ sie mit 17 Jahren das Gymnasium und studierte Gesang in Brno, später in Berlin, und schloss dies 2019 mit dem Master ab. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte sie auch zahlreiche Preise bei angesehenen internationalen Wettbewerben vorweisen und hatte schon zwei Jahre im Opernstudio der Staatsoper unter den Linden gelernt und mitgewirkt.
Stanisław-Moniuszko-Wettbewerb 2019: Slávka Zámečníková – S. Moniuszko – Hannas Arie (Das Gespensterschloss)
Beim 10. Internationalen Stanisław-Moniuszko-Gesangswettbewerb in Warschau gewann sie 2019 nicht nur den zweiten Preis, sondern sie wurde auch vom Castingdirektor der Wiener Staatsoper gehört. Und dieser lud sie zu einem Vorsingen ein, bei dem sie auch den Intendanten Bogdan Roščić überzeugen konnte. So wurde sie zur Spielzeit 2020/2021 an dieses Haus verpflichtet und durfte als Norina in Don Pasquale gleich in einer großen Rolle debütieren.
Bald darauf konnte sie hier in der Titelrolle von Claudio Monteverdis L’incoronazione di Poppea ihren bislang größten Erfolg feiern. Diese Neuproduktion wurde auch als Videostream übertragen und fand dadurch weltweit Beachtung. Das Werk, eine der ersten Opern der Musikgeschichte, wurde als Tanzperformance inszeniert, wobei auch sie sich mit großer Eleganz über die Bühne bewegte. So verkörperte sie auf das Trefflichste die Intrigantin, die alleine durch ihre Schönheit alles erreicht, was sie will. Sehr gut konnte sie ihre Stimme mit zurückgenommenem Vibrato an das begleitende Originalklangensemble anpassen, ohne ihre charakteristische Wärme aufzugeben. Die Rezensenten raunten gar schon von einer neuen Netrebko, auch wenn solche schmeichelhaften Vergleiche für Nachwuchskünstler womöglich mehr Last als Lust sind.
L’incoronazione di Poppea – Pur ti miro ( Kate Lindsey & Slávka Zámečníková) – Wiener Staatsoper, Spielzeitpräsentation für 2021/2022
Doch die junge Künstlerin wirkt sehr diszipliniert und auf das Wesentliche konzentriert, vielleicht selbst noch erstaunt über ihren erfolgreichen Weg auf die großen Bühnen des Musiktheaters. Perfektionistisch veranlagt möchte sie sehr gründlich vorbereitet auf die Bühne treten, um dann selbst genießen zu können, was sie dem Publikum mitgeben darf. Damit sind bis auf Weiteres vor allem die Wiener reich beschenkt, denn schon ab dem 4. September 2021 darf sie als Nannetta in Falstaff in die neue Spielzeit starten, im Oktober dann wieder die Poppea darstellen, im Dezember die Norina in Don Pasquale, im Januar 2022 die Musetta in La Bohème und die Sophie in Werther. Und zur Krönung der Spielzeit wird sie im Juni in der Premiere von Monteverdis Orfeo die Euridice sein.
Ein wenig Fremdgehen an der Staatsoper unter den Linden als Donna Anna ist auch noch im Programm, dazu noch einige konzertante oder halbszenische Projekte. Sie sagt, dass sie gerne im Ensemble der Wiener Staatsoper bleiben möchte, wo sie bislang Rollen bekommt, die zu ihrer Entwicklung passen. Möge es noch lange so bleiben, dass sich dort das Publikum an seinem attraktiven Rising Star erfreuen kann und hoffentlich auch die Welt des Öfteren per Videostream daran teilhaben darf!
Weiterführende Information:
Interview von Oktober 2020 auf der Webseite der Wiener Staatsoper
Biografisch sortierte Playlist in Youtube
Slávka Zámečníková in Wikipedia
Lorenz Kerscher, 26. August 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Lorenz Kerscher, Jahrgang 1950, in Penzberg südlich von München lebend, ist von Jugend an Klassikliebhaber und gab das auch während seiner beruflichen Laufbahn als Biochemiker niemals auf. Gerne recherchiert er in den Internetmedien nach unentdeckten Juwelen und wirkt als Autor in Wikipedia an Künstlerporträts mit.
„‘Musik ist Beziehungssache’, so lautet mein Credo. Deshalb bin ich auch als Chorsänger aktiv und treffe mich gerne mit Freunden zur Hausmusik. Eine neue Dimension der Gemeinsamkeit eröffnet sich durch die Präsenz vieler, vor allem junger Künstler im Internet, wo man Interessantes über ihre Entwicklung erfährt, Anregungen zur Entdeckung von musikalischem Neuland bekommt und auch in persönlichen Kontakt treten kann. Man ist dann kein Fremder mehr, wenn man ihnen als Autogrammjäger begegnet oder sie sogar bei einem Konzertbesuch im Publikum trifft. Das ist eine schöne Basis, um mit Begeisterung die Karrieren vielversprechender Nachwuchskünstler mitzuerleben und bei Gelegenheit auch durch Publikationen zu unterstützen.“
Rising Stars 12: Milan Siljanov, Bassbariton – eine feste Größe im Münchner Opernbetrieb