Rising Stars 27: Julia Muzychenko, Sopran – Koloratur mit Glamour

Julia Muzychenko: „Il Bacio“ von Luigi Arditi | Semperopernball 2020 | MDR

von Dr. Lorenz Kerscher

Kurz bevor die Pandemie den Kulturbetrieb aus der Bahn warf, gab der Semperopernball einer charmanten jungen Dame noch die Möglichkeit für einen wahrhaft glamourösen Auftritt. In einem spektakulären, mit großen roten Rosen bedruckten Kleid konnten die Zuschauer des MDR erleben, wie sie den Kusswalzer von Luigi Arditi sang. Vor der spritzig aufspielenden Staatskapelle Dresden gab ihr die Bühne Raum, um sich elegant zu bewegen und dabei die bravourösen Koloraturen bis hin zum abschließenden hohen D strahlen zu lassen.

So konnte sich im Februar 2020 das junge Dresdner Opernstudiomitglied Julia Muzychenko in das Gedächtnis vieler Zuschauer einprägen. Sie stammt aus St. Petersburg, wo sie 1994 geboren wurde und später Gesang studierte. Nach dem Abschluss in 2018 orientierte sie sich für ihre weitere Entwicklung in Richtung unserer freien westlichen Länder und war von 2019 bis 2021 Mitglied des Jungen Ensembles der Semperoper Dresden. Dort konnte sie in kleinen und mittleren Rollen Bühnenerfahrung sammeln. Darunter waren die Olympia in Hoffmanns Erzählungen, Musetta in La Bohème und eine bezaubernde Papagena von einer auf größere Aufgaben hindeutenden Strahlkraft.

 

Mozart – Duett Papageno & Papagena aus der Zauberflöte. Sebastian Wartig und Julia Muzychenko

Engagements für größere Rollen in ihrem Fach als Belcanto- und Koloratursopranistin ersang sie sich durch besonders eifrige Teilnahme an Wettbewerben schon während ihres Studiums und dann während ihrer Opernstudiozeit in Dresden. Inzwischen sind in ihrem Wikipediaeintrag ein gutes Dutzend Preise dokumentiert, die zum Teil auch mit attraktiven Auftrittsmöglichkeiten verbunden waren. So war sie schon mit 25 Jahren als Violetta Valéry in La Traviata auf italienischen Bühnen und in Teneriffa zu erleben. Besonders in Frankreich kann man, so ist mein Eindruck, auf diesem Weg interessante Engagements bekommen. Mit 27 Jahren stellte sie an der Opéra National de Montpellier die Norina in Don Pasquale dar, wobei in dieser Produktion der Glamour auf eine etwas schrille, aber in den komödiantischen Kontext gut passende Spitze getrieben wurde.

Jedenfalls gelang es ihr mit Schwung und Temperament, der kapriziösen jungen Witwe ein atemberaubendes Bühnenleben einzuhauchen. Mich hat sie in dem einige Zeit lang vollständig verfügbaren Videostream sowohl sängerisch als auch darstellerisch sehr überzeugt.

Malatesta & Norina Duett – Don Pasquale (Donizetti): Pronta io son

In Montpellier wurde sie auch als Nannetta in einer Neuproduktion von Verdis Falstaff engagiert und machte sich Anfang Februar auf die Reise. Nach Wochen der Arbeit fand die Generalprobe noch statt, doch die Premiere fiel dann dem Lockdown zum Opfer und bis heute konnte sie die für sie so passende Rolle nicht auf die Bühne bringen. Doch die junge Powerfrau ließ sich davon nicht aus der Bahn werfen und meldete sich 2021 mit bemerkenswerten Rollendebüts zurück. Das war wiederum in Montpellier die Gilda in Rigoletto und an der Oper Frankfurt das Hausdebüt als Oksana in Rimski-Korssakovs Die Nacht vor Weihnachten. In dieser großen Rolle konnte sie auch einmal in ihrer Muttersprache singen und viel Lob von den Rezensenten ernten. Ich habe erfahren, dass diese Produktion auch als DVD erscheinen soll und bin sehr gespannt!

Ihren vielleicht wertvollsten Wettbewerbserfolg verbuchte sie 2021 beim 17. Internationalen Gesangswettbewerb in Clermont-Ferrand, wo sie neben Lied- und Publikumspreisen auch ein Engagement in der Hauptrolle von Bellinis La Sonnambula gewann. Und das Beste ist, dass es sich um eine Tourneeproduktion handelt, die seit Januar 2022 ausgehend von Clermont-Ferrand in zehn wichtigen Städten Frankeichs und deren schönen Theatern aufgeführt wird, darunter Avignon, Limoges, Reims und Metz. Überall dort kann sie zeigen, dass sie beim Belcanto genau in ihrem Element ist. Die schöne, bewegliche Stimme mit Strahlkraft und ihre Agilität auf der Bühne geben ihr dafür allerbeste Voraussetzungen.

Eine schöne Weiterentwicklung von den Rollen in den Buffoopern hin zu tragischen Heldinnen wie etwa Lucia di Lammermoor ist zu erwarten, vor allem wenn man hört, wie sie deren Wahnsinnsarie schon 2018 auf das Podium des Éva Martón Wettbewerbs in Budapest brachte. Ich glaube, das ist ihre Zukunft, und ich drücke ihr dafür ganz fest die Daumen!

Finale des 3. Éva Márton Wettbewerbs – Julia Muzychenko – Donizetti: Lucias Arie

Weiterführende Information:

Biografisch sortierte Playlist in Youtube

Julia Muzychenko in Wikipedia

von Dr. Lorenz Kerscher, 21. April 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Rising Stars (c) erscheint jeden zweiten Donnerstag

Lorenz Kerscher, Jahrgang 1950, in Penzberg südlich von München lebend, ist von Jugend an Klassikliebhaber und gab das auch während seiner beruflichen Laufbahn als Biochemiker niemals auf. Gerne recherchiert er in den Internetmedien nach unentdeckten Juwelen und wirkt als Autor in Wikipedia an Künstlerporträts mit.

Dr. Lorenz Kerscher„‘Musik ist Beziehungssache’, so lautet mein Credo. Deshalb bin ich auch als Chorsänger aktiv und treffe mich gerne mit Freunden zur Hausmusik. Eine neue Dimension der Gemeinsamkeit eröffnet sich durch die Präsenz vieler, vor allem junger Künstler im Internet, wo man Interessantes über ihre Entwicklung erfährt, Anregungen zur Entdeckung von musikalischem Neuland bekommt und auch in persönlichen Kontakt treten kann. Man ist dann kein Fremder mehr, wenn man ihnen als Autogrammjäger begegnet oder sie sogar bei einem Konzertbesuch im Publikum trifft. Das ist eine schöne Basis, um mit Begeisterung die Karrieren vielversprechender Nachwuchskünstler mitzuerleben und bei Gelegenheit auch durch Publikationen zu unterstützen.“

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