Foto: Gewandhausorchester © Gewandhausorchester
Gewandhaus zu Leipzig, Großer Saal, 6. Oktober 2022
Robert Schumann, Das Paradies und die Peri op. 50
Gewandhausorchester
Collegium Vocale Gent
Philippe Herreweghe, Dirigent
Mari Eriksmoen, Sopran
Marie-Sophie Pollak, Sopran
Anna Lucia Richter, Mezzosopran
Werner Güra, Tenor
Thomas E. Bauer, Bass
von Dr. Guido Müller
1843 entstand das weltliche Oratorium „Das Paradies und die Peri“ von Robert Schumann in Leipzig und wurde am 4. Dezember 1843 im damaligen Gewandhaus auch mit großem Erfolg für den Komponisten uraufgeführt. Es gehörte mit über 50 Aufführungen auch in New York und Kapstadt schon zu Lebzeiten zu einem seiner meistgespielten Werke. Bis zum Ersten Weltkrieg hielt die Begeisterung auch an. Seitdem findet es sich seltener auf den Spielplänen der Konzertsäle, im Gegensatz etwa zu den Oratorien Felix Mendelssohn Bartholdys.
Worum geht es in dem mit zeittypischen Exotismen und Orientalismen angereicherten chorsinfonischen Werk, in Form einer fortlaufenden Aneinanderreihung der Musikstücke, mit dem die Zeitgenossen eine neue Gattung begründet sahen?
Der Elfe Peri ist der Zutritt zum Paradies verwehrt. Sie kann ihn nur erlangen, indem sie „des Himmels liebste Gabe“ darbringt. Drei Mal schweift sie suchend über ferne Länder des Orients. Doch weder mit dem Blut eines gefallenen Helden (dieser erste Teil bot in beiden Weltkriegen Anlass zu furchtbarem Missbrauch des Werkes), noch mit dem Seufzer einer bis in den Tod getreuen Liebenden in Pestzeiten hat die Peri an der Himmelspforte Erfolg. Erst die Reueträne eines Verbrechers, der beim Anblick eines unschuldigen Knaben seiner Sündhaftigkeit gewahr wird, öffnet ihr triumphierend das Tor zum Paradies.
Während Richard Wagner sich von diesem Stoff begeistert zeigte – ging es doch um die Erlösung einer weiblichen Seele, die auch bei ihm immer wieder Thema war – so konnte Felix Mendelssohn Bartholdy nichts damit anfangen. Der Stoff eignete sich auch nicht für die von Schumann sehnlich erstrebte Oper. So erweisen sich auch heute, trotz des Melodienreichtums, den vielen musikalisch-farbigen Stimmungen und reizvoll abwechslungsreichen Klangfarben und der teilweisen Dramatik, vor allem der Partie der Peri und des Chors, Aufführungen dieses Werkes heute als heikel. Auch klischeehafte Rollenbilder und Stereotype kultureller Aneignung lassen das Werk vom Text her heute teilweise bedenklich erscheinen.
Philippe Herreweghe mit seinem Collegium Vocale Gent mit etwa 48 Sängerinnen und Sängern, fünf Gesangssolisten und das Gewandhausorchester, dem diese Musik quasi seit der Uraufführung im Blut liegt, pflegen mit der Aufführung nun keineswegs nur ein Monument der rührenden Traditionspflege.
Den Musikern gelingt es mit einer Maßstäbe setzenden instrumentalen und gesanglichen Realisierung auf allerhöchstem Niveau dem Werk seinen verdienten Stellenwert als etwas Neues für die Gattung der großen Chorsinfonik der Romantik und im 19. Jahrhundert zu verleihen, dessen sich der Komponist und die Zeitgenossen durchaus schon stolz bewusst waren.
Die Transparenz, Wortverständlichkeit und chorsinfonische Wucht des Chors aus Gent ist ohnegleichen. Ähnlich gilt dies bei den Solisten in erster Linie für den Tenor Werner Güra, den bewährten Lied- und Konzertsolisten, und Mari Eriksmoen, die mit der Rolle der Peri immer auch mit glockenklarem Sopran über den Wogen des Orchesters und des Chors bleibt. Ihnen stehen aber kaum nach die ebenfalls auch solistisch stark geforderten Sopran Marie-Sophie Pollak und Mezzosopranistin Anna Lucia Richter. Thomas E. Bauer steuert als Bass in besonders schöner Weise farbige Schilderungen der Landschaften des Vorderen Orients bei.
Das Gewandhausorchester strahlt in seinen vielen solistischen Partien für die Holzbläser ebenso wie die Hörner und Blechbläser. Die Streicher liefern den tadellos gespielten Teppich dieser enorm verwobenen und farbigen Partitur.
So dankte das Publikum – dem Werk (das zuletzt 2014 im Gewandhaus gespielt wurde) hätte man noch mehr Besucher gewünscht – mit langem herzlichen Beifall allen Künstlern. Philippe Herreweghe gab den Beifall zuerst an die einzelnen Mitglieder des Gewandhausorchesters weiter. Diese hatten ihn sich auch alle redlich verdient. Dabei gebührte sicher dem bescheidenen Maestro der eigentliche Triumph dieses Konzerts.
Dr. Guido Müller, 7. Oktober 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Robert Schumann, Das Paradies und die Peri, Oratorium, 23. Februar 2022 – Elbphilharmonie
Klassik AirLeben, Gewandhausorchester, Susanna Mälkki Leipzig 15./16.7.2022
CD-Rezension: Gewandhausorchester Leipzig Herbert Blomstedt Dirigent, klassik-begeistert.de
Ich freue mich, dass – nach Hamburg – nun auch in Leipzig das herrliche Schumann Oratorium „Das Paradies und die Peri“ aufgeführt wurde.
Eine Bitte an den Rezensenten: Mendelssohn Bartholdy ohne Bindestrich.
So wollte es bereits Felix‘ Vater.
Prof. Karl Rathgeber