Die Altistin Anna Lapkovskaja (Der Engel) stammt aus Minsk und ist aufgewachsen in München. Sie ist regelmäßiger Gast an der Staatsoper Unter den Linden. Die Partie des Engels singt sie überirdisch mit einer einzigartig warm und dunkel gefärbten Stimme. Ihre Erscheinung und ihr schöner Gesang hallten noch lange in mir nach.
Foto: © Marco Borggreve, Facebook.com
Elbphilharmonie, 23. Februar 2022
Robert Schumann
Das Paradies und die Peri / Oratorium für Soli, Chor und Orchester op. 50
Staatskapelle Berlin
Staatsopernchor der Staatsoper unter den Linden
Lucy Crowe Sopran (Peri)
Anna Prohaska Sopran (Die Jungfrau)
Ema Nikolovska Mezzosopran
Anna Lapkovskaja Alt (Der Engel)
Andrew Staples Tenor
Markus Dietrich Tenor (Der Jüngling)
Florian Boesch Bass (Gazna, Der Mann)
Dirigent Marc Minkowski
von Iris Röckrath
Nachdem ich vor knapp 4 Monaten ein Konzert dieses Oratoriums mit dem Symphonischen Chor, einem Laienchor, in der Laeiszhalle besuchte, war ich nun sehr neugierig darauf, das Werk mit Marc Minkowski und dem Ensemble der Staatsoper Unter den Linden in der Elbphilharmonie zu hören.
Dieses wunderbare Klanggemälde, von Robert Schumann im Jahre 1843 komponiert, macht sich immer noch sehr rar auf den Spielplänen der Konzerthäuser. Die Stimmungen der unterschiedlichen Handlungsorte hat der Komponist in unterschiedlichsten Farben gemalt. Den Kampf der Inder mit den angreifenden Afghanen im pestverseuchten Ägypten hat er mit heftigen aggressiven Rhythmen musikalisch dargestellt. Den Tod hört man vorsichtig anklopfen im zweiten Teil. Bis zur erlösenden, sich endlich öffnenden Pforte zum Himmel im dritten Teil durchlebt die Peri vielerlei Gefühle. Sie verzweifelt und verliert fast jede Hoffnung bis sich am Ende dann doch endlich das Tor zum Garten Eden öffnet.
Die englische Sopranistin Lucy Crowe ist für diese Rolle eine Idealbesetzung. Sie fleht mit Körpereinsatz und unglaublich intensiver Stimme, sie ist der Verzweiflung nahe. Am Ende jubelt sie ihre Freude heraus. Sie kann einen Ton laut und voll tönen lassen und wunderschön ins leiseste Pianissimo abschwellen lassen. Bravo. Diese Partie ist ihr auf den Leib geschrieben. Dass sie an den großen Opern- und Konzerthäusern zuhause ist, verwundert nicht.
Äußerst berührend gestaltet auch der englische Tenor Andrew Staples, der einst Chorknabe an der St. Paul’s Cathedral war. Er erzählt die Geschichte, er durchlebt sie mit äußerst differenzierter und deutlicher Aussprache, mit überstrahlender schöner Stimme. Man spürt, er ist dem Publikum zugewandt und möchte ihm etwas Geheimnisvolles mitteilen.
Die Staatsoper Unter den Linden kann sich glücklich schätzen über zwei wunderbare Nachwuchs-Solisten in ihrem Opernstudio. Magnus Dietrich (Tenor) als Jüngling beeindruckte als Einspringer in seiner kurzen Partie mit intensiver Ausstrahlung und klarer wohlklingender Tenorstimme und Ema Nikolovska (Mezzosopran) mit leicht abgedecktem, warmem Mezzo und großem Wiedererkennungswert. Beide Sänger machen sehr neugierig auf größere Rollen auf der Opern- und Konzertbühne.
Die Altistin Anna Lapkovskaja (Der Engel) stammt aus Minsk und ist aufgewachsen in München. Sie ist regelmäßiger Gast an der Staatsoper Unter den Linden. Die Partie des Engels singt sie überirdisch mit einer einzigartig warm und dunkel gefärbten Stimme. Ihre Erscheinung und ihr schöner Gesang hallten noch lange in mir nach.
Die Sopranistin Anna Prohaska und Florian Boesch rundeten das phantastische sehr homogene Solistenquintett ab.
Dem Dirigenten des Abends Marc Minkowski ist anzumerken, dass er enthusiastischer Musiker ist, er kommuniziert viel mit dem Orchester und dem Chor, treibt es voran, bremst es wieder aus, beschwichtigt es in seiner Lautstärke. Ist die Chemie zwischen dem für Sir Simon Rattle eingesprungenen Dirigenten und dem musizierenden Orchester stimmig, oder arbeiten sie passagenweise gar gegeneinander? Minkowski verlangt viel von seinen Musikant:innen – „zu“ viel?: so entgleiten die feurigen Passagen schnell in gehetzte Tempi, die langsamen Passagen wirken im dritten Teil eher spannungslos. Dann jedoch erwachsen beispielsweise wunderschön erdig klingende Cellomotive aus der Stille und all die Zweifel sind wie weggewischt.
Sehr deutlich wurde an diesem Abend, dass in diesem Konzertsaal weniger Lautstärke und mehr Textverständlichkeit bzw. Gestaltung besonders wichtig sind. Für einen Opernchor, der in erster Linie in einem Opernhaus über einen großen Orchesterapparat hinwegsingen muss, scheint es eine besondere Herausforderung zu sein, in einem so empfindsamen Konzertsaal wie der Elbphilharmonie zu singen. So hätte ich mir einige Ensemblestellen mit Chor gefühlvoller, textverständlicher und zurückhaltender gewünscht.
Insgesamt war es ein zupackend musikalischer Abend, der von einigen Bravos gekrönt wurde.
Iris Röckrath, 26. Februar 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Ich hatte mir einmal Gedanken darüber gemacht, welcher der beiden Komponisten größer bzw. bedeutender ist, Beethoven oder Schumann. Nach langem Nachsinnen bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass das sehr schwer ist zu sagen. Vielleicht kann man das überhaupt nicht sagen, denn beide Komponisten sind gleichermaßen groß und genial im Schaffen ihrer Werke, aber jeder auf seine spezielle Art. Sicher, Beethovens Werke sind großartig – Schumanns Musik ebenfalls. Doch die Werke des Letztgenannten sind vielleicht noch
etwas ergreifender und nachhaltiger. Doch sind Beide als „ebenbürtig“ zu betrachten.
Heinz-Peter Voigt