Foto: © Holger Hage
Rotterdams Philharmonisch Orkest
Jan Lisiecki Klavier
Dirigent Yannick Nézet-Séguin
Leonard Bernstein, On the Waterfront / Symphonische Suite
Frédéric Chopin, Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 e-Moll op. 11
Sergej Rachmaninow, Sinfonische Tänze op. 45
Elbphilharmonie, 15. März 2017
Frédéric Chopin sagte, seine Romanze im Klavierkonzert Nr. 1 sei „eine Art Träumerei im Mondlicht einer schönen Frühlingsnacht“. Und so erklang sie am Mittwochabend im Großen Saal der Elbphilharmonie, als der bald 22 Jahre alte Jan Lisiecki sie am wunderbaren Steinway-Flügel spielte.
Dieser 2. Satz des weltberühmten Klavierkonzerts Nr. 1 war der Höhepunkt eines wunderbaren Abends mit dem Rotterdams Philharmonisch Orkest unter der Leitung des Kanadiers Yannick Nézet-Séguin und seinem Landsmann Jan Lisiecki, als Kind polnischer Eltern am 23. März 1995 in Calgary geboren. Diese Romanze war ein überirdisches, übersinnliches Hörerlebnis, ganz zerbrechlich, zärtlich und behutsam gespielt von dem jungen Klaviervirtuosen.
Bereits mit 20 Jahren komponierte Chopin dieses Meisterwerk noch in Warschau, das er kurz nach der Uraufführung im Oktober 1830 für immer verlassen sollte, um über Wien und Stuttgart nach Paris zu gehen. Der polnischstämmige Jan Lisiecki hat seinem großen musikalischen Vorbild Chopin in der Elbphilharmonie ein wunderbares Gedenken bereitet. Technisch gesehen spielte er makellos. Der zweite Satz erklang sehr ausdrucksvoll, klar und leicht. Den ersten und den dritten Satz lieferte der Kanadier mit flinken Fingern temperamentvoll und kraftvoll ab – „das war sehr virtuos und perlte unglaublich“, resümierte die Hamburger Gynäkologin Dr. Christine Dörffling nach ihrem ersten Besuch im Prachtbau in der Hamburger HafenCity.
Auf seiner Homepage http://www.janlisiecki.com wird das Spiel Lisieckis auf Englisch sehr schön beschrieben: „Jan says his aim is to always perform in a way that carries forward the beauty and brilliance of the original work. He has demonstrated that he is capable of rendering compositions remarkably close to the way they were intended. „Going into a concert hall should be like going into a sanctuary. You’re there to have a moment of reflection, hopefully leaving feeling different, refreshed and inspired.”
In Deutschlandradio Kultur erklärte der Shooting Star am Piano seine Liebe zu Chopin: „Trotz ihrer Universalität hat Chopin seine Musik immer über Polen geschrieben. Jede Person wird seine Musik anders empfinden. Ich zum Beispiel fühle darin polnische Tänze, sehe die polnische Landschaft. Das ist wunderschön. Die Betrachtungsperspektive hilft: Wer Polen gesehen hat, wird die Musik Chopins besser verstehen.“
Verglichen mit dem Jahrtausendkomponisten Chopin war der Anfang in der Elbphilharmonie dagegen musikalisch gesehen ganz schmale Kost: Leonard Bernsteins „On the Waterfront“, eine symphonische Suite zu seiner einzigen Filmmusik aus dem Jahre 1954. Klassik-begeistert.de hält dieses Werk im internationalen Vergleich gesehen für nur begrenzt aufführungswürdig. Gewiss, eine wunderbare Passage des Solo-Horns und hitzige perkussive Rhythmen bleiben angenehm in Erinnerung. Ansonsten ist da aber ganz viel Mittelmaß – gar nicht vergleichbar mit der Raffinesse des 1957 uraufgeführten Musicals „West Side Story“.
Das Rotterdams Philharmonisch Orkest zeigte vor allem nach der Pause bei Sergej Rachmaninows Sinfonischen Tänzen op. 45, dass es in Europa zu den führenden Klangkörpern zählt. Unter der Leitung des Music Director Yannick Nézet-Séguin liefen vor allem die Holzbläser, allen voran die Hörner, zur Höchstform auf. Der Dirigent verrichtete im dritten Satz „Lento assai – Allegro vivace“ körperliche Schwerstarbeit. Am eindringlichsten aber gelang der langsame Teil des ersten Satzes, den die Streicher mit ganz viel Gefühl und Hingabe darboten.
Was im Herzen bleibt, ist aber allein der großartige Chopin, dargeboten mit Zauberhänden von Jan Lisiecki.
Andreas Schmidt, 16. März 2017
klassik-begeistert.de