Grafenegg Festival-Tagebuch: Buchbinder und Gatti liefern einen feierlichen Festivalabschluss

Rudolf Buchbinder, Klavier, Staatskapelle Dresden, Daniele Gatti  Konzert am 8. September 2024 im Wolkenturm, Grafenegg

Ausnahmsweise falle ich hier in die bei mir ansonsten unbeliebte „Ich-Form“ zurück; Grund ist vor allem die persönliche Sichtweise bei der Schumann-Symphonie. Insgesamt war es ein hochinteressantes Fest im 18. Jahr des Bestehens des Grafenegger-Sommers. Geprägt waren die Konzerte sehr oft durch Jubiläums- und Gedenktage.

Konzert am 8. September 2024 im Wolkenturm, Grafenegg

Ludwig van Beethoven: Ouvertüre zum Ballett „Die Geschöpfe des Prometheus“ op. 43
Ludwig van Beethoven: Klavierkonzert Nr. 4 in G-Dur op. 58
Robert Schumann: Symphonie Nr. 4 in d-moll op. 12o

Rudolf Buchbinder, Klavier 0© Marco Borggreve
Staatskapelle Dresden
Dirigent: Daniele Gatti

von Herbert Hiess

War meine Begeisterung beim Konzert unter Daniele Gatti am Vorabend groß und gewaltig, muss man da nach dem zweiten Abend etwas zurückstecken – und da leider wegen der Aufführung von Robert Schumanns letzter Symphonie. Zugegebenermaßen ist dieses Werk hoch komplex aufzuführen; ist die Kompositionstechnik harmonisch und rhythmisch sehr komplex.

Da muss der Dirigent äußerst wachsam sein und quasi aus der „Vogelperspektive“ einen Blick auf das gesamte Werk haben. Den hatte Daniele Gatti leider absolut nicht. Verwunderlich war schon einmal die kleine Streicherbesetzung (mit vier Kontrabässen). Vielleicht wollte der Maestro mehr Transparenz erreichen; er erreichte dadurch leider nur eine eher schwächliche Substanz.

Ich erinnere mich noch recht genau an die Proben und das Konzert dieser Symphonie 1987 unter Herbert von Karajan im Musikverein. In der Probe ließ er OHNE Pause zuerst Mozarts „Jupiter“-Symphonie und dann gleich Schumanns 4. erklingen. Das war ein Schlüsselerlebnis der besonderen Art. Das war ein klangliches Ereignis der besonderen Art; nicht einmal unter Leonard Bernstein war dieses Werk so einprägsam.

Wenn man jetzt Gatti und Karajan gegenüberstellt, kann man sich meine Enttäuschung vorstellen. Gatti hatte hier einen viel zu sanften Zugriff; viele Passagen erklangen berührend schön (vor allem der Beginn des zweiten Satzes), aber viele Passagen waren sogar bei Gatti richtig ärgerlich.

Eine Schlüsselpassage dieser Symphonie ist der Übergang vom dritten zum vierten Satz, der schon allein einen Konzertbesuch rechtfertigt. Bei Gatti war das völlig inhomogen und dynamisch komplett daneben. Während die Streicher ein sanftes Pianissimo tremolierten, war der erste Einsatz der Posaunen und Hörner ein richtiges Röhren. Ich erinnere mich noch, wie bei Karajan, sich das langsam vom Pianissimo zum gewaltigen Fortissimo steigerte; der Paukist der Dresdner schaffte es nur etwas zu 1,5 f während in Wien Bruno Hartl (der beste Paukist, den die Philharmoniker je hatten) gemeinsam mit Herbert von Karajan das Orchester zu einem gewaltigen Sturm mitriss.

Schade um diese belanglose Interpretation der Dresdner unter Gatti in Grafenegg… dabei hatte es mit Beethoven so gut begonnen.

Zuerst eine sehr farbige Ouvertüre zu „Prometheus“ und dann das berühmte vierte Klavierkonzert von Beethoven. Festivalintendant Buchbinder gab sich da die Ehre und spielte das Solo bei diesem Festivalabschlusskonzert. Die Dresdner unter Gatti waren da mehr als eine Begleitung; man hörte aufs Feinste auch die kammermusikalischen Passagen; großartig hier wieder das Solocello im dritten Satz.

Besonders in Erinnerung blieb mir der zweite Satz (Andante con moto); der einen Dialog zwischen Klavier und Orchester darstellte. Einerseits die scharfen Streicherpassagen, die immer wieder von zarten Klaviereinlagen abgelöst werden. Am Schluss gibt es die berührende Einigung zwischen Klavier und Orchester.

Rudolf Buchbinder bedankte sich hier mit dem Finalsatz der „Sturm“-Sonate von Beethoven (Nr. 17 op. 31 Nr. 2). Das könnte man schon als Einladung auf das Sonderkonzert von Buchbinder auffassen, der am 15. September 2024 ein Abschiedskonzert für die Reitschule in Grafenegg geben wird (Abschiedskonzert Reitschule | Grafenegg).

Natürlich gab auch das Orchester eine Zugabe; nämlich das Scherzo aus Mendelssohn-Bartholdys „Sommernachtstraum“, das mich nach dem eher misslungenen Schumann wieder versöhnte und so nebenbei wieder die Brillanz des Orchesters (vor allem der Holzbläser) bewies!

Herbert Hiess, 10. September 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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