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In der Lübecker Musik- und Kongresshalle feiert Sabine Meyer die Kunst des Klarinettenkonzerts mit einer frischen Priese Weber. Auch Michael Hofstetter überzeugt mit einer flotten Schubert-Sinfonie am Pult der Philharmonische Staatsorchester Lübeck.
Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck
Sabine Meyer, Klarinette
Michael Hofstetter, Dirigent
Werke von Ludwig van Beethoven, Carl Maria von Weber und Franz Schubert
Musik- und Kongresshalle Lübeck, 26. November 2023
von Johannes Karl Fischer
Eine etwas unspektakulär rechteckige Bühne, das Einlasspersonal weiß kaum, was die Garderobe kostet. Die Atmosphäre entspricht wirklich mehr jener eines Großkongresses vor den Toren der eigentlich sehr charmanten Lübecker Altstadt. Egal. Ein bisschen wie früher. Zu Beethovens wie auch Webers Zeiten mussten selbst die musikalischen Weltstars teils mit suboptimal externen Gegebenheiten klarkommen. Doch vor gut gefülltem Publikum nahm eben die Musik überhand. Damals wie heute.
Denn Sabine Meyer perlt die Klarinette auf und ab, segelt sanft durch Webers f-Moll Klarinettenkonzert wie auf einem fliegenden Teppich über luftigen Wolken. Die Naturhörner im Orchester lässt sie schweben, die spieltechnische Schwere dieser Instrumente scheint sich in Luft aufzulösen.
Im dritten Satz dann nochmal der Turbo, so rhapsodiert sie heiter durch die perlenden Läufe des äußerst lebhaften Rondos. Als würde sie auf einer Volksfestbühne einer ländlichen Kleinstadt das Publikum zum Tanzen anschwingen… vielleicht im holsteinischen Eutin? Ein kleiner Katzensprung liegt zwischen dieser Bühne und dem Geburtsort des Komponisten.
Mit eben solch einem Katzensprung hüpft die Musik auch in die Zugabe… mehr Weber! Denn waren die gut zwanzig Minuten des Klarinettenkonzerts wie in einem Nu schon wieder vorbei, servierte die Klarinettistin noch eine luftige musikalische Nachspeise in Form des Menuetto Capriccio aus seinem Klarinettenquintett hinterher.
Das Philharmonisches Staatsorchester der Hansestadt Lübeck – außerhalb der Marzipanstadt wohl kaum von Bekanntheit – erwies sich als mehr denn solide Begleitung. Mit Naturhörnern und -Trompeten stürzten die MusikerInnen sich authentisch an den Start und brachten einen frischen Weber-Klang wie in alten Zeiten der Frühromantik zum Klingen. Eifrig ließen sie sich von Frau Meyers solistischer Begeisterung mitreißen, allen voran Konzertmeister Tzu-Jen Chou.
Lebhafte Impulse kamen auch vom Pult: Solch eine spaßige Schubert-Symphonie wäre ohne Michael Hofstetters überaus flottes Dirigat kaum mit solch einer schwungvollen Freude zu realisieren gewesen. Federleicht wie Schlagsahne und doch nicht zu übereifrig. Eine gute Prise Divertissement wohlwollend zu einem sonntagmorgendlichen Kaffee. Muss ich immer mehr an meiner einstigen Schubert-Skepsis zweifeln? Sorry, das war einfach toll, nicht zu kurz, nicht zu lang, nicht zu sanft, nicht zu flott.
Es gibt eben Dirigenten, unter denen fast ausnahmslos jedes Orchester wie aus dem Arbeitsalltag entfesselt begeisternd spielt… und dann mit Sonntagsmatineen wie diese in grenzenlose Begeisterung entflammt!
Mit Beethovens Coriolan-Ouvertüre – ganz titeltreu auch am Kopf des Konzerts – schienen sie noch recht gefordert, etwas stramm am Steuer. Doch diese Darbietung der dritten Sinfonie hätte treffsicherer nicht sein können: Blitzeblank saubere Bläsersoli machten den Weg frei für eine feierlich Schubert-Stimmung, das Allegretto an zweiter Stelle spazierte entspannt durch den winterkalten Novembermorgen wie ein schöner Bummel durch die Salzburger Getreidegasse. Da kommt einem glatt der Sinn nach einer guten Marzipanschokolade im Café Niederegger…
Im Schlusssatz legte das Orchester nochmal einen drauf, da gings nochmal richtig schön nach vorne. Würde ich mir auch vom Hamburger Staatsorchester manchmal wünschen… könnte Herr Hofstetter nicht einfach die nächste Salome oder Elektra dort übernehmen?
Johannes Karl Fischer, 26. November 2023 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at