Tughan Sokhiev © Mat Hennek
Der ossetische Maestro Tugan Sokhiev war nach anfänglichen Erfolgen in Wien und Grafenegg für längere Zeit von der Bildfläche verschwunden. Bei Tschaikowskys „Iolanta“ hat sich großartigerweise gezeigt, wie brillant, ernsthaft, hochmusikalisch und trotzdem seriös er vor den Orchestern agiert. Und wie es aussieht, wird er hoffentlich noch öfters in Wien zu sehen und zu hören sein. Dieses Mal äußerst brillant und erfolgreich mit der Staatskapelle Dresden.
Wiener Konzerthaus, 23. Mai 2025
Dmitri Schostakowitsch: Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 in Es-Dur op. 107 (1959)
Anton Bruckner: Symphonie Nr. 7 in E-Dur
Sächsische Staatskapelle Dresden
Sol Gabetta, Violoncello
Dirigent: Tugan Sokhiev
von Herbert Hiess
Das deutsche Meisterorchester aus Sachsen ist wie prädestiniert für das deutsche Repertoire und vor allem jenes von Richard Wagner, was bei diesem Konzert vor allem bei Bruckner zu hören war. Dazu aber später.
Dieses Konzert und dieses Programm hat gewaltigen Symbolcharakter – nämlich – wenn ein deutsches Orchester Werke aus dem deutschsprachigen Raum UND ein russisches Werk mit größtmöglicher Brillanz spielt. Und noch dazu ein phantastischer Dirigent aus dem russischen Reich beide Werke unvergleichlich geradezu zelebrierte.
Zu Beginn hörte man mit der argentinischen Cellistin Sol Gabetta eine der besten Cellistinnen der Welt. Sie und Gaultier Capuçon sind offenbar die Weltspitze auf diesem Instrument und zur Zeit durch Niemanden zu übertreffen.

Das hat sie eindrucksvoll bei Schostakowitschs Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 in Es-Dur bewiesen; kaum eine Komposition ist für Musiker so anspruchsvoll wie dieses Konzert. Rasante Figuren und Grifftechniken sind für diese Könnerin kein Thema; aber was das Orchester, der Dirigent und die grandiose Solistin im zweiten Satz (Moderato) vollbracht haben, war in dieser Form selten zu hören.
Schon das Eingangsthema mit den Bratschisten war mehr als berührend; atemberaubend die phantastischen Flageolettstellen im allerhöchsten Bereich. Schostakowitsch schenkte da den Musikern absolut nichts; da gibt es sogar eine Passage, wo die Solistin eine Kantilene und mit der gleichen Griffhand scharfe Pizzicati spielen muss – in dieser Form gelingt das wahrscheinlich den Allerwenigsten.
Nach dem irrwitzigen Ende des Cellokonzertes wollte man offenbar beweisen, dass man den Celestaspieler nicht nur für die paar Takte Schostakowitsch kommen ließ – Sol Gabetta spielte als Zugabe von Manuel de Falla aus den „Siete canciones populares españolas“ Nr. 5 – das Wiegenlied; transkribiert für Cello und Celesta. Ein würdiger und berührender Abschluss.

Nach der Pause hörte man von der Sächsische Staatskapelle Dresden die „Wagner’schste“ aller Bruckner-Symphonien – nämlich die 7. in E-Dur. Auch dieses Werk dirigierte Tugan Sokhiev ohne Taktstock – wie auch das Cellokonzert.
Mit aller Bescheidenheit führte er das Orchester zur höchstmöglichen Brillanz; dabei ließ er keine musikalische Phrase aus – es gab viele berührende und beglückende Momente. Die E-Dur Kantilene ab dem dritten Takt im ersten Satz (Hörner und Celli) war schon ein Glücksfall für sich. Da zeigte sich, dass Sokhiev es versteht, große Bögen zu halten und sogar fortzuspinnen. Und so ging es die nächsten 70 – 75 Minuten weiter; ein Höhepunkt war auch der Choral der Wagner-Tuben im zweiten Satz; mit diesem Orchester unter Sokhiev war das geradezu ein Erlebnis.

Die Dresdner spielten unter Sokhiev eine Interpretation, die die große Konkurrenz (Karajan, Solti, Böhm, Maazel usw.), vor allem in Wien, nicht zu fürchten braucht.
Das war ein Konzertabend, den man sich noch lange wird merken können und müssen.
Ein mehr als würdiges Konzert im Rahmen des
„41. Internationales Musikfest“ im Wiener Konzerthaus.
Herbert Hies, 25. Mai 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Wer von Tugan Sokhiev noch nicht genug hat, sollte am 13. Juni 2025 im Schönbrunner Schlosspark das Sommernachtskonzert der Wiener Philharmoniker besuchen (Sommernachtskonzert 2025 – Wiener Philharmoniker) – bleibt noch zu hoffen, dass dies ein Auftakt für eine langfristige Zusammenarbeit des Wiener Weltklasseorchesters mit dem Superdirigenten ist!
Herbert Hiess, 25. Mai 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Auf den Punkt 30: Tugan Sokhiev klassik-begeistert.de, 1. November 2024
Orchestre national du Capitole de Toulouse, Sol Gabetta Kölner Philharmonie, 12. März 2025