Nur der Applaus fällt viel zu gemäßigt aus: Julia Fischer spielt Beethoven in der Semperoper

4. Symphoniekonzert Staatskapelle Dresden,Tugan Sokhiev, Dirigent, Julia Fischer, Violine Semperoper Dresden, 13. November 2022

Foto: Tugan Sokhiev und Julia Fischer in der Semperoper © Markenfotografie

Die Ausnahmegeigerin Julia Fischer brilliert mit einer einzigartigen Aufführung des Beethoven-Violinkonzerts, Tugan Sokhiev und die Staatskapelle mit Brahms 1. Zwei Paradestunden des Dresdner Konzertlebens an einem sonst so gewöhnlichen Sonntagmorgen.

4. Symphoniekonzert

Staatskapelle Dresden
Tugan Sokhiev, Dirigent
Julia Fischer, Violine

Werke von Ludwig van Beethoven und Johannes Brahms

Semperoper Dresden, 13. November 2022

von Johannes Karl Fischer

Ein winterkalter Novembermorgen vor den prachtvollen Bauten der Dresdner Altstadt. Die Stimmung in der majestätischen Semperoper ist so sonnig wie der Himmel, ein schönes Frühstückskonzert erwartet das vorwiegend ältere Publikum. Christian Thielemann hat mit Schulterproblemen abgesagt, statt Mendelssohn steht Beethoven und Brahms auf dem Programm.

Das Beethoven-Violinkonzert ist ein Meilenstein des Violinrepertoires, selbst für die erfahrensten Profis eine musikalische Mutprobe. Liebe Julia Fischer, ich habe dieses Werk endlose Male in Aufnahmen und Konzertsälen gehört. Vor vielen Jahren hat mein Geigenlehrer es mir gar zugetraut, es selber zu spielen – naja, ist schon sehr herausfordernd. Wie schaffen sie das, dieses Kopfsatz-Monster mit solch einer Mozartlichen Eleganz zu besänftigen?

Eine Dreiviertelstunde voll schwärmerischen Geigenklängen, die Solistin kämpft nicht gegen das Orchester, sondern singt endlos fröhliche Melodien. Julia Fischer serviert dieses Konzert wie ein köstliches Frühstück auf einer grünen Frühlingswiese im Bayerischen Oberland. Wer noch halb im schönen Sonntagsschlaf liegt, wird nicht von einem heroischen Solokonzert rüde wachgerüttelt, sondern sanft von streichelnden Melodien erweckt. Das ist der wahre Geist dieses Werkes!

Tugan Sokhiev © Markenfotografie

Alles musiziert in bester Harmonie: Orchester, Dirigent, natürlich auch die Solistin. Und diese wundervolle Akustik: Hell und strahlend, der Saal lässt die Lüftchen an weichen Tönen durch den Raum segeln. Man fühlt sich wie im Paradies. Der Schlusssatz tanzt wie eine luftige Volksweise, am Ende entspringt aus der Musik eine brennende Passion mit wirbelnder Energie. Wie eine morgendliche Walzerstunde im weihnachtlichen Wien-Zauber.

Eine Zugabe gab’s auch, die Caprice Nr. 13 von Paganini. Nur solch eine Wundergeigerin greift auch dieses solistische Showpiece mit links, eine süße Nachspeise nach dem feinen Frühstück.

Mit der 1. Sinfonie von Johannes Brahms kriegt auch die Dresdner Staatskapelle ihre morgendliche Sternstunde. Tugan Sokhiev dirigiert am Pult mit präzisesten Anweisungen, das dürfte für Thielemanns Truppe nichts neues sein. Und was für einen Klang holt er aus diesem Orchester! Bernd Schobers expressivstes Oboen-Solo war das Sahnehäubchen auf einer reichlich energetischen, blitzeblank polierten Darbietung dieser Klassiker-Sinfonie.

© Markenfotografie

Von den melancholischen Anfangstakten steigert sich die Musik bis zu den packenden, triumphalen Schlussakkorden, eine unendliche Melodie in sinfonischer Form. Und das mit einer Woche Vorwarnung, eine kurze Woche, um die Noten wieder aus dem Schrank zu holen, die Solo-Stellen zu üben. Bravo, bravo, weiter so!

Nur der Applaus fiel – wie schon bei Julia Fischer – viel zu gemäßigt aus, stehende Ovationen hätte das verdient!

Ein ganz außergewöhnliches Konzert an einem ganz gewöhnlichen Sonntagmorgen geht zu Ende… leider. Das waren zwei Paradestunden des Konzertlebens.

In wenigen Tagen geht dieses Programm auf Tournee, die Elbphilharmonie darf auf dem Reiseplan natürlich nicht fehlen. Angesichts der überlegenen Akustik der Semperoper ist es fragwürdig, wie die Konzertdirektion Dr. Rudolf Goette die fast doppelt so hohen Kartenpreise in der Hansestadt rechtfertigen möchte.

Johannes Karl Fischer, 13. November 2022 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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