Superstar Lise Davidsen: Eine Brünnhildenstimme macht noch keine Salome

Richard Strauss, Salome  Opéra Bastille, Paris, 28. Mai 2024

Pavol Breslik (Narraboth), Johann Reuter (Jochanaan), Lise Davidsen (Salome), Gerhard Siegel (Herodes), Ekaterina Gubanova (Herodias) (Foto: RW)

Man hörte bei Lise Davidsen keine 16-Jährige, um die rechte Form der Liebe ringende, sich in Schuld und Scham verstrickende Herodiastochter, sondern eine Brünnhildenstimme, die der Rolle interpretativ kaum gerecht werden konnte.

Salome
Oper von Richard Strauss  nach dem Drama von Oscar Wilde

Orchester der Opéra national de Paris, musikalische Leitung: Marc Wigglesworth

Inszenierung: Lydia Steier
Bühnenbild: Momme Hinrichs, Kostüme: Andi Besuch

Opéra Bastille, Paris, 28. Mai 2024

von Dr. Ralf Wegner

Lise Davidsen wird überall als Superstar gefeiert. Gestern trat sie in dem riesigen Forum der Bastille-Oper in Paris auf. Sie füllt den Raum mit ihrem voluminösen, klangvollen Sopran wie wohl keine andere. Stets lag sie deutlich über dem Orchester, sofern sie ins Forte ging und ihre Strahlestimme bis in den letzten Winkel des Zuschauerraumes projizierte.

Ihr Piano ging in dem groß aufspielenden Orchester aber unter, und auch all die stimmdynamisch und modulativ möglichen Abstufungen dieser Partie kamen kaum zum Tragen bzw. wurden vom Orchester überdeckt. Damit ging der seelische Ausdruck verloren. Man hörte keine 16-Jährige, um die rechte Form der Liebe ringende, sich in Schuld und Scham verstrickende Herodiastochter, sondern eine Brünnhildenstimme, die dem Drama interpretativ kaum gerecht werden konnte. Zudem verstand ich bei ihr kaum ein Wort oder einen Satz, alles ging im sängerischen Forte unter oder wurde vom Orchester überdeckt.

Diese Salome-Aufführung war ein Kampf der Sängerinnen und Sänger mit dem Orchester. Alle waren Forte-qualifiziert wie Ekaterina Gubanova als Herodias oder Gerhard Siegel als Herodes. Siegel sang textdeutlich und gab der Rolle des Tetrarchen auch inhaltlich genügend Profil. Er ist sich der Bedeutung des Propheten Jochanaan wohl bewusst. Nur er ringt verzweifelt mit seiner Stieftochter um dessen Kopf. Siegel versteht es, mit stimmlichen Mitteln den inneren Kampf dieses offensichtlich nicht ungläubigen Mannes zu verdeutlichen. Pavol Breslik erwies sich als schönstimmiger Narraboth und auch Johan Reuter gelang es, seiner Stimme den Klang zu geben, der Salome faszinieren sollte.

Das komplette Salome-Ensemble (Foto: RW)

Das groß besetzte Orchester wurde von Marc Wigglesworth geleitet. Der Breitbandklang aus dem riesigen Orchestergraben erschien mir wenig warm, als ob er den im Saal verbauten Marmor widerspiegeln wollte.

Ein letztes Wort zur Inszenierung. Der Schluss war beeindruckend. Salome wird zusammen mit dem nicht mehr kopflosen Jochanaan apotheotisch in den Bühnenhimmel gehoben. Den Tod erleidet an ihrer Stelle ein Double.

Salomes Schleiertanz war allerdings zum Fremdschämen. Sie lässt sich von Herodes entkleiden, befriedigt ihn dann sexuell und wird schließlich vom Hofstaat geschändet.

Das zahlreich in der Bastille-Oper erschienene Publikum war von Lise Davidsens Strahlestimme begeistert und schloss auch die anderen Mitwirkenden in den Jubel ein.

Richard Strauss, Salome Opéra Bastille, Paris, 25. Mai 2024

Salome, Oper von Richard Strauss Staatsoper Hamburg, 15. November 2023

Richard Strauss, Salome Wiener Staatsoper, 2. Februar 2023 Premiere

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