Photo: Jean-Nico Schambourg, Vlnr: Roberta Mantegna, Teresa Iervolino, Carlo Montanaro, Jean-François Borras, Germán Alcántara
Uraufgeführt am 11. März 1837 an der Mailänder Scala, erfreute sich die 41. Oper von Saverio Mercadante anfangs einer gewissen Beliebtheit. Sie wurde schnell von einigen Opernhäusern in Italien (Venedig 1838, Rom 1839), sowie auch im Ausland übernommen (Wien 1838, London 1840, New York 1848, Paris 1858). Ab dann fiel sie allerdings immer mehr in Vergessenheit und wurde seither nur mehr selten aufgeführt.
Das Klangvokal Musikfestival Dortmund hat sich jetzt dieses Werks angenommen und präsentiert es in einer konzertanten Version mit fulminanten Interpreten.
Konzerthaus Dortmund, 3. Juni 2023
Saverio Mercadante (1795-1870)
IL GIURAMENTO
Melodramma in drei Akten (Libretto: Gaetano Rossi)
Musikalische Leitung Carlo Montanaro
WDR Funkhausorchester
WDR Rundfunkchor (Einstudierung: Tilman Michael)
Manfredo Germán Alcántara
Bianca Teresa Iervolino
Elaisa Roberta Mantegna
Viscardo Jean-François Borras
Konzerthaus Dortmund, 3. Juni 2023
von Jean-Nico Schambourg
Die Vorlage zu dem Libretto der Oper von Saverio Mercadante stammt von Victor Hugo “Angélo, tyran de Padou” (Angelo, Tyrann von Padua). Das Buch wurde später noch mehrmals vertont, u.a. von Amilcare Ponchielli mit seiner Oper “La Gioconda”. Das Libretto zu Mercadantes Oper stammt von Gaetano Rossi, aus dessen Feder u.a. Tancredi, Semiramide von Rossini, sowie Linda di Chamonix von Donizetti stammen.
Bianca wurde gegen ihren Willen mit Graf Manfredo verheiratet, obwohl sie heimlich Viscardo liebt. Elaisa, eine junge Frau auf der Suche nach der Tochter ihres Wohltäters, der einst, auf Bitten der Tochter, ihren Vater verschont hat, und der auch von ihr geliebte Viscardo kommen in die Stadt. Der in Ungnade gefallene Höfling Brunoro entdeckt, dass Viscardo heimliche Verehrer von Bianca ist. Er erzählt es Elaisa, um sie eifersüchtig zu machen. Aber sie findet heraus, dass Bianca genau die Frau ist, nach der sie sucht und der sie ewige Dankbarkeit geschworen hat. Brunoro bringt Bianca und Viscardo zusammen, verrät sie aber an Manfredo.
Der Graf verdächtigt Bianca der Untreue und sperrt sie in der Familiengruft ein, mit der Absicht, sie zu vergiften. Doch Elaisa, die vom Grafen geliebt wird, schafft es, das Gift durch ein starkes Betäubungsmittel zu ersetzen. Nachdem Bianca das Betäubungsmittel getrunken hat und Manfredo sie tot glaubt, nimmt Elaisa den vermutlichen Leichnam Biancas zu sich.
Viscardo kommt und glaubt, dass Elaisa für Biancas Tod verantwortlich ist und ersticht sie, gerade als Bianca aus ihrem Tiefschlaf erwacht. Elaisa bringt die Liebenden zusammen und stirbt in den Armen des Mannes, den sie geliebt hat.
Ende der 1830er Jahren war Mercadante in Italien der führende Komponist: Rossini hatte sich zurückgezogen, Bellini war gestorben, Donizetti verweilte in Paris. Musikhistorisch muss man Mercadante als Link zwischen dem Belcanto und Verdi ansehen. Mit seiner Oper “Il Giuramento” leitete Mercadante eine Reform des italienischen Opernstils ein. Seine innovative Orchestrierung, seine Abkehr vom Belcanto-Stil und sein Streben, dramatische Wahrheit und Ausdruck über rein musikalische Werte zu stellen, zeigen schon die Richtung, die Giuseppe Verdi mit seinen Opern weitergehen wird. Hierzu hatte Mercadante sich zuvor in Paris am Beispiel der “Grand Opéra” von Meyerbeer und Halévy inspiriert.
Mercadante wurde von anderen Komponisten sehr geschätzt: Rossini schätzte seine Musikalität; Liszt, der selten positive Worte über die italienische Oper verlor, lobte seine Orchestration; sogar Donizetti, sein Kontrahent, erkannte seine Verdienste an. Dann aber kam Giuseppe Verdi 1841 mit “Nabucco” und der Stern von Mercadante fing an zu verglühen.
Dass es sich lohnt, Mercadantes Opern wieder mehr Interesse und Gehöhr zu schenken, zeigt das Klangvokal Musikfestival Dortmund mit seiner diesjährigen Aufführung von “Il Giuramento”. Als einziger Kritikpunkt an diesem Abend seien vielleicht die diversen Kürzungen angeführt, die man in Dortmund für diese konzertante Version vorgenommen hat. So erlebte man leider nur etwa 1 Stunde 45 Minuten Musik.
Unter der Leitung von Carlo Montanaro, der, wie so oft, auch diese Musik mit viel Elan zum Erglühen bringt, singt ein internationales Sängerensemble mit viel Hingabe und Kompetenz. Die Hauptrolle wird gesungen von Roberta Mantegna. Die Rolle der Elaisa verlangt nach einem dramatischen Sopran mit Koloraturqualitäten. Die italienische Sopranistin weiss diese Ansprüche zu erfüllen, sowohl in den lyrischen Passagen, wie zum Beispiel ihrer Romanze im letzten Akt, wie auch in den dramatischen Passagen wie dem Schlussduett mit Viscardo. In den jeweiligen Finali schmettert sie ihre Spitzentöne über den vollen Orchesterklang.
Höhepunkt des Abends ist das Duett Elaisa/Bianca interpretiert von Teresa Iervolino. In diesem mitreißendem Duett, ganz in der Linie desjenigen von Norma und Adalgisa aus Bellinis Oper “Norma”, verschmelzen die Stimmen der beiden Frauen wunderbar zusammen. Iervolino besitzt einen über die ganze Stimmlage ausgeglichenen Mezzosopran, ohne Registerbruch. Schon mit ihrer Auftrittsarie weiss sie das Publikum zu begeistern. In der darauffolgenden Stretta, komponiert ganz im “alten” Stile à la Rossini, besticht sie mit präzisen Koloraturen.
Das Objekt der Begierde dieser beiden Frauen, Viscardo, wird von Jean-François Borras mit klarem Tenor gesungen. Seine lyrische Stimme hat nicht den für französische Tenöre oft typischen nasalen Klang. Sie gefällt mir allerdings am Besten in den lyrischen Passagen, wo Borras durch klare Diktion und gute, ruhige Stimmführung besticht, ohne dass seine Stimme aber in den dramatischeren Passagen überangestrengt klingt.
Die Entdeckung des Abends ist für mich der argentinische Bariton Germán Alcántara. Er verfügt über einen warmen “südländischen” Bariton. Ob im Piano oder Forte verliert die Stimme nie ihren schönen Klang und bleibt gut fokussiert. Er singt mit viel Geschmack und verfällt nicht der Versuchung, seinem Bariton den “Brunnenvergifter-Typus” abzuringen. Man darf auf seine weitere Entwicklung in der nächsten Zeit gespannt sein.
Genau wie alle anderen Sänger wird er an diesem Abend kompetent unterstützt von Carlo Montanaro, der die Aufführung erst von knapp 14 Tagen von einem indisponierten Kollegen übernommen hat. Klingt das Ganze im ersten Teil (Akt 1 und 2) noch manchmal ein wenig zu laut, zu ungestüm, so weiss der sympathische Dirigent im zweiten Teil das WDR Funkhausorchester und sich selbst zu bändigen. Auch den WDR Rundfunkchor nimmt er in den überaus positiven Gesamteindruck dieses Abends mit hinein.
Das Publikum spendet zum Schluss des Abends begeistert Applaus. Dass noch einiges zu tun ist um Mercadante einen würdigen, festen Platz im Opernrepertoire zu geben, zeigt sich daran, dass das Konzerthaus leider nicht ausverkauft ist. Dies mindert allerdings nicht den Verdienst von “Klangvokal Musikfestival Dortmund”.
Jean-Nico Schambourg, 4. Juni 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Saverio Mercandante, Francesca da Rimini Oper Frankfurt, 25.März 2023