Foto: Mozartkugel (c) Konditorei Fürst
Nach christlichem Glauben ist die Zeit von Aschermittwoch bis Ostersonntag Fastenzeit. Aber auch während dieser besinnlichen Zeit kann doch der Gedanke allein an all die wunderbaren Gerichte bestimmt keine Sünde sein. Eine meiner großen Leidenschaften, neben dem klassischen Gesang, ist das Kochen und natürlich dann auch das Essen. In diesem Artikel interessiere ich mich für Gerichte und Leckereien, die großen Opernmusikern, sei es Komponisten oder Sängern, gewidmet sind und deren Namen tragen.
von Jean-Nico Schambourg
Wer kennt sie nicht, die berühmten Mozartkugeln, die man heute in jedem Kaufhaus im Süßigkeitenregal findet? “Original” ist sie aber nur, wenn sie aus der Salzburger Konditorei Fürst stammt. Sie wurde 1890 erfunden vom Konditormeister Paul Fürst, anlässlich des 100. Todestags von Wolfgang Amadeus Mozarts (1791). Eine kleine Kugel Pistazienmarzipan von Nougat umhüllt, die danach in dunkle Kuvertüre getaucht wird. Die “Original-Mozartkugel” wird heute noch von Hand gefertigt und ist silber-blau verpackt mit dem Abbild von Mozart. Andere Firmen produzieren inzwischen auch die berühmte Kugel und nennen sich “echte Mozartkugel”.
Inzwischen wird das Salzburger Musikgenie mit verschiedenen anderen Schokoladenformen vermarktet. Auch andere Komponisten werden hierzu immer wieder herangezogen, so zBsp Johann Sebastian Bach für “Bachwürfel”. Ich konzentriere mich in der Folge dieses Artikels jedoch auf Gerichte, die den Musikern gewidmet wurden und nicht solchen, mit denen der Name der Musiker nur kommerziell ausgeschlachtet wird. Einige dieser Gerichte haben dazu auch noch eine erzählenswerte Entstehungsgeschichte.
Einige Gerichte wurden Opernsängern gewidmet, hauptsächlich Sopranistinnen. Dabei sticht der französische Chefkoch Auguste Escoffier (1846-1935) ganz besonders hervor. Er wurde zu seiner Zeit als König der Köche und Koch der Könige bezeichnet. Wie er selbst sagte, erfand er seine besten Gerichte zu Ehren von Damen.
So arbeitete er 1884 im Hotel Savoy in London, als er die berühmte australische Sängerin Nellie Melba (1861-1931) als Elsa in Wagners Lohengrin am Covent Garden erlebte. Er war so begeistert, dass er für sie am nächsten Tag ein Dessert kreirte: zwischen den Flügeln eines aus einem Eisblock geschnitzten Schwans, stellte er einen mit Vanilleeis gefüllten silbernen Becher, auf den pochierte Pfirsiche gelegt wurden. Das Ganze bedeckte er mit einem Coulis aus frischen Himbeeren und einem Schleier aus Zuckerwatte. Zuerst “Pêche au cygne” (Pfirsich auf Schwan) genannt, bekam das Dessert seinen definitiven Namen “Pêche Melba” 1899 zur Eröffnung des Hotel Carlton in London.
Escoffier war es auch, der den “Toast Melba” kreierte. Um die Sängerin bei einer Diät zu unterstützen, stellte Escoffier einen feinen und knusprigen Toast her, der zu Suppen und Salaten serviert wird oder entweder mit geschmolzenem Käse gekrönt oder mit Pâté verarbeitet wird. Escoffier erbrachte am 23. März 1897 zum ersten Mal diesen “Toast” auf die von ihm verehrte Sängerin. Den Namen zum Gericht prägte wahrscheinlich der Hotelier César Ritz während einer Unterhaltung mit Escoffier.
Wir begegnen dem Namen von Escoffier bei einer weiteren Dessert-Kreation. Die schottische Sopranistin Mary Garden (1874-1967), deren Karriere sich hauptsächlich in Frankreich und Amerika abspielte, wurde von Escoffier mit einem Dessert geehrt, das Pfirsich-Melba ähnelt, aber aus Birnen hergestellt wird: die “Poires Mary Garden” (Birne Mary Garden).
Ein bekannteres Birnen-Dessert ist allerdings die “Poire Belle Hélène” (Birne Helene). Auch dieses Dessert soll 1864 von Auguste Escoffier erfunden worden sein. In jenem Jahr feierte die Operette “La belle Hélène“ von Jacques Offenbach einen Siegeszug in ganz Europa. Die von Offenbach komponierte Musik, vor allem aber die Stimme von Sängerin Hortense Schneider, verzauberte das Publikum. Ihr zu Ehren soll Escoffier daher die Idee zu diesem Dessert gehabt haben: im Originalrezept werden frische, geschälte Birnen in Läuterzucker pochiert, nach dem Auskühlen auf Vanilleeis angerichtet und mit kandierten Veilchen bestreut. Dazu wird eine heiße Schokoladensauce gesondert gereicht.
Die schwedische Opernsängerin Jenny Lind (1820-1887) war bereits ein singender Star in Europa, als sie eine Tour durch die Vereinigten Staaten von Amerika unternahm. Ihr Besuch im Jahr 1850 erregte großes Aufsehen und einige Speisen wurden ihr zu Ehren benannt: die Jenny Lind Melone, die Jenny Lind Auster, der Jenny Lind Schinken, die Jenny Lind Suppe. Sie soll diese Suppe verwendet haben, um ihre Brust zu beruhigen und sie vor Auftritten als vorteilhaft für ihre Stimme empfunden haben. Das Gericht besteht aus pürierter Steckrübe oder Sago, Hühnerbrühe, die mit einer Mehlschwitze, Gruyère-Käse, Salbei, Eigelb und Schlagsahne eingedickt und mit geschlagenem Eiweiß vervollständigt wird.
Luisa Tetrazzini (1871-1940) war eine italienische Opernsängerin, von den 1890er Jahren bis in die 1920er Jahre einer der führenden lyrischen Koloratur-Sopranistinnen. Das Gericht “Tacchino alla Tetrazzini” (Truthahn Tetrazzini) wurde erstmals gekocht von Ernest Arbogast (1908-1910), Koch im Palace Hotel in San Francisco, wo die Sängerin für längere Zeit residierte. Außer dem Truthahn gibt es noch das sehr viel prominentere Gericht “Spaghetti Tetrazzini” das nach ihr benannt wurde: Spaghetti mit Hühnerfleisch und Pilzen in einer Weißwein-Parmesan-Sahnesoße, im Ofen gratiniert. Sieht man ihre Leibesfülle, kann man annehmen, dass sie eine Genießerin war. Sie soll von sich gesagt haben: “Sono vecchia, sono grassa, ma sono sempre la Tetrazzini!” (Ich bin alt, ich bin fett, aber ich bin immer noch die Tetrazzini!).
Eine weitere Sopranistin in dieser Auflistung ist Adelina Patti (1843-1919). Ihr wurde die “Poularde Adelina Patti” gewidmet. Es handelt sich hierbei um ein Hühnchen, gefüllt mit Reis, pochiert in einem Hühnerfonds, beträufelt mit Paprika Supreme Sauce, serviert umgeben von Artischockenböden, die garniert sind mit von heller Fleischglasur überzogenen Trüffeln. Auch dieses Gericht stammt von Auguste Escoffier, und ist in seinem Buch “Le guide culinaire” (Der kulinarische Führer) aufgeführt.
Pauline Lucca (1841–1908) war eine österreichische Opernsängerin. Sie war Schülerin von Giacomo Meyerbeer, der sie an die Berliner Hofoper vermittelte, wo sie ein Engagement auf Lebenszeit bekam. Es sei erwähnt, dass sie, als Jüdin, sich hatte vertraglich zusichern lassen, niemals in einer Wagner Oper auftreten zu müssen. Außer ihrer Stimme müssen besonders ihre Augen beeindruckend gewesen sein, die gleich zu zwei Gerichte inspiriert haben: die salzigen Lucca-Augen (auch Toast Lucca) und das gleichnamige süße Spritzkuchengebäck.
Ersteres wurde erfunden von einem Küchenchef des Berliner Hotels Kempinski. Es handelt sich um Toastbrotscheiben, die mit einem Rindertatar belegt sind, mit einer entbarteten Auster ergänzt und mit Kaviar garniert, so dass die Brote wie Augen aussehen. Bei der süßen Variante der Lucca-Augen handelt es sich um ringförmige Gebäckstücke aus Brandmasse (Spritzkuchen) mit Füllung und Glasur.
Schlussendlich soll noch eine zeitgenössische Sopranistin zu kulinarischen Ehren kommen: Renée Fleming. Nach ihr benannt ist das Dessert “La Diva Renée”, 1999 kreiert vom Küchenchef Daniel Boulud (Restaurant Daniel, New York). Es ist ein vielschichtiges Konfekt aus Schokolade, Champagnercreme, Haselnusswaffeln und Mandelkeksen, das mit Blattgold verziert war. Er nannte es “La Diva Reneée” und „gravierte“ ein Abbild von Fleming auf die oberste Schokoladenwaffel.
Männlichen Opernsänger inspirierten Köche anscheinend viel weniger. Dem größten Tenor aller Zeiten wurden natürlich auch einige Gerichte gewidmet. Die Rede ist von Enrico Caruso (1873-1921). Gleich zwei Nudelrezepte tragen seinen Namen: “Spaghetti alla Caruso“ und “Bucatini alla Caruso”. Caruso liebte Spaghetti mit in Öl und Butter sautierter Hühnerleber, die in diesem Gericht mit San-Marzano-Tomaten, Champignons, Zwiebeln und Knoblauch verarbeitet wird.
Bei den “Bucatini alla Caruso” handelt es sich um röhrenförmige Nudeln aus Hartweizengrieß (ähnlich den Makkaroni). Diese werden mit einer San Marzano-Tomatensauce, mit süßen gelben oder roten Paprikaschoten, gebratenen Zucchini, Chili und frischem Basilikum hergerichtet.
“Salsa Caruso” ist eine heiß servierte, scharfe uruguayische Sauce, die zu Pasta serviert wird. Caruso begann im Jahre 1917 eine zweijährige Tournee durch Südamerika, die ihn auch nach Uruguay, in die Hauptstadt Montevideo führte, wo er bewundert und geliebt wurde. Er wurde dort von hohen Politikern und Intellektuellen empfangen. Als Italiener wurden ihm natürlich Nudelgerichte serviert. Zu seinen Ehren erfand in den 1950er Jahren der italienische Koch Raimondo Monti, damals Küchenchef des Restaurants Mario y Alberto in Montevideo, die “Salsa Caruso”, eine warme Soße aus Sahne, Schinken, Käse, Rinderextrakt und Pilzen, eine Anlehnung an die Bechamelsauce, aber fest verbunden mit der italienischen kulinarischen Tradition. Er ließ sie zu Cappelletti servieren. Die “Salsa Caruso” ist auch heute noch eine sehr beliebte Sauce in Südamerika, vor allem in Uruguay und Argentinien.
Als letzter Opernsänger sei noch Fjodor Schaljapin erwähnt und das nach ihm benannte “Chaliapin-Steak”. Bei seiner Reise 1936 nach Japan plagten Schaljapin große Zahnschmerzen. Er bestellte demnach im Hotel Imperial in Tokyo ein zartes Stück Fleisch. Ein Koch namens Fukuo Tsutsui erfüllte seine Bitte und das “Chaliapin-Steak” war geboren! Tsutsuis Methode, um das Steak extrem weich zu machen, bestand darin, es mit einem Fleischklopfer zu schlagen und es dann mit gehackten Zwiebeln zu überziehen. Das Fleisch erwies sich als saftig, weich und unglaublich lecker. Später bestellte Schaljapin es während allen Touren. Und er stimmte zu, dem Steak seinen Namen zu geben. Für die Zubereitung des Gerichts wird Rindfleisch verwendet. Steakrezepte nach Schaljapin-Art werden heute in mehreren Variationen präsentiert. Als zusätzliche Zutaten verwendet werden Reis, gegrilltes Gemüse, verschiedene Saucen. Das genaue Originalrezept für das vom großen russischen Bass verehrte Gericht ist allerdings nur den Köchen des Imperial Restaurants in Tokyo bekannt.
Viel bekannter als das “Chaliapin-Steak” ist ein anderes Fleischgericht das nach einem der größten Opernkomponisten benannt ist: Das “Tournedos Rossini”. Gioachino Rossini (1792-1868) war ein Gourmet und er liebte und genoss die schönen Dinge des Lebens. Seine Leidenschaft für die gute Küche war legendär. Er wird zitiert mit dem Spruch: “Essen und Lieben, Singen und Verdauen, das sind die vier Akte der Opera buffa, die man gemeinhin das Leben nennt – und das vergeht wie der Schaum einer Champagnerflasche. Wer es dahinschwinden läßt, ohne es genossen zu haben, ist ein Erznarr.” Seine kulinarische Leidenschaft inspirierte ihn auch zur Komposition einiger Klavierwerke zum Thema Essen. Sein Spätwerk „Péchés de vieillesse“ (Sünden des Alters) enthält einige musikalisch-kulinarische Kostbarkeiten: Radieschen, Anschovis, Cornichons, Butter, getrocknete Feigen, Mandeln, Trauben und Haselnüsse.
Das bekannteste Gericht, das Rossini gewidmet ist, heißt “Tournedos Rossini”. Der Meister liebte die Übermäßigkeit. So bereitete ihm sen Lieblingskoch sein Rinderfilet vor mit einem Stück gebratener Gänseleber obendrauf, gekrönt von einigen Scheiben Trüffel, das Ganze auf einer goldgelb gebratenen Scheibe Brot und mit einer Madeira-Sauce beträufelt! Als Rossini ihn eines Tages aufforderte, das Gericht vor ihm und seinen Gästen vorzubereiten, war das dem Koch unangenehm, worauf Rossini ihn aufforderte, ihm den Rücken dabei zuzudrehen: “Tournez le dos!”. Schon hatte das Gericht seinen Namen!
Rossini wurden noch viele andere Gerichte gewidmet: Eier, Hühnchen, Suppen, Salate, Cannelloni, Risotto, Fasan, usw. Alle beinhalten sie die Lieblingsspeisen von Rossini: “foie gras” (Gänseleber) oder Trüffel. Für einige von ihnen zeichnete Auguste Escoffier verantwortlich. Ein anderer berühmte Koch, Charles Ranhofer (1836-1899), Chefkoch des Restaurant Delmonico in New York, kreierte die “Crêpes méringuées à la Rossini”. Ranhofer erfand auch die “Galantine de poulette à la Mozart”.
Auch anderen Opernkomponisten wurden Speisen gewidmet, ohne dass ihr Ursprung genau bekannt ist. So seien zum Schluss kurz erwähnt die “Oeufs à la Berlioz”, eine kulinarische Hommage an Hector Berlioz (1803-1869). Es handelt sich hier um ein einfaches und elegantes Rezept, ein Gericht aus gekochten Eiern, verfeinert durch die Zugabe von Chips, Duchesse-Kartoffeln, Trüffeln und Pilzen in Madeira-Sauce.
Georges Bizet (1838-1875), der französische Komponist von Carmen und anderen Opern, hat eine nach ihm benanntes Eiergericht, die in Formen gekocht werden, mit marinierter Hackzunge ausgekleidet sind und auf Artischockenherzen serviert werden. Außerdem gibt es eine Bizet-Brühe.
Giacomo Meyerbeer (1791-1864), der einflussreiche Opernkomponist des 19. Jahrhunderts, wird mit dem saftigen Gericht “Mignon à la Meyerbeer” geehrt. Die Filets Mignon werden mit einem piemontesischen Risotto serviert, umgeben von Kalbsnieren und garniert mit Périgueux-Sauce.
Es gibt bestimmt noch andere Köstlichkeiten die den Namen eines Opernsängers oder eines Opernkomponisten tragen. Aber es ist ja Fastenzeit und da soll man sich ja bekanntermaßen einschränken. Doch vielleicht inspiriert dieser Artikel den ein oder anderen Leser für sein Ostermenü.
Bon appétit!
Schammis Klassikwelt (c) erscheint regelmäßig am Sonntag.
Jean-Nico Schambourg, Jahrgang 1959. Gehört einer weltlichen Minderheit an: Er ist waschechter Luxemburger! Und als solcher war es normal, Finanzwirtschaft zu studieren. Begann seine berufliche Karriere bei der Kriminalpolizei, ehe er zur Staatsbank und Staatssparkasse Luxemburg wechselte. Seit jeher interessiert ihn jede Art von Musik, aber Oper wurde seine große Liebe. Er bereist ganz Europa, um sich bekannte und unbekannte Opern und Operetten anzuhören. Nebenbei sammelt der leidenschaftliche Hobbykoch fleißig Schallplatten über klassischen Gesang (momentan ungefähr 25.000 Stück). Sang in führenden Chören in Luxemburg, verfolgt seit einigen Jahren aber ausschließlich eine Solokarriere als Bass. Sein Repertoire umfasst Lieder und Arien in zwölfSprachen. Unter der Bezeichnung “Schammilux Productions” organisiert er selbst jährlich zwei bis drei Konzerte. Perfektionierte sein Singen in Meisterkursen mit Barbara Frittoli, Jennifer Larmore sowie Ramón Vargas, organisiert von “Sequenda Luxembourg”, einer Organisation zur Förderung junger Sängertalente, geleitet von seiner Gesangslehrerin Luisa Mauro. Neu auf klassik-begeistert.de: Schammis Klassikwelt, regelmäßig am Sonntag.