Ana Juan, „Roundabout the Witch“, Acryl auf Leinwand
Nicht ein Bilderbuch, sondern Humperdincks Oper haben wir vor Augen und zunächst vor Ohren.
von Lothar und Sylvia Schweitzer
Da klingt die Stimme der alten Knusperhexe manchmal befremdlich tief. Wie von einem Mann. Als Erwachsene wissen wir, das könnte im realen Leben hormonelle Ursachen haben. Heinz Zedniks Tenor klang fast zu schön. Der von uns als „Bassbaritenor“ charakterisierte Karl Dönch ist mehr in Erinnerung geblieben. Und was die „Knusper-Damen“ betrifft, kann ein ausladender, üppiger und gerundeter Mezzosopran Schwierigkeiten mit dem Rhythmus bekommen.
Über „Disabled People in der Oper“ planen wir eine eigene „Klassikwelt“. In der gegenwärtigen Zeit darf die Knusperhexe im Vergleich zu früher keine Hässlichkeit durch einen Buckel, eine Gehbehinderung oder durch eine entstellende Warze zeigen. Eine befriedigende Maske fand Anthony Ward in der Wiener Staatsoper. Es blieb etwas Unheimliches in ihren Gesichtszügen. Schlechte Zähne, das geht gerade noch.
Wer uns durch eine Reihe von Rezensionen kennengelernt hat, weiß, dass wir in einem Kunstwerk eine Dynamik verspüren, die nach Weiterentwicklung drängt. So stellt sich uns die Frage, ob nicht die fremde Frau für die Kinder gefährlich anziehender wirken soll. Das braucht dann keinen Zauberstab. Textveränderungen wären nötig, aber von pädagogischem Wert. Die nicht so alte Frau könnte sich als den Kindern noch unbekannte Tante vorstellen, die allein im Wald lebt. Auf derartige Art und Weise sind schon Kinder in fremde Autos gelockt worden. Das Naschhaftsein kann zeitlos erhalten bleiben. Wegen des Manipulierens von Süßigkeiten müssen Kinder gerade dahin erzogen werden von keinen fremden Personen Essbares zu konsumieren.
Mehr Fantasie braucht es, den Notwehrakt der Kinder, das Stoßen der Hexe in den Backofen, in seiner Härte neben viel Lieblichem im Stück zu mildern. Die Schwester des Komponisten Adelheid Wette als Librettistin versuchte es im Gegensatz zum brutaleren Märchen, indem die Knusperhexe selbst zum gebackenen Lebkuchen wird.
Lothar und Sylvia Schweitzer, 7. Jänner 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Schweitzers Klassikwelt (c) erscheint jeden zweiten Dienstag.
Lothar und Sylvia Schweitzer
Lothar Schweitzer ist Apotheker im Ruhestand. Gemeinsam mit seiner Frau Sylvia schreibt er seit 2019 für klassik-begeistert.de: „Wir wohnen im 18. Wiener Gemeindebezirk im ehemaligen Vorort Weinhaus. Sylvia ist am 12. September 1946 und ich am 9. April 1943 geboren. Sylvia hörte schon als Kind mit Freude ihrem sehr musikalischen Vater beim Klavierspiel zu und besuchte mit ihren Eltern die nahe gelegene Volksoper. Im Zuge ihrer Schauspielausbildung statierte sie in der Wiener Staatsoper und erhielt auch Gesangsunterricht (Mezzosopran). Aus familiären Rücksichten konnte sie leider einen ihr angebotenen Fixvertrag am Volkstheater nicht annehmen und übernahm später das Musikinstrumentengeschäft ihres Vaters. Ich war von Beruf Apotheker und wurde durch Crossover zum Opernnarren. Als nur für Schlager Interessierter bekam ich zu Weihnachten 1957 endlich einen Plattenspieler und auch eine Single meines Lieblingsliedes „Granada“ mit einem mir nichts sagenden Interpreten. Die Stimme fesselte mich. Am ersten Werktag nach den Feiertagen besuchte ich schon am Vormittag ein Schallplattengeschäft, um von dem Sänger Mario Lanza mehr zu hören, und kehrte mit einer LP mit Opernarien nach Hause zurück.“
Engelbert Humperdinck, Hänsel und Gretel Theater Lübeck, 14. Dezember 2024
Engelbert Humperdinck, Hänsel und Gretel Wiener Staatsoper, 30. Dezember 2023