Das ist sicher auch „Geschmacksache“, wie unser Enkelkind einmal in einem anderen Zusammenhang altklug bemerkte. Wir sind uns sicher, dass Mozart ein Typ war, der über viele Eskapaden Begeisterung zeigen würde.
von Lothar und Sylvia Schweitzer
Wenn zum Beispiel, die Königin der Nacht nicht am Sternenhimmel erscheint, sondern aus dem Bett Taminos springt, was wir in einer nicht mehr greifbaren Rezension erfahren haben, ohne den Beweggrund ganz zu verstehen.
Man kann das Ambiente von „Così fan tutte“ interessant verändern, ohne dem Inhalt der Oper Gewalt anzutun. So geschehen an der Hamburger Kammeroper. Der spanische Regisseur Alfonso Romero Mora lässt die Diskussion über die Treue der Frauen während einer Herzoperation spielen.
Während Guglielmo und Ferrando am Herzen eines Patienten einen Eingriff vornehmen, will der die Lebensfunktionen überwachende Anästhesist die beiden Chirurgen bezüglich der Treue ihrer Verlobten verunsichern. Der narkotisierte Patient hat keine Ahnung, dass seine Operation von den Ärzten als reine Routine gesehen wird, was in der Realität nie der Fall sein darf. Auch Fiordiligi und Dorabella werden nicht als Patience legende, sich langweilende Damen gezeigt, sondern als mit dem Landeanflug beschäftigte Pilotinnen und dazu passend Despina als Stewardess.

Die Bühnenbildner bekommen in dem Fall und in vielen anderen Fällen die Aufgabe, einen eher abstrakten und einen leicht veränderbaren Hintergrund zu schaffen.
Kann man nach einem wunderbaren Abend mit der Netrebko als Aida und der Garanča als Amneris noch im selben Jahr in einem Landestheater mit weniger prominenten Sängerinnen und Sängern eine weitere denkwürdige Aufführung erleben? Mit einer Produktion des Salzburger Landestheaters gelang es. Radamès ist als Manager eines Großkonzerns mit Amneris, der Tochter seines Chefs, verheiratet und will vor dem gesellschaftlichen Leistungsdruck und aus seiner Ehe mit Amneris fliehen. Er taucht ein in die Fantasiewelt des Ägyptologen Auguste Mariettes, die die Basis von Verdis Oper bildet. Diese Idee stammt von Andreas Gergen, dessen letzter großer Erfolg im Wiener Ronacher das Falco-Musical „Rock Me Amadeus“ war und der ab September 2025 zum künstlerischen Leiter der Bühne Baden bestellt wurde.
Nach einer Forschungseinrichtung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft bewerten 56% der befragten Unterdreißigjährigen das Image des Jägers negativ und nur 16% eher positiv. Deswegen ist nach dem Regisseur Christian Räth in der aktuellen Produktion der Wiener Staatsoper Max Komponist, der in eine Inspirationsblockade geraten ist. Diese hindert ihn, seine Oper (den „Freischütz“?) zu vollenden. Die in Unzahl auf dem Boden verstreuten Notenblätter lassen die seelische Notlage des Komponisten, nicht Jägers, nachempfinden. Ein Klavier ist das wichtigste Requisit.


Rot ist das Outfit Caspars, rot ist aber auch die Farbe der Stühle für den Chor, der das kritische Opernpublikum darzustellen hat.
Manchmal ist es eine Szene einer Aufführung, die uns besonders im Gedächtnis bleibt. So in Riga, wenn in „Karmena“ von Žoržs Bizē die Mikaëla auf dem Fahrrad angefahren kommt und die Männerwelt sofort mit dem Schäkern beginnt. Sie ziehen das von ihr festgehaltene Rad immer wieder scherzend weg und stoßen es ihr wieder zurück. Aber das Fahrrad schafft Distanz. Nach der Vorstellung äußerte sich eine Kollegin darüber entsetzt. Wir fanden es einen blendenden Regieeinfall.
„Peter Grimes“ ist eine Chor-Oper. In der preisgekrönten Produktion aus dem Theater an der Wien des Jahrs 2015 (Regie: Christof Loy, Bühne: Johannes Leiacker, Choreografie Thomas Wilhelm), die 2021 wiederaufgenommen wurde, erfährt der Arnold Schoenberg Chor unter der Leitung seines Gründers Erwin Ortner choreografische Betreuung. Volksmassen bewegen sich bewundernswert durcheinander, schreiten gegeneinander, kumulieren, interagieren und lösen sich dann wieder auf. Ja, sie ersetzen eine Bühnendekoration.

Der ungarische Film-, Theater- und Opernregisseur Kornél Mundruczó hat Antonín Dvořáks „Rusalka, Lyrisches Märchen in drei Akten“ in der Staatsoper unter den Linden in einem Berliner Altmietshaus angesiedelt. Nestroys „Zu ebener Erde und erster Stock“ lässt grüßen. Jenseits der eigenen Kreise trifft man sich im Stiegenhaus. Rusalka will ihrer Enge entfliehen, will höher hinauf. Der junge Herr und Nachbar muss bald einsehen, dass er einer Illusion erlegen ist, denn es gibt wenig Gemeinsames, keine gemeinsame Sprache. Er geht fremd. „Rusalka“ ein Identitätsdrama, das mit vielen Jugendlichen im Publikum einhellig bejubelt wurde.

Wo Regietheater – viele sprechen von Regisseur-Theater – akzeptiert wird, sind Opernanpassungen für Kinder. Hier werden mehr Freiheiten toleriert. Richard Wagners „Der fliegende Holländer“ bietet schöne, nicht zu schwere Musik und eine spannende Handlung.
Aber wir könnten verstehen, wenn das moderne Regietheater den Inhalt auch für Erwachsene nicht mehr akzeptiert: Alle sieben Jahre darf der von Gott Verfluchte an Land eine Frau suchen, die ihm getreu bis in den Tod erlösen kann. Als der Seemann sich von Senta verraten fühlt, segelt er ab und Senta stürzt sich ins Meer. Die Frau als sich Aufopfernde. Im Finale sieht man dann beide verklärt. Für jüngstes Publikum, das in der Regel nicht aus Stimmfetischisten besteht, haben die Regisseurin Nina Blum und die Librettistin Margit Mezgolich eine vorbildliche Abwandlung geschaffen.

Nicht wird ein holländischer Seemann von Gott verflucht, sondern einer Meeresgöttin werden vom Seemann eine Muschel mit drei magischen Perlen, die immer guten Wind in die Segel blasen, geraubt. Versteinert wartet sie auf die Rückgabe. Happy End.
Lothar und Sylvia Schweitzer, 9. Dezember 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Lothar und Sylvia Schweitzer
Lothar Schweitzer ist Apotheker im Ruhestand. Gemeinsam mit seiner Frau Sylvia schreibt er seit 2019 für klassik-begeistert.de: „Wir wohnen im 18. Wiener Gemeindebezirk im ehemaligen Vorort Weinhaus. Sylvia ist am 12. September 1946 und ich am 9. April 1943 geboren. Sylvia hörte schon als Kind mit Freude ihrem sehr musikalischen Vater beim Klavierspiel zu und besuchte mit ihren Eltern die nahe gelegene Volksoper. Im Zuge ihrer Schauspielausbildung statierte sie in der Wiener Staatsoper und erhielt auch Gesangsunterricht (Mezzosopran). Aus familiären Rücksichten konnte sie leider einen ihr angebotenen Fixvertrag am Volkstheater nicht annehmen und übernahm später das Musikinstrumentengeschäft ihres Vaters. Ich war von Beruf Apotheker und wurde durch Crossover zum Opernnarren. Als nur für Schlager Interessierter bekam ich zu Weihnachten 1957 endlich einen Plattenspieler und auch eine Single meines Lieblingsliedes „Granada“ mit einem mir nichts sagenden Interpreten. Die Stimme fesselte mich. Am ersten Werktag nach den Feiertagen besuchte ich schon am Vormittag ein Schallplattengeschäft, um von dem Sänger Mario Lanza mehr zu hören, und kehrte mit einer LP mit Opernarien nach Hause zurück.“
https://klassik-begeistert.de/aida-giuseppe-verdi-salzburger-felsenreitschule-1-dezember-2023/
Carl Maria von Weber, Der Freischütz, Andreas Schager, Camilla Nylund, Wiener Staatsoper
Benjamin Britten, Peter Grimes, Theater an der Wien25. Oktober 2021