Bühnen- und Schaufenstergestaltung haben einiges, was sie verbindet. Auch hier im zweiten Teil der Folge ist Kreativität gefragt.
von Lothar und Sylvia Schweitzer
Apotheken liegen häufig an Straßenecken. Die St. Anna Apotheke hat eine geräumige Auslage zur Nussdorfer Straße hin, die zweite zur Währinger Straße. Es gab Kunden, die wussten nur, was in einer von ihnen ausgestellt war. Anscheinend ein Überbleibsel aus der Zeit der ehemaligen Vorstädte, auf der einen Seite die Bewohner vom Thurygrund, auf der anderen die von Michelbeuern. Die Währinger Straße aufwärts hat die Apotheke noch sieben Fenster. Diese besitzen aber keine Tiefe und es können daher nur Tafeln hineingestellt werden. Die intern zuerst „Die sieben Fenster“ genannt, von Tucan Grafic später als 2D-Fenster bezeichnet wurden. Damit das Präsentierte besser auffällt, haben wir uns entschlossen, sie jedes Mal unter ein einziges Thema mit Variationen zu stellen.
Der Name der Pedopur Tropfen (ein natürlicher Extrakt aus dem roten Weinlaub gegen Venenbeschwerden) zählt genau sieben Buchstaben. Beim Anfangsbuchstaben P im ersten Fenster ist die Arzneimittelverpackung erst aus dem Weinlaub hervorwachsend, beim Endbuchstaben R ist das Arzneimittel ganz zu sehen, wohl aber sind im Hintergrund noch die typischen Weinlaubblätter sichtbar.
Eine interessante Erfahrung machten wir mit dem Thema „Bachblüten“. Bachblütenessenzen finden in erster Linie bei mentalen Problemen Anwendung. Zunächst stellten wir eine siebenteilige Serie mit stilisierten Blütenzeichnungen des Studenten Andreas Raicher aus.
Ein Jahr später verfremdete Herr Raicher Blütenfotos, denen er ein fließendes Aussehen gab, sind doch die „Bachblüten“ flüssige Blütenauszüge.
Beide Male war der Ausstellungszeitraum der Monat November, in dem viele Leute an depressiven Verstimmungen leiden. Im zweiten Jahr war das Feedback enorm. Wir bekamen sogar Anrufe von Passanten, die mit der Straßenbahn an den sieben Fenstern vorbeigefahren waren. Wie ist dieser Unterschied zu erklären? Wahrscheinlich sprechen Sätze mehr an als Schlagworte – das Wort klingt ohnehin schon unschön. Wir entdeckten, dass Satzbildungen vermenschlichen. Übrigens wurden die Sätze den Psalmen entliehen.
Hinter den dreidimensionalen Schaufenstern befindet sich der Verkaufsraum. Was geschieht eigentlich hinter den sieben Apothekenfenstern? Da befindet sich das Laboratorium. Anstoß also, das Thema „Hinter den Kulissen der Apotheke“ aufzugreifen. Zum Beispiel die Salben- und Kapselherstellungen.
Haben Sie gewusst, dass alle einlangenden Teesorten vom Augentrost bis zum Zinnkraut und Substanzen wie Kortisone und Antibiotika zwecks Sicherheit bezüglich Verwechslungen einer Identitätsprüfung im Laboratorium der Apotheke unterzogen werden?
Hinter den Fenstern liegt auch das Büro mit dem Schreibtisch, wo die Arzneimittelrepräsentanten die neuen Arzneimittelprodukte vorstellen, wo also das „Hearing“ stattfindet. Das Foto für das Fenster stammt von unsrer pharmazeutisch-kauffraulichen Assistentin.
Verspieltheit gehört ebenfalls zur „Bühnengestaltung“. Eine Medikamentenschachtel ändert in unsrer Fantasie ihr Aussehen.
Folgende Beispiele den Horizont erweiternder Fensterdekorationen fanden ein interessiertes Publikum. Neben dem Altgriechischen und dem Lateinischen findet die englische Sprache in der Namensgebung immer mehr Verwendung.
Pflanzliche Arzneimittel in der Kunst- und Kulturgeschichte:
Wir brachten in den sieben Fenstern einmal Beispiele grafischer Gestaltungen von Medikamentenverpackungen. Wenn die betroffenen Arzneimittel rezeptpflichtig waren, mussten wir die Namen verbergen. Hier ein Beispiel eines Antikonzeptivums.
Grund zum Feiern war
Wie sich die pharmazeutische Technik verändert hat!
Auch das Team der St. Anna Apotheke wurden mit einem selbstgewählten Wahlspruch präsentiert. „Vertrauen Sie Ihrem/Ihrer Apotheker/in“, „Miteinander – Füreinander“, „Pharmazie – eine soziale Aufgabe“, „Der Zukunft zugewandt, dem Leben verpflichtet“, „Zuhören heißt, anderen in mir Raum geben“
Zum Finale zwei Bilder aus der Serie „Die lächelnde Apotheke“.
Lothar und Sylvia Schweitzer, 9. Februar 2021, für
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Lothar Schweitzer ist Apotheker im Ruhestand. Gemeinsam mit seiner Frau Sylvia schreibt er seit 2019 für klassik-begeistert.de: „Wir wohnen im 18. Wiener Gemeindebezirk im ehemaligen Vorort Weinhaus. Sylvia ist am 12. September 1946 und ich am 9. April 1943 geboren. Sylvia hörte schon als Kind mit Freude ihrem sehr musikalischen Vater beim Klavierspiel zu und besuchte mit ihren Eltern die nahe gelegene Volksoper. Im Zuge ihrer Schauspielausbildung statierte sie in der Wiener Staatsoper und erhielt auch Gesangsunterricht (Mezzosopran). Aus familiären Rücksichten konnte sie leider einen ihr angebotenen Fixvertrag am Volkstheater nicht annehmen und übernahm später das Musikinstrumentengeschäft ihres Vaters. Ich war von Beruf Apotheker und wurde durch Crossover zum Opernnarren. Als nur für Schlager Interessierter bekam ich zu Weihnachten 1957 endlich einen Plattenspieler und auch eine Single meines Lieblingsliedes „Granada“ mit einem mir nichts sagenden Interpreten. Die Stimme fesselte mich. Am ersten Werktag nach den Feiertagen besuchte ich schon am Vormittag ein Schallplattengeschäft, um von dem Sänger Mario Lanza mehr zu hören, und kehrte mit einer LP mit Opernarien nach Hause zurück.“