Bild: © Hendrik Kranenberg, Friedrich Verlag
Personennamen in den Opern. Woher sie kommen und was sie bedeuten.
von Lothar und Sylvia Schweitzer
Es quält uns, wenn Orts- oder Personennamen einen höhnisch anlachen und nicht preisgeben wollen, was sie bedeuten.
„Ein Engel, Leonoren, der Gattin so gleich,
Der führt mich zur Freiheit ins himmlische Reich.“
Wenn wir den Namen Leonore hören, klingt in uns Florestans eindrucksvolle, wie gesangstechnisch schwierige Arie mit, in der sich seine Depression und Verzweiflung in Ekstase verwandelt. Es wird u.a. behauptet, in Eleonore stecke lateinisch alia, germanisch alja = anders, fremd drin, während für den zweiten Teil des Namens keine gesicherte Erklärung vorliegt. Wir hingegen sind der festen Überzeugung, der Name ist von den muslimischen Mauren nach Spanien gebracht worden und hat die schöne Bedeutung: Gott ist mein Licht. Die Silbe -el ist uns aus dem semitischen Sprachraum von den Namen Gabri-el (Gott ist mein Mann/mein Held/meine Kraft), Micha-el (Wer ist wie Gott) und Rapha-el (Gott heilt) geläufig. „Nur“ heißt im Arabischen Licht und das i ist das besitzanzeigende Fürwort „mein“. Bei Nuri denkt der Opernfreund automatisch an die gute Magd in „Tiefland“, das in den spanischen Pyrenäen spielt.
Florestan bedeutet der Blühende. Beim Namen Pizarro tun wir uns schwer. Das spanische la pizarra wird mit Schiefer, Schiefertafel, Wandtafel, Tafel übersetzt. Bedeutung unbekannt. Interessant erscheint uns die Etymologie des Namens des Kerkermeisters. Der Name kommt nicht aus dem Lateinischen, sondern ist aus dem Althochdeutschen in die romanischen Sprachen entlehnt. Rohon hieß „brüllen“ und bekam eine martialische Bedeutung im Sinn eines Kriegsrufs. Wir kennen das Wort neuhochdeutsch noch als „röcheln“.
Preisfrage. Wie heißt Figaros Vorname? Richtig! olleaffaR (Auflösung von rechts nach links zu lesen). Das erfahren wir im dritten Akt von „Le nozze di Figaro“.
Engel sind manchmal populärer als ihr Schöpfer. Das äußert sich auch bei der Namensgebung. Italienisch Cherubino kommt aus dem Kirchenlateinischen Cherubinus, also keine Verkleinerungsform wie Peppino von Giuseppe. Ursprung ist in Akkadisch (einer ausgestorbenen semitischen Sprache) karibu, was die Palette von „segnen“ bis „grüßen“ bietet. Im Alten Orient sind die Darstellungen der Cherubinen vielfältig. Hervorheben wollen wir sie als lebende Thronsitze für Könige und Gott. Als geflügelte Mischwesen mit Löwenkörper und menschlichem Gesicht (nicht Kopf!) steigern sie ihre Macht, aber auch ihre Unnahbarkeit.
Also kaum ein Anreiz gerade diesen Namen auszuwählen. Doch in späterer christlicher Tradition wurden die Cherubinen – vergleichbar den Putten und dem Gott Amor – immer lieblicher.
Bei Puccinis „Der Mantel“ gab es bei den drei erlebten Abenden eine „babylonische Sprachverwirrung“. Vor fünfzig Jahren wurde „Der Mantel“ im Rahmen des Triptychons in der deutschen Übertragung von Alfred Brüggemann, einem guten Freund Puccinis, in der Wiener Volksoper aufgeführt. Die Protagonisten des Dreiecksverhältnisses werden auf der Besetzungsliste mit den zum Ort der Handlung (Paris) passenden französischen Namen Michel, Georgette und Louis geschrieben. Das Personal an Hafenarbeitern wird mit ihren Spitznamen auf Deutsch Stockfisch, Maulwurf und Frettchen benannt. Anonym bleiben die Kleinrollen, ein Liederverkäufer und ein Liebespaar. Im Tiroler Landestheater wurde „Il tabarro“, wie der Titel schon zeigt, in italienischer Sprache gesungen und die Namen der Hauptdarsteller italienisiert (Michele, Giorgetta, Luigi). Die deutschen Namen Stockfisch, Maulwurf und Frettchen blieben erhalten. Aus dem „Liebespaar“ wurden „Zwei Stimmen“. Der Einakter wurde mit „Pagliacci“ kombiniert. In der Wiener Volksoper wurden in einer neuen Inszenierung von Robert Herzl „Der Mantel“ und „Gianni Schicchi“ ohne „Schwester Angelica“ gebracht. Dieses Mal auch in italienischer Sprache. Und auch die deutschen Spitznamen des Hafenpersonals scheinen auf dem Besetzungszettel nicht mehr auf. Der luftgetrocknete Stockfisch heißt jetzt „Tinca“, was Schleie bedeutet, der Maulwurf heißt jetzt übersetzt „Talpa“, und seine Frau ist nicht mehr das Frettchen, denn Frugola heißt so viel wie unruhiger Geist, was richtiger ist, denn Frettchen sind ursprünglich Jagdtiere, während Talpas Frau im Müll herumstöbert.
Bei den Nachforschungen über Herkunft und Bedeutung jener Namen der komischen Figuren des italienischen Volkstheaters Commedia dell’arte, die uns in „Ariadne auf Naxos“ begegnen, wurden wir nicht immer fündig. Ob sich der Harlekin (Arlecchino) wirklich aus einer italienischen Verballhornung (hellechino) des deutschen „Höllenkönig“ entwickelte, versetzen wir mit drei Fragezeichen. Bei der Zerbinetta, die bei Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal von einer einfachen bäuerlichen Dienerinnenfigur gleichsam zur Prinzipalin der Komödiantentruppe avanciert, haben wir gar nichts herausbekommen. Wir schrieben sogar einen Mann mit dem Zunamen Zerbin an, ob er über die Herkunft seines Namens Bescheid weiß. Er blieb uns eine Antwort schuldig. Brighella leitet sich vom italienischen Hauptwort in der Mehrzahl brighe ab, was so viel wie Händel, Streit bedeutet. Das Zeitwort brigare wird mit „sich abmühen, intrigieren, um etwas zu bekommen, buhlen“ übersetzt. Unentschieden ist, ob er oder Arlecchino früher geschaffen wurde. Jedenfalls gehören beide in die Gruppe der Zanni. Zanni ist die venezianische Kurzform von Giovanni und wurde später auch in der Mehrzahl als Gattungsname für einfache, aber bauernschlaue Menschen verwendet, die in der Zeit der Landflucht in die Städte gezogen sind und sich langsam in die Dienerschaft hinaufgearbeitet haben. In der Regel ist Brighella dem Arlecchino intellektuell überlegen, während in der „Ariadne“ gerade dieser die Gunst der Zerbinetta gewinnt. Brighella tritt auch mit anderen Namen auf, wie Mezzettino, Flautino, Fagottino und Scapino. In Molières „Scapins Streiche“ hilft er den Söhnen alter Kaufleute ihre Lieben heiraten zu können. Die „Maske“ Brighella hat das Ende der Commedia dell’arte nicht überlebt, im Gegensatz zu der des Arlecchino, die sich bis zum Clown entwickelte. Im Namen Truffaldin steckt das italienische truffare drin, was betrügen, prellen, milder schummeln heißt.
Eine weitere komische Figur des italienischen Volkstheaters und der „Ariadne auf Naxos“ ist der Scaramuccio, wortverwandt mit Scharmützel im Sinn eines kurzen Wortgefechts. In der englischen Umgangssprache kennt man scaramouch in der Bedeutung von „Großmaul“. Der neapolitanische Schauspieler Tiberio Fiorilli soll als Scaramouche den zweijährigen Louis XIV., später unter dem Beinamen „Sonnenkönig“ bekannt, aufgemuntert haben. Scaramuccio ist oft in spanischer Tracht auftretend und vertritt den Typus des neapolitanischen Abenteurers und Aufschneiders. Meist wird er am Ende von Arlecchino durchgeprügelt.
Mit diesem Who’s Who schließen wir unsere Klassikwelt dieser Woche.
Lothar und Sylvia Schweitzer, 7. Februar 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Schweitzers Klassikwelt (c) erscheint jeden zweiten Dienstag.
Lothar und Sylvia Schweitzer
Lothar Schweitzer ist Apotheker im Ruhestand. Gemeinsam mit seiner Frau Sylvia schreibt er seit 2019 für klassik-begeistert.de: „Wir wohnen im 18. Wiener Gemeindebezirk im ehemaligen Vorort Weinhaus. Sylvia ist am 12. September 1946 und ich am 9. April 1943 geboren. Sylvia hörte schon als Kind mit Freude ihrem sehr musikalischen Vater beim Klavierspiel zu und besuchte mit ihren Eltern die nahe gelegene Volksoper. Im Zuge ihrer Schauspielausbildung statierte sie in der Wiener Staatsoper und erhielt auch Gesangsunterricht (Mezzosopran). Aus familiären Rücksichten konnte sie leider einen ihr angebotenen Fixvertrag am Volkstheater nicht annehmen und übernahm später das Musikinstrumentengeschäft ihres Vaters. Ich war von Beruf Apotheker und wurde durch Crossover zum Opernnarren. Als nur für Schlager Interessierter bekam ich zu Weihnachten 1957 endlich einen Plattenspieler und auch eine Single meines Lieblingsliedes „Granada“ mit einem mir nichts sagenden Interpreten. Die Stimme fesselte mich. Am ersten Werktag nach den Feiertagen besuchte ich schon am Vormittag ein Schallplattengeschäft, um von dem Sänger Mario Lanza mehr zu hören, und kehrte mit einer LP mit Opernarien nach Hause zurück.“
Schweitzers Klassikwelt 80: „Donna Giovanni“ klassik-begeistert.de, 24. Januar 2023
Schweitzers Klassikwelt 79: Primadonna klassik-begeistert.de, 10. Januar 2023