Silke Aichhorn und Lisa Wellich © Markus Aichhorn
Mit einem köstlichen Blick hinter die Kulissen der Musikwelt zaubern Silke Aichhorn und Lisa Wellisch Klänge nicht nur von Wolfgang Amadeus Mozart. Hinterlegt mit skurrilen Geschichten, entwickelt sich die Stückauswahl zu einem kurzweiligen Abendvergnügen.
Silke Aichhorn, Harfe
Lisa Wellisch, Klavier
»Lebenslänglich frohlocken«
Elbphilharmonie, 9. November 2024
von Patrik Klein
Die Harfenvirtuosin Silke Aichhorn ist immer für eine Überraschung zu haben. Sie gilt als eine der erfolgreichsten und bedeutendsten Solistinnen auf diesem Instrument. Zudem ist sie als Buchautorin, Unternehmerin und Pädagogin emsig unterwegs, um das Image der Harfe als Soloinstrument in den Fokus zu stellen.
Derzeit tourt sie auch durch die Lande, um ihr neues Buch „Frohlocken leicht gemacht“ mit ungewöhnlichen, manchmal absurden Geschichten aus ihrem Berufsalltag vorzustellen. Für das Hamburger Publikum reduzierte die Dame vom Chiemsee sogar ihr aberwitziges Sprechtempo zu einer für Norddeutsche angepassten Variante.
Mit der Bayreuther Pianistin Lisa Wellisch, die bekannt ist für ihren Klangsinn, enorme Virtuosität und Bühnenpräsenz, brachten die beiden Vollblutmusikerinnen ein Programm nach Hamburg, bei dem man als Zuhörer schnell in einen unterhaltsamen Sog des Genießens und des Schmunzelns gezogen wurde.
Man wurde auch zu Beginn über die wesentlichen Merkmale einer Harfe aufgeklärt, die man mit acht verhornten Fingerkuppen und den Füssen bedienen kann. Vierzig Kilogramm wiegt so ein Instrument, wovon jedes einzelne einen niedrigen vierstelligen Eurobetrag kostet. Und das Teil muss immer mit zu den Konzerten, den Auftritten, den Mucken und den Plattenaufnahmen. Dabei sind harsche Erlebnisse, Missgeschicke und Unverschämtheiten quasi vorprogrammiert.
Der mehr als kurzweilige Abend war gespickt mit Soli und Duos u.a. von Felix Mendelssohn-Bartholdy, Robert Schumann, Wolfgang Amadeus Mozart, Bedřich Smetana, Peter Horton und Richard Wagner.
Dabei wurden die musikalisch hochkarätig präsentierten Bonmots aus dem 18. bis 20. Jahrhundert immer wieder köstlich mit Zitaten aus persönlichen Briefen der Komponisten, aktuellen Erfahrungen, unglaublichen Geschichten und völlig abgehobenen Bühnensituationen untermalt. Über 500 Zuhörer wurde ein Schmunzeln in die Gesichtszüge gezaubert, welches sich häufig zu Lachsalven steigerte.
Eine Kutschfahrt zu Mozarts Lebzeiten hatte dann doch gewisse Ähnlichkeit mit aktuellen Situationen in der Deutschen Bahn, die jeder kennt, oder sogar schon einmal selbst erlebte. Als Transporteur einer Harfe auf dem Weg zu einem Auftritt, kamen dann noch Dimensionen dazu, die den gebannten Zuhörern fesselten und vor Augen führte, was da so alles schiefgehen kann. Köstlich.
Eine Erzählung über ihren Auftritt als Playbackharfenistin bei Jonas Kaufmanns Weihnachtsvideoproduktion in einer eiskalten Kirche im tiefen Süden des Landes brachte dann den Saal zum ersten Mal zum Kochen.
Oder wenn der tschechische Harfenist Hanuš Trneček (1858-1914) mit der überarbeiteten berühmten sinfonischen Dichtung „Die Moldau“ eine rauschende Vorstellung von Böhmens Naturgewalten auf der Solo Harfe schrieb, die dann von Silke Aichhorn in überwältigend plastischen Noten zu Gehör gelangte: Bauernhochzeit, Jagdgetümmel, nächtlicher Mondscheinzauber und rauschende Stromschnellen gipfelten im Schlussmotiv zu Vyšehrad. Hier hatte man als Zuhörer den Eindruck, dass alle Möglichkeiten des Instruments ausgelotet wurden mit technischer Raffinesse und brillanter Fingerfertigkeit. Das Gehirn adaptierte dabei große selbst erlebte Orchesterklänge. Der Saal jubelte.
In der Pandemie musste man als Künstler annehmen, was so eben gerade angeboten wurde. Offenbachs Barcarolle aus seiner Oper Hoffmanns Erzählungen erinnerte die Protagonistin des Abends an einen Auftritt an der Oper in Bremerhaven, wo sie kurzfristig einspringen durfte und von über 830 Takten Wartezeit berichtete. Da waren dann noch weitere Erschwernisse zu verkünden, die auch bei einer Künstlerin in ungewohnter Umgebung schon mal passieren können. Der Vortrag des kurzen Stücks geriet vor dem entzückten Hamburger Publikum, welches angereichert war mit reichlich nachgereisten Fans vom Chiemsee, zu einem technischen Meisterstück.
Franz Liszts „La Danza“ war bei der wunderbar begleitenden Pianistin Lisa Wellisch solo am Flügel in den allerbesten Händen. Das technisch äußerst anspruchsvolle Stück geriet mit allergrößter Virtuosität, Variantenreichtum und viel Herzblut.
Es wurde auch mal romantisch mit einer Komposition des Harfenisten des englischen Königshauses John Thomas, auf dessen „Watching the wheat“ man sich eindrucksvoll auf eine Reise durch Irland mitgenommen fühlte.
Zum Finale kam ein kurzes Duo von Richard Wagner zu Gehör, das nach Anweisung des Komponisten so lustig wie möglich, doch mit leidenschaftlichem Anstand vorgetragen werden soll. Wagner wollte Mathilde, musste dabei aber zuerst ihre Schwester für sich gewinnen. Wagners Frau Minna war wohl „not amused“. Der Züricher Vielliebchen-Walzer brachte dann die Hütte zum Überkochen.
Ein mehr als begeistertes Publikum erarbeitete sich mit Riesenjubel noch zwei Zugaben mit einem „Good morning“ aus der Türkei und einem Lied von Johannes Brahms, dem Sohn der Gastgeberstadt.
Was wollte man mehr an einem solchen Abend?
Patrik Klein, 10. November 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847) Evening Bell MWV Q 20 Duo
Robert Schumann (1810-1856) Arabeske C-Dur Op. 18 Klavier solo
Peter Horton (1941-2023) Toccata for a wild old lady Duo
B. Smetana / H. Trneček (1824-1884) / (1858-1914) Die Moldau, Harfe solo
Franz Liszt (1811-1886) Soirées musicales de Rossini: Nr. 9 „La danza“- (Tarantella napolitana), Klavier solo
J. Offenbach (1819-1880) Barcarolle aus Hoffmanns Erzählungen, Harfe solo
W.A. Mozart (1756-1791) Sonate F-Dur KV 332, 1. Allegro, Klavier solo
W.A. Mozart/Fazıl Say (*1970) Alla Turca Jazz, Harfe solo
John Thomas (1826-1913) Watching the Wheat, Harfe solo
Richard Wagner (1813-1883) Züricher Vielliebchen-Walzer *WWV 88- , Duo
Rising Stars 24: Anaïs Gaudemard, Harfe, klassik-begeistert.de
Interview Xavier de Maistre, Harfenist klassik-begeistert.de