Foto: Die Open Air-Bühne Wolkenturm © Studio Iris
Grafenegg, Auditorium, 31. Dezember 2018, Silvesterkonzert
Werke von Gioachino Rossini, Wolfgang Amadeus Mozart, Georges Bizet, Josef Strauss, Johann Strauss Sohn, Jacques Offenbach, Aram Chatschaturjan, Carl Michael Ziehrer, Carl Millöcker, Robert Stolz, Franz Lehár und Jerónimo Giménez
Manuel Walser, Bariton
Tonkünstler-Orchester Niederösterreich
Alfred Eschwé, Dirigent
von Herbert Hiess
Herbert von Karajan hat schon gewusst, warum er (vor allem im italienischen Repertoire) die Piccoloflöte immer auf ein Minimum reduzierte. Gerade das im Hochfrequenzbereich klingende Instrument schafft es mühelos, sich so in den Vordergrund zu spielen, dass es die Melodiebögen der anderen Instrumentengruppen mühelos überlagert und sogar zerstört.
Genau das ist am Silvesterabend 2018 in Grafenegg passiert, wo die junge Dame der Niederösterreichischen Tonkünstler an dem Instrument so ungezügelt aufspielte, dass gleich Rossinis Ouvertüre zu „Il barbiere di Siviglia“ zu einem Solokonzert für Piccolo und Orchester ausartete.
Das war zwar schon der negative Höhepunkt des ansonsten sehr brav gespielten und dirigierten Konzertes. Der Altmeister und Routinier Alfred Eschwé ist ein recht kompetenter Repertoiredirigent; man kann solche Veranstaltungen getrost in seine Hände legen. Offenbar hat er dieses Mal zu sehr die Routine einfließen lassen; man hätte sich da und dort schon mehr Feinarbeit wünschen können. Gerade bei den langsamen Polkas und Walzer waren einige Übergänge recht unsicher und schwammig. Die Coda der Polka Mazur „Aus der Ferne“ von Josef Strauss war kurz vorm Zerfallen. Von Josef Strauss hörte man in diesem Konzert noch die „Feuerfest“-Polka, bei der Herr Eschwé launig selbst auf die Ambosse schlug. Die Polka hätte sogar noch mehr Feuer vertragen können. Der berühmte „Banditen-Galopp“ berichtete von sehr braven und harmlosen Räubern, vor denen man sich sicher nicht fürchten hätte müssen. Das Stück dirigierte übrigens Lorin Maazel 1980 bei seinem ersten Neujahrskonzert mit großartigen Akzenten. Da waren die Banditen schon furchterregender.
Das restliche Programm brachte neben den Sträussen und der Rossini-Ouvertüre Werke von Robert Stolz, Carl Millöcker, George Bizet etc. Über die eigenartige Fassung der „l’Arlésienne“-Suite ließe sich noch diskutieren, wenn die „Farandole“ noch mitreißender gewesen wäre. Da fehlte es am Pointierten und das gewöhnliche Tambourin als Schlaginstrument konnte nicht wirklich einen Effekt erzeugen. Offenbar ist dem Dirigenten/Orchester ein Lesefehler unterlaufen. Bizet wollte hier ein „Tambourin de Provence“. Was vom Wort her ähnlich klingt, klingt im Orchester ganz anders (und in dem Fall weit effektvoller). Das „Tambourin de Provence“ ist eine zweifellige Zylindertrommel, die der Schlagwerker um die Schulter gehängt hat. Bei der „Farandole“ erzeugt es in Kombination mit den Pauken eine harten und beißenden Rhythmus.
Bei diesem Konzert wurden die obligaten Gesangseinlagen von einer männlichen Stimme geliefert und zwar von dem jungen Schweizer Bariton Manuel Walser. Er ist mittlerweile Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper und wird ebenda kleinere Partien wie den „Marullo“ (aus Verdis „Rigoletto“) bzw. den „Masetto“ (aus Mozarts „Don Giovanni“) übernehmen.
Beim Silvesterkonzert 2018 sang er als Zugabe von „Don Giovanni“ die „Champagnerarie“. Die zeigte wie bei allen anderen Nummern, dass Herr Walser eine wunderschöne Stimme besitzt und noch kräftig an seinem Format arbeiten muss. Die wunderschöne Stimme beeindruckt sehr und man merkt bei ihm richtig die Freude am Interpretieren. Am Konzertpodium vor einem großen Orchester ticken die Uhren anders – da artet das wie bei diesem Konzert zu einem Kampf gegen die Klangmassen aus.
Insgesamt gesehen war es nicht das stärkste Sylvesterkonzert; da hätte Alfred Eschwé noch weit mehr Feinarbeit leisten können. Normalerweise ist er ein witziger und blendender Moderator der Konzerte. Dieses Mal ist er kräftig in die Peinlichkeitsfalle gesprungen. Bei so einem Konzert hat eine Anti-Trump-Bewertung nichts verloren, und es bringt auch nicht wirklich viel, wenn sich der Maestro mit einer pro-feministischen Äußerung (bezüglich der Ordensverleihungen in Österreich) bei den Damen anbiedert.
Vielleicht sollte die Energie des Dirigenten dann doch mehr in die Probenarbeit als in die Moderation eingesetzt werden. Dann könnte das Konzert in einem Jahr wieder auf dem gewohnten Niveau erklingen.
Herbert Hiess, 1. Januar / Jänner 2019, für
klassik-begeistert.at und klassik-begeistert.de
Da kann ich nur sagen: Gut gebrüllt 🦁 Löwe !
Besonders was das Piccolo betrifft 👍
Herbert Zahorik