Elbphilharmonie, Hamburg, 22. Januar 2018
Cappella Andrea Barca
Schaghajegh Nosrati Klavier
Sir András Schiff Klavier und Leitung
Johann Sebastian Bach, Konzert für zwei Klaviere c-Moll BWV 1060
Wolfgang Amadeus Mozart, Adagio und Fuge c-Moll KV 546
Johann Sebastian Bach, Konzert für zwei Klaviere c-Moll BWV 1062
Ricercare a 6 / Musikalisches Opfer BWV 1079
Wolfgang Amadeus Mozart
Konzert für Klavier und Orchester c-Moll KV 491
von Sebastian Koik
Sir András Schiff spielt gerne ganz ohne Pedal. Einer seiner Lehrer war der Cembalist George Malcolm. Dieser brachte seinem Schüler bei, Legato allein mit den Händen zu spielen, ohne den Einsatz von Pedalen. Das Haltepedal stand Bach auf keinem seiner Instrumente zur Verfügung. András Schiff ist der Meinung, dass Musik durch zu großen Pedaleinsatz beschädigt werden kann. Teilweise spielte er radikal ohne Pedaleinsatz, inzwischen ist er da nicht mehr ganz so streng – solange es gut klingt.
Auch an diesem Abend im Großen Saal der Elbphilharmonie macht András Schiff mehr mit seinen Händen als die meisten anderen Pianisten. Er verweilt mit den Fingern länger auf den Tasten seines mitgebrachten Bösendorfer-Flügels, hält länger Kontakt zu jedem einzelnen Ton.
Das nimmt der Musik, vor allem den Bach-Stücken, Strenge und kommt beim Publikum sehr, sehr gut an. Die Musik wird weicher, für viele zugänglicher, anschmiegsamer. Einen so romantischen Bach hat man wohl selten gehört. Selbiges gilt für die Mozart-Stücke des Abends.
Mit keinem anderen Komponisten hat sich András Schiff so intensiv befasst wie mit Johann Sebastian Bach. Schiff studierte Bachs Handschriften, Drucke und Instrumente. Sein Ziel dabei war die Ausdruckswelt aus Zeiten von Clavichord und Cembalo auf dem modernen Klavier wieder erstehen zu lassen.
Die große Mehrheit im Saal liebt den hier gezeigten Stil, und weltweit feiert der geadelte Pianist Sir András Schiff große Erfolge. Manche Puristen allerdings haben ein Problem mit diesem so ganz anders als gewohnt klingenden Bach, der dann doch weniger strukturiert, spritzig, leichtfüßig und elegant klingt. Er klingt ihnen bei Schiff zu getragen, behäbig, nicht nuancenreich genug – und zu romantisch beziehungsweise romantisiert.
So schrieb auch schon der Kritikerpapst Joachim Kaiser, dass er das Klavierspiel Schiffs für manchmal etwas zu weich und zu elegisch persönlich halte, dass dieser Pianist eine Tendenz zum Prätentiösen, ja zur Pretiosität habe, die für die Musik des Protestanten Bach inadequat sei.
Der zweite Komponist des Abends ist Wolfgang Amadeus Mozart. András Schiff gründete im Jahr 1999 die nach ihm – auf Italienisch übersetzt – benannte Cappella Andrea Barca. Die ursprüngliche Idee war die Aufführung sämtlicher Mozart-Klavierkonzerte in Salzburg. Nach wie vor zählt Mozart zum Kernrepertoire des Ensembles. Doch an diesem Abend ist Johann Sebastian Bach der dominierende Komponist.
„Jeder Tag beginnt mit einer Stunde Bach“, sagt Sir András Schiff über seine seit Jahren gepflegte Übungspraxis. Und auch dieses Konzert beginnt mit Bach … und zwar mit dem Konzert für zwei Klaviere c-Moll BWV 1060, das er zusammen mit Schaghajegh Nosrati spielt. Die junge Pianistin ist in Bochum geboren und hat iranische Eltern. Seit drei Jahren lehrt sie an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover.
Hier und besonders im dritten Stück des Abends, dem Konzert für zwei Klaviere c-Moll BWV 1062, weiß Frau Nosrati mit quirlig-virtuosem Spiel und Souveränität zu überzeugen.
Gerade in diesen beiden Stücken beweist sich die Cappella Andrea Barca als ganz großartiges Ensemble für Alte Musik und speziell für Johann Sebastian Bach. Die Streicher brillieren und zaubern einen 1A-Bach in den Saal, an dem es überhaupt nichts zu mäkeln gibt und der mit Leichtigkeit und Lebendigkeit bei gleichzeitiger Tiefe begeistert.
Schiff ist nicht nur der Solist, sondern auch der Leiter des Orchesters. Er gibt dem Orchester nach Möglichkeit den Einsatz und spielt die ersten Takte manchmal noch im Stehen. Das geht nicht immer, doch Schiff sagt dazu: „Während des Klavierspiels betrachte ich das Ganze als Kammermusik, und da braucht man wirklich nicht zu dirigieren, sondern nur gut aufeinander zu hören.“
Zur Doppelrolle Pianist und Dirigent sagt der kluge Sir András Schiff: „Das sind zwei Aufgaben, aber so unterschiedlich sind sie nicht. Musik ist Musik!“
Übrigens: Der zwölfte und aktuelle Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland Frank-Walter Steinmeier sitzt auch im Konzert – und zwar herrlich unspektakulär.
Sebastian Koik, 24. Januar 2018,
für klassik-begeistert.de
Foto: Olaf Malzahn