Staatsoper Hamburg, Samstag, 12. März 2022, 19 Uhr, Großes Haus
Solidaritätskonzert
#StandWithUkraine
Foto: Natalia Klitschko in der Staatsoper Hamburg am 12. März 2022,
© ndr.de
von Harald N. Stazol
Gerade noch hat die Sopranistin Elbenita Kajtazi, sie selbst Kriegskind aus dem Kosovo, nach Liszts “Loreley” – „Ich weiss nicht, was soll es bedeuten” – gesagt, wie “schrecklich es ist für die ukrainischen Kinder des Krieges”, gerade will Klaus Florian Vogt zu Richard Strauss’ “Und morgen wird die Sonne wieder scheinen” anheben, gerade noch sind die Hände des Pianisten Rupert Burleigh über den Tasten, da hört man in die Stille eine Hamburger Kinderstimme leise “Mama” rufen, und in einer Aufwallung von seltener Zärtlichkeit schmunzelt leise die ganze Oper – ein schöner, rührender Höhepunkt des Abends, der so reich an schönen, rührenden Höhepunkten sein wird.
Allein die Weltstars, die einen für einen kurzen Moment lang jede der gebotenen Arien lang vergessen lassen, dass gar nicht weit von hier, mitten in Europa, Bomben fallen und Menschen sterben… aber gerade deswegen ist das Opernhaus an der Dammtorstraße jetzt vollbesetzt, “obwohl wir den Abend ja erst am Mittwoch bekanntgaben”, wie der Intendant Georges Delnon sagt, “und nun sind Sie alle hier” – ja, was für ein unfassbarer Segen, ein großes Glück, dessen man sich gerade gewahr wird, im dreifachen Sinne:
Wir alle sind hier:
In Deutschland.
Im Frieden.
Und als Zeugen ganz großer Kunst.
Es ist eine außergewöhnliche Seltenheit, wenn sich in einem außergewöhnlichen Konzert Schönheit, Patriotismus, Trauer und auch Entsetzen vor dem Tableau der außergewöhnlich schrecklichen Weltläufte zu einem ungeahnt-außergewöhnlichen Erlebnis formen, wie es in der Staatsoper Hamburg gerade geschieht.
Und nie war es fraglicher, ob man diesen Benefizabend #StandWithUkraine voller außergewöhnlich einzigartiger Stimmen nach der erschütternd-ergreifend-dringlichen Eröffnungsrede der Generalkonsulin der Ukraine in Hamburg, Iryna Tybinka, überhaupt genießen kann und darf – und ja, man kann, man darf:
“Unsere Männer kämpfen für uns alle, für Europa, für die Freiheit – das Böse wird bestraft werden” ruft die überraschend junge Diplomatin in den Saal, oft wird sie von Beifall unterbrochen und bestärkt – es wird nicht der letzte Beifall bleiben an diesem 12. März 2022 in Hamburg um 19 Uhr, es wird lange und oft und zu Recht Ovationen geben für diese so mutigen wie auch verzweifelten Sätzen dieser Iryna Tybinka, die in ihrem kleinen Konsulat an der Außenalster gerade wohl Übermenschliches leistet:
“Am 24. Februar um 5 Uhr morgens – merken Sie sich dieses Datum – hat eine neue Realität begonnen, für uns alle, für Europa, und die Welt.”
Sie dankt für die “überwältigende Hilfsbereitschaft Hamburgs”, aber vielleicht überhören manche ihr leises Flehen darum, dass der blaue Himmel über den gelben Kornfeldern “wieder frei von Flugzeugen ist” – viele im Publikum tragen Insignien der ukrainischen Nationalfarben, hier ein gelber Schal, dort eine Bluse in Azur, Herren mit Flaggen am Revers… Da ist sie wieder, die “No-Fly-Zone”, die natürlich sein müsste, doch, ach, nicht sein kann, damit der Verrückte, der Grausame, der Tyrann in Moskau nicht den III. Weltkrieg auslöst… “Wir singen, wenn wir kämpfen”, sagt Frau Tybinka, und dann – es ist wahr! – betet sie, fast herab, von einer Kanzel der hohen Moral und des Durchhaltewillens.
Zum Auftakt, die wirklich sehr schöne Ehefrau eines Helden und Verteidigers von Kiew, Natalia Klitschko, die über jede, kürzeste SMS ihres Gatten Vitali “glücklich” ist. Nun mit einem ukrainischen Lied zur Begleitung des ersten Pianisten Georgiy Dubko, beide in wunderbarer Harmonie, einer Harmonie die nun zwei Stunden anhalten wird.
Da ist Guanqun Yu, glockenhell, wie schon an der Metropolitan Opera in New York mit hinreissenden Koloraturen und staunenswerter Leichtigkeit, voller Hingabe, perfekt, wie ja alle Teilnehmer dieses Abends der Extraklasse. Weltklasse der Tenor im “Liebestrank”.
Und dann “Nessun dorma”! Gregory Kunde! Es stockt einem schier der Atem, erstmals brandet Jubel auf, nun, um 20 Uhr, in der Hamburgischen Staatsoper, wird es wirklich atemberaubend, die Töne stehen ja schon die ganze Zeit über geradezu greifbar im Raum.
Dann erheben sich alle, zur Hymne dieses heldenhaften Landes – eines Landes, ganz, wie das unsere ! –, zu den unsterblichen Worten des Dichters Pawlo Platonowytsch Tschubynskyj, zu den jetzt fast zu Tränen rührenden Tönen des Mychajlo Werbyzkyj:
“Noch sind der Ukraine Ruhm und Freiheit nicht gestorben,
noch wird uns lächeln, junge Brüder, das Schicksal.
Verschwinden werden unsere Feinde wie Tau in der Sonne,
und auch wir, Brüder, werden Herren im eigenen Land sein.“
Wie Tau in der Sonne.
Harald N. Stazol, 13. März 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Die Staatsoper Hamburg und das Philharmonische Staatsorchester Hamburg widmen drei Solidaritätskonzerte der Ukraine und der ukrainischen Zivilbevölkerung.
Das erste ist am 12.03.2022 in der Staatsoper Hamburg. Die Beteiligten sind die ukrainischen Künstler*innen Natalia Klitschko, Andrei Bondarenko und Oleksiy Palchykov sowie Klaus Florian Vogt, Gregory Kunde, Guanqun Yu, Franco Vassallo und Elbenita Kajtazi. Begleitet werden sie von Rupert Burleigh und Georgiy Dubko am Flügel. Es spricht die Generalkonsulin der Ukraine in Hamburg, Iryna Tybinka.
Das Philharmonische Staatsorchester Hamburg wird das 7. Philharmonische Konzert am 27. und 28. März in der Elbphilharmonie um die Aufführung des Werkes Ukraina von Eduard Resatsch ergänzen.
Es wird bei den drei Solidaritätskonzerten Geld für Lebensmittel und Medikamente für die ukrainische Zivilbevölkerung gesammelt. Dazu wird vom ukrainischen Generalkonsulat ein eigenes Spendenkonto eingerichtet.
Der Eintritt ist frei – Zählkarten werden benötigt. Spenden sind erbeten.
Spendenkonto
Empfänger: Generalkonsulat der Ukraine in Hamburg
Konto-Nr.: 678885510
Bankleitzahl: 200 400 00
IBAN: DE54 2004 0000 0678 8855 10
BIC: COBADEFFXXX
Verwendungszweck: Unterstützung der Ukraine
Benefizkonzert für die Ukraine im Michel, 19. März 2022 klassik-begeistert.de
Bravo! Sehr schön geschrieben. Das ist das beste, das wir machen können, um die Ukraine zu unterstützen. Die ukrainischen Künstler und Kultur feiern. Gleichzeitig russischen Künstlern, die keine Position einnehmen (eine Friedenstaube zu posten ist keine Position, wir wollen alle Frieden. Sogar der Irre im Kreml mit seinen Friedenstruppen) bitte keine Bühne geben. Danke.
Sonja Kraschin