Foto: M. Pöhn (c)
Solistenkonzert Juan Diego Flórez
Wiener Staatsoper, 28. September 2016
Der Applaus der Fans des peruanischen Tenors mit österreichischer Staatsangehörigkeit wollte nicht enden an diesem Konzertabend in der Wiener Staatsoper: Eineinhalb Stunden hatte der Österreichische Kammersänger Juan Diego Flórez Lieder und Arien von Gioachino Rossini, Ruggero Leoncavallo, Christoph Willibald Gluck, Gaetano Donizetti und Jules Massenet dargeboten. Als Zugabe hatte er mit Gitarrenbegleitung „Paloma“ und „Heut‘ Nacht hab‘ ich geträumt von Dir“ aus der Operette „Das Veilchen vom Montmartre“ von Emmerich Kálmán für seine Frau Julia Trappe, die im Publikum saß, gegeben und dazu noch „La Donna è mobile“ aus Guiseppe Verdis Oper „Rigoletto“ sowie den Gassenhauer „Granada“. Eine Dame um die 55 Jahre warf einen Blumenstrauß aus der Loge 1, rechts, im 1. Rang auf die Bühne, und die Bravo-Rufe kamen aus allen Rängen. Ja, da saß wirklich die Fangemeinde eines herausragenden Tenors beisammen in der ausverkauften Wiener Staatsoper.
Keine Frage, es war ein sehr guter, ein hoch professioneller Auftritt, den Juan Diego Flórez hinlegte. Was aber in weiten Teilen fehlte an diesem Abend war das Magische, das Gänsehautgefühl, das Unter-die-Haut-Gehende, für das der Tenor schon während zahlreicher Opernabende im Haus am Ring gesorgt hat. Flórez’ Stimme fehlte an diesem Abend das Leichte, das Selbstverständliche, das Samtige. Ja, man kann fast sagen, er sang nicht ganz mit Herz und Seele, sondern spulte sein Programm auf sehr hohem Niveau ab.
Aber es gab auch einen wunderschönen Lichtblick: Da hatte sich der Peruaner in „L’espoir renaît dans mon âme“ aus der Oper „Orphée et Eurydice“ von Christoph Willibald Gluck versungen; der Pianist Vincenzo Scalera musste innehalten, Flórez kommentierte kurz mit Witz und Charme auf Englisch, gab sich zwei Ohrfeigen und sang weiter. Danach verließ er mit Scalara den Saal und kam sichtlich hoch konzentriert wieder zurück auf die Bühne. Jetzt, das spürte man, wollte er allen zeigen, was er kann. Und dann, für zwei kostbare Minuten, das erste Mal richtiges Gänsehautgefühl an diesem Abend: Der Tenor sang mit voller Hingabe, sanft anfangend, das bekannte „Una furtiva lagrima“ aus „L’elisir d’amore“ von Gaetano Donizetti, und bewies, dass er ein Sänger ist, der für Hörerlebnisse sorgen kann, die spürbar in Erinnerung bleiben.
Dass er technisch auf allerhöchstem Niveau singt, das demonstrierte Juan Diego Flórez an diesem Abend immer wieder, als er punktgenau und sauber das hohe C sang. Allein in „Ah, mes amis“ aus der „Regimentstochter“ von Gaetano Donizetti gab er den Spitzenton neun Mal in Serie zum Besten. Aber auch hier war zu hören, dass der Tenor die Töne an diesem Abend nicht spielerisch leicht und selbstverständlich zelebrierte, sondern meist mit deutlicher Anstrengung sang.
So gingen die Meinungen unter erfahrenen Opernbesuchern an diesem Abend auch auseinander. „Flórez hat die Rossini-Stücke wunderbar gesungen“, sagte der Wiener Heinz Janischka, 60. „Er ist ein heller Tenor, der die Höhen makellos und strahlend herausschmettert. Seine Stimme ist in der letzten Zeit voller geworden und nicht mehr so bubenhaft wie früher. Es gibt keinen anderen Tenor, der dieses Repertoire zur Zeit so makellos singen kann.“
Rudolf Huber, 72, aus Wien war nicht ganz so angetan vom Gesang des Peruaners. „Die Höhen klingen mir zu angestrengt, zu herausgepresst. Es ist nicht damit getan, wenn man das hohe C einfach nur herausschmettert. Die Darbietung in den tieferen Registern überzeugt mich mehr.“
Auch der Wiener Rule Seitl, 74, war nicht gänzlich überzeugt von der Leistung des Österreichischen Kammersängers. „Die ersten beiden Rossini-Lieder haben mich nicht vom Hocker gerissen. Flórez trompetet die Höhen heute hinaus. Aber Gusto und Watschen sind bekanntlich verschieden.“
Andreas Schmidt, 29. September 2016
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Da bekommt man ja mal wieder Lust nach Wien zu kommen.