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Die Nachwelt sollte ihr Kränze flechten!
von Peter Sommeregger
Am 17. Dezember 2001, also vor zwanzig Jahren starb die Opernsängerin Martha Mödl in Stuttgart. Obwohl sie zum Zeitpunkt ihres Todes fast neunzig Jahre alt war, konnte man sie noch kurz davor auf der Opernbühne und als Rezitatorin erleben.
Es war ein weiter und schwieriger Weg, den die junge Martha bis zu ihrem ersten Engagement zurücklegen musste. In Nürnberg 1912 geboren und aufgewachsen, wo der Vater die Familie verließ, als die Tochter zwölf Jahre alt war, verbrachte Martha Mödl eine durch den ersten Weltkrieg und die schwierige Nachkriegszeit gezeichnete Kindheit. Zunächst arbeitete sie im kaufmännischen Bereich als Sekretärin und Sachbearbeiterin. Erst relativ spät entschloss sie sich zu einem Gesangsstudium.
Als sie in ihr erstes Engagement nach Remscheid ging, war sie beinahe dreißig Jahre alt und der zweite Weltkrieg war in vollem Gange. Ihre erste Rolle war der Hänsel in Humperdincks Märchenoper, es folgten nach 1945 andere Rollen des Mezzofaches wie Carmen, Eboli, Dorabella und Octavian, die sie bei ihrem zweiten Engagement in Düsseldorf sang. Ab 1949 war sie Mitglied der Hamburgischen Staatsoper, wo sie den Wechsel zum dramatischen Sopranfach vollzog.
An der Städtischen Oper Berlin, wo sie ihr nächstes Engagement antrat, sang sie auch weiterhin Partien des Mezzofaches und Zwischenfachpartien wie die Lady Macbeth. Bei den ersten Bayreuther Festspielen nach dem zweiten Weltkrieg 1951 feierte sie als Kundry Triumphe und sang in den folgenden Jahren die großen hochdramatischen Partien Wagners in den Modellinszenierungen des Wagner-Enkels Wieland, der sie künstlerisch formte.
Ihre Bayreuther Isolde des Sommers 1952 unter Herbert von Karajan markierte einen Höhepunkt Neu-Bayreuths und von Mödls Karriere. Mit ihrem Partner Ramon Vinay gelang ihr eine denkwürdige Interpretation, die als Schallplatte konserviert, noch heute Maßstäbe setzt. Man munkelt bis heute, dass die beiden Sänger in jenem Sommer auch privat ein Paar waren, was die Intensität und Glut ihrer Interpretation erklärt hätte.
In Bayreuth stand Martha Mödl in starker Konkurrenz zu der aus Amerika importierten hochdramatischen Astrid Varnay. Beider kollegiales Naturell ließ aber keine Gegnerschaft aufkommen. Während eines langen Bayreuther Sommers hatten beide hochdramatisch genug zu tun. Später wurde die Schwedin Birgit Nilsson die Dritte im Bunde der führenden Sopranistinnen, auch über Bayreuth hinaus.
Die Bayreuther Aufführungen dieser frühen Jahre sind inzwischen fast alle auf Tonträgern erschienen und lassen interessante Vergleiche zu. Sie zeigen, dass die drei Sängerinnen doch sehr unterschiedlich waren, wobei jede ihre besonderen Stärken hatte. War es bei Astrid Varnay die Robustheit der Stimme und die unerschöpfliche Kondition, so verfügte Birgit Nilsson über eine bombensichere Höhe und Strahlkraft, die sie bis zum Ende ihrer Karriere nicht verlor. Martha Mödl verfügte über den wärmsten, menschlichsten Ton der Drei, ihre Figuren waren eher gebrochene Charaktere. Die Wärme ihres Tons verdankte sie sicher ihren Anfängen als Mezzosopran.
Anders als Astrid Varnay und Birgit Nilsson gab Martha Mödl Anfang der 1960er Jahre das hochdramatische Fach auf, und kehrte wieder zu Mezzopartien zurück. Die Sängerin, die nie verheiratet war, konnte ohne Bühne nicht sein, und so setzte sie ihre Karriere, die sie bis an die Met in New York, an das Teatro Colon in Buenos Aires und praktisch sämtliche großen europäischen Opernhäuser geführt hatte bis ins hohe Alter fort. Sie wurde zu einer gesuchten Charakterdarstellerin, sang mehrere Uraufführungen zeitgenössischer Werke.
1955 eröffnete sie als Fidelio in der wieder aufgebauten Wiener Staatsoper, 1963 wirkte sie an der Eröffnungsvorstellung des neuen Münchner Nationaltheaters als Amme in der „Frau ohne Schatten“ mit. Beide Aufführungen sind auf Tonträgern zu finden. Wilhelm Furtwängler plante mit Martha Mödl einen „Ring des Nibelungen“ für die Schallplatte, leider starb der Dirigent aber schon nach der Aufnahme der „Walküre“. Komplett unter Furtwängler sang die Mödl die Brünnhilden in einer für den italienischen Sender RAI 1953 in Rom produzierten Einspielung. Im gleichen Jahr sang sie die Brünnhilden auch unter Joseph Keilberth in Bayreuth, dieser Mitschnitt übertrifft die Aufnahmen aus Rom noch an Intensität.
Bis hin zu Rollen wie der Gräfin Geschwitz in Alban Bergs „Lulu“ ist Martha Mödl für die Nachwelt gut dokumentiert. Ihr unverwechselbares Timbre vergisst man bereits nach dem ersten Hören nicht mehr.
Die Nachwelt sollte ihr durchaus Kränze flechten!
Peter Sommeregger, 15. Dezember 2021, für
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was waren wir doch für eine verwöhnte generation mit der wahl zwischen mödl und varnay, birgit nilsson „am horizont“!
fred keller
Danke verehrter Herr Sommeregger. Ich bin da ganz Ihrer Meinung wegen Kränze flechten und so. Habe mir als junger Russisch Schüler in Moskau auf Vinyl die Walküre und die Götterdämmerung, beides Furtwängler, in einer exzellenten Melodija Pressung gekauft und bin der Stimme nach dem Walküre Ruf sofort verfallen. Habe die Ehre gehabt die Künstlerin später auch kennen zu lernen. Bald erscheint bei Hänssler ein Doppelalbum. Mit Siegfried 3. Akt und Parsifal 2. Akt 1955 Bayreuth. Beides gab es in der reichen Diskographie noch nicht
Das wäre dann das akustische Geschenk zu Ihren Worten. Herzlichst Dr. Ingobert Waltenberger