von Peter Sommeregger
Als der gefeierte Tenor Sándor Kónya am 20. Mai 2002 auf Ibiza starb, hatte er ein reich erfülltes Künstlerleben hinter sich.
Der am 23. September 1923 im ungarischen Sarkad, nahe der rumänischen Grenze geborene Sänger erlebte die kulturellen Brüche und Katastrophen des Zweiten Weltkrieges am eigenen Leib schmerzlich kennen. Nach einem Gesangsstudium an der Franz-Liszt-Akademie in Budapest, das er sich durch Arbeit in einem Schlachthof finanziert hatte, musste er zunächst während des Krieges als Soldat dienen. Das Ende des Krieges führte zu seiner Internierung im damaligen Westdeutschland. Um nicht nach Ungarn zurückgeschickt zu werden, floh er aus dem Lager und setzte mit Hilfe von Gönnern, die von seinem Gesangstalent überzeugt waren, sein Studium fort.
Nach Engagements an kleineren Häusern wurde er 1955 an die Deutsche Oper Berlin engagiert, wo sich sein Repertoire und seine Karriere weiter entfalteten. Immer häufiger wurde er nun zu Gastauftritten an Häusern wie Stuttgart und München eingeladen. Wieland Wagner verpflichtete Kónya 1958 als Lohengrin für die Bayreuther Festspiele, mit dieser Partie hatte der Sänger endgültig seine Glanzrolle gefunden. Später trat er bei den Festspielen auch als Stolzing in den Meistersingern und als Parsifal auf.
Seine internationale Karriere war nun nicht mehr aufzuhalten, 1960 debütierte er an der Mailänder Scala, 1961 an der Metropolitan Opera New York. Das New Yorker Haus, an dem er in 14 Spielzeiten annähernd 300 Auftritte hatte, bezeichnete Kónya später als das wichtigste Opernhaus seiner großen Karriere. Das breite Rollenspektrum, das er dort sang, beinhaltete Partien von Verdi, Puccini, Richard Strauss, daneben aber auch seine Wagner-Rollen. Charakteristisch für ihn war seine Stilsicherheit, egal ob er Radamès oder Lohengrin sang, idiomatisch und stilistisch war er von souveräner Beherrschung seiner Aufgabe. Aber der Lohengrin war und blieb seine „Signature Role“, mit der er weltweit Triumphe feierte.
Seinen Lohengrin kann man neben den Mitschnitten aus Bayreuth auch in einer Studioaufnahme mit dem Boston Symphonie Orchestra unter Erich Leinsdorf erleben. Wer ihn in dieser Partie jemals live oder auf der Platte gehört hat, würde schnell davon Abstand nehmen, einen aktuellen langhaarigen Sänger als idealen Interpreten dieser Rolle zu bezeichnen.
Nach seinem Rückzug von der Bühne unterrichtete Kónya als Professor an der Stuttgarter Musikhochschule. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er auf Ibiza, auch dort war er noch als Gründer und Präsident eines Kulturvereines aktiv.
Sänger von seinem Schlag, die ein so breites Repertoire inklusive Operettenpartien abdecken und in lyrischen als auch heldischen Rollen überzeugen, sind beinahe ausgestorben. Kónyas Schallplatten zu hören, bereitet ein uneingeschränktes Vergnügen und hält die Erinnerung an diesen großen Sänger wach.
Peter Sommeregger, 19. Mai 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
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Uneingeschränktes JA zu dem Artikel über Kónya. Von den kleineren Häusern war Bielefeld mit Generalmusikdirektor Bernhard Konz für Kónya vor Berlin entscheidend. In Bielefeld sang er bereits Lohengrin und Radamès.
Dass heute Knabensoprane in der Rolle des Lohengrin goutiert werden, ist ein Witz.
Kónya wird unerreichbar sein, aber er ist die Messlatte.
Und er war an seiner MET im Italienischen, Deutschen und auch Französischen Fach
ohnegleichen.
Robert Forst