Sommereggers Klassikwelt 143: Die unvergessliche Cathy Berberian

Sommereggers Klassikwelt 143: Die unvergessliche Cathy Berberian  klassik-begeistert.de

von Peter Sommeregger

Wenige Sängerinnen ihrer Generation verfügten über ein ähnlich großes Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten. Das mag mit daran liegen, dass die am 4. Juli 1925 in Massachusetts geborene Tochter armenischer Einwanderer sowohl Tanz, Schauspiel und Pantomime studierte, ehe sie ihre Gesangsausbildung begann, die sie dank eines Fulbright-Stipendiums in Paris und Mailand absolvieren konnte.

Ungewöhnlich an Berberians Karriere war, dass sie sowohl Barockmusik als auch zeitgenössische Komponisten optimal interpretieren konnte. Mehrere Komponisten wie Igor Strawinsky, Bruno Maderna, Luigi Nono, John Cage und Luciano Berio komponierten Stücke eigens für ihre Stimme. Mit Luciano Berio war sie von 1950 bis 1964 verheiratet, der Ehe entstammt eine Tochter, die Schlagzeugerin Cristina Berio.

In Nikolaus Harnoncourt fand sie einen kongenialen Dirigenten für Aufnahmen von Werken Monteverdis, aber ihre Diskographie umfasst im Wesentlichen Aufnahmen von Werken ihrer Zeitgenossen, von denen ihr zahlreiche Stücke gewidmet wurden.

Cathy Berberian unternahm umfangreiche Konzerttourneen, trat bei internationalen Festivals auf, und war auch als Pädagogin tätig. Bei ihren Liederabenden setzte sie gekonnt ihr schauspielerisches und komisches Talent ein. Es existiert ein Mitschnitt eines solchen Liederabends vom Edinburgh Festival 1974, wo sie Lieder quer durch die Musikgeschichte interpretiert, alle mit witzigen Kommentaren versehen. So kündigt sie an, ein Lied genauso zu singen, wie sie es von einer Dame gehört hat. Sie singt dieses Lied dann mit so haarsträubend falschen Tönen, dass das Publikum vor Vergnügen jauchzt.

Die Sängerin hat auch selbst komponiert, das an Comics orientierte  Stück „Stripsody“ bescherte ihr auch als Komponistin Anerkennung.

Unter dem Titel „The unforgettable Cathy Berberian“ erschien eine CD, die das unglaublich weite Spektrum der Sängerin eindrucksvoll abbildet. Auf Lieder von Henry Purcell folgen bruchlos Songs von Kurt Weill, ihre eigene Komposition Stripsody, Stücke von Luciano Berio, Jacques Offenbach, Erik Satie, Igor Strawinsky. Ein Höhepunkt dieser Zusammenstellung sind drei Beatles-Songs, die sie jeweils im Stil von Händel, Satie und anderen Komponisten singt, was nicht zuletzt die Qualität dieser Musik beweist.

Berberian bezeichnete sich selbst als Mezzosopran, war aber stimmlich so flexibel, dass sie die Grenzen dieses Faches mühelos überschreiten konnte.

Leider sind die meisten Aufnahmen Cathy Berberians aus den Katalogen verschwunden, aber es lohnt sich, nach ihnen zu suchen. So existiert beispielsweise eine komplette CD mit Beatles-Songs.

Cathy Berberian starb leider viel zu früh am 6. März 1983 in Rom. Naturgemäß ist sie nur noch älteren Musikliebhabern ein Begriff, aber ihre Stimme kann man noch in zahlreichen YouTube-Clips hören und bewundern, in denen die Unverwechselbarkeit ihrer Stimme nachzuhören ist.

Peter Sommeregger, 5. Juli 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.

Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.

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