von Peter Sommeregger
In dieser Woche hätte der russische Bariton Dmitri Hvorostovsky seinen 60. Geburtstag feiern können. Es wäre sicher ein Anlass für ein glanzvolles Konzert, für eine Gala mit befreundeten Künstlern gewesen. Das Schicksal meinte es aber nicht gut mit dem Sänger, bereits vor knapp 5 Jahren erlag er den Folgen eines Gehirntumors in seiner Wahlheimat London.
Der am 16. Oktober 1962 im russischen Krasnojarsk geborene Dmitri Alexandrowitsch Chworostowski studierte in seiner Heimatstadt anfangs Klavier, danach Gesang und debütierte auch am dortigen Opernhaus in einer kleinen Rolle in Verdis „Rigoletto“. Als er im Jahr 1989 den Wettbewerb Cardiff Singer of the World gewann, wobei er Bryn Terfel auf den zweiten Platz verwies, wurde man auch international auf den jungen Russen aufmerksam.
Zuvor hatte er bereits einen Opernwettbewerb der UdSSR gewonnen. Schnell entwickelte sich von da an seine internationale Karriere, neben erfolgreichen Konzerten machte er auch auf der Opernbühne Furore. So sang er 1991 am Teatro la Fenice in Venedig im „Eugen Onegin“ von Tschaikowsky, eine Partie die zu einer seiner Erfolgreichsten werden sollte.
In der Folge trat er praktisch auf sämtlichen großen Opernbühnen der Welt auf; 1995 sang er den Grafen in Mozarts „Nozze di Figaro“ bei den Salzburger Festspielen, im gleichen Jahr wurde er an die Metropolitan Opera in New York verpflichtet, auch die Wiener Staatsoper setzte ihn in mehreren Partien ein. Berlin erlebte ihn als Figaro in Rossinis „Barbier von Sevilla“, sein Repertoire war erstaunlich vielfältig, wobei die großen Baritonpartien Verdis und Tschaikowskys das Zentrum seiner Auftritte an der Met, in Wien, in London und zahlreichen anderen Opernzentren bildeten.
Ab 1994 nahm er ständigen Wohnsitz in London an, erhielt in der Folge auch die britische Staatsbürgerschaft. Seit 1989 war Hvorostovsky mit der Tänzerin Svetlana Ivanova verheiratet, deren Tochter aus erster Ehe er adoptierte, und mit der er ein 1996 geborenes Zwillingspaar hatte. Der problematische Charakter seiner Frau führte über die Jahre bei Hvorostovsky zu einer persönlichen Krise, die ihn zeitweilig zum Alkoholiker machte. 2001 wurde die Ehe geschieden, wobei Svetlana sehr persönliche Details der Presse preisgab.
Eine zweite Ehe mit der Schweizer Opernsängerin Florence Illi gestaltete sich glücklich, aus ihr gingen ein Sohn und eine Tochter hervor. Aus dieser positiven Konstellation bezog der Sänger die Kraft, seine anstrengende internationale Karriere weiter zu verfolgen. Seine Lebensplanung wurde durch die Diagnose Gehirntumor aber umgestoßen. Im Jahr 2016 machte er diese Diagnose öffentlich, versuchte aber neben dem Kampf gegen den Tumor so oft wie möglich aufzutreten. Es kam noch zu zahlreichen Konzerten, auch auf der Opernbühne trat Hvorostovsky noch mit leichten motorischen Einschränkungen auf. Seine letzte Opernvorstellung war der Giorgio Germont in Verdis „La Traviata“ am 29. November 2016 an der Wiener Staatsoper, sein letzter Konzertauftritt fand am 22. Juni 2017 in Grafenegg statt, auf den Tag genau fünf Monate vor seinem Tod in London. Seine Asche wurde je zur Hälfte auf einem Moskauer Friedhof und in seiner Heimatstadt Krasnojarsk beigesetzt.
Sein Tod riss eine große Lücke in seinem Stimmfach Bassbariton. Unvergesslich ist seine auch figürlich auftrumpfende markante Persönlichkeit. Sein Haar wurde bereits früh weiß, und seine Haarpracht wurde zu seinem optischen Markenzeichen. Für die Nachwelt ist seine Stimme in zahlreichen Schallplattenaufnahmen erhalten, es existieren auch zahlreiche Videos von Opernaufführungen mit ihm. Diese Dokumente halten weiterhin die Erinnerung an einen Großen seiner Zunft wach.
Peter Sommeregger, 12. Oktober 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
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