Sommereggers Klassikwelt 198: Der Pianist Artur Schnabel ist bis heute durch seine Aufnahmen präsent

Sommereggers Klassikwelt 198: Der Pianist Artur Schnabel  klassik-begeistert.de, 16. August 2023

von Peter Sommeregger 

Der am 17. April 1882 in Biala (Galizien) in eine jüdische Familie geborene Artur Schnabel zeigte schon früh musikalisches Talent, daher zog seine Mutter mit ihm und seinen Schwestern nach Wien, wo er Klavierunterricht erhielt. Bereits mit acht Jahren trat er öffentlich auf und begann ein Studium, neben dem Klavier auch Kompositionslehre.

Im Jahr 1900 zog Schnabel nach Berlin und heiratete dort 1905 die um sechs Jahre ältere Altistin Therese Behr, die von da an den Doppelnamen Behr-Schnabel führte und bei ihren Liederabenden von ihm begleitet wurde. Schnabel unternahm zahlreiche Konzerttourneen, was zu häufigen Trennungen von seiner Frau und den beiden Söhnen führte. Das Ehepaar führte über die Jahre einen umfangreichen Briefwechsel, in dem man sich gegenseitig von musikalischen Ereignissen berichtete, um die Trennungen zu kompensieren. Diese Briefe, die inzwischen auch in Buchform vorliegen, sind ein unschätzbares Kompendium musikalischer Eindrücke während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, aufgezeichnet von bedeutenden Zeitzeugen.

Schnabels bevorzugte Komponisten waren Beethoven, Schubert und Brahms. Johannes Brahms hatte er in Wien als Kind noch persönlich kennengelernt.

 

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten emigrierte Schnabel 1933 mit seiner Familie nach Großbritannien. Für die beiden weltläufigen Künstler war dies gewiss ein einfacherer Schritt, als für gewöhnliche Sterbliche. Die Sommer verbrachte die Familie bis zum Kriegsausbruch  im italienischen Tremezzo am Comer See, wo Schnabel Klavierunterricht, seine Frau Gesangsstunden gab. 1939 erfolgte die Übersiedlung in die USA. Dort widmete sich Schnabel verstärkt seinen Kompositionen, es entstanden drei Symphonien und mehrere Kammermusik-Werke, aber auch als Klavierpädagoge war Schnabel erfolgreich, zahlreiche seiner Schüler machten selbst Karriere.

Schallplattengeschichte schrieb Schnabel mit seiner kompletten Einspielung von Beethovens 32 Klaviersonaten für His Master’s Voice, die zwischen 1932 und 1935 entstand, und die erste komplette Aufnahme der Sonaten war. Mit seinem Sohn Karl-Ulrich nahm Schnabel auch Klavierwerke für vier Hände auf. Seine letzten Jahre verbrachte Schnabel wieder in Italien und in der Schweiz, wo er am 15. August 1951 mit erst 69 Jahren verstarb.

Die Autographen seiner Kompositionen befinden sich seit 2001 im Archiv der Berliner Akademie der Künste. Präsent bis heute ist Schnabel durch seine zahlreichen Tonaufnahmen geblieben, aber auch die Veröffentlichung des Briefwechsels des Ehepaar Schnabels ist von ihrem zeitgeschichtlichen Wert nicht hoch genug einzuschätzen. Sein Todestag ist eine gute Gelegenheit, sich wieder dieses Ausnahme-Pianisten zu erinnern.

Peter Sommeregger, 16. August 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.

Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.

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