von Peter Sommeregger
Man will gar nicht glauben , dass der Tod des britischen Dirigenten Colin Davis bereits zehn Jahre zurückliegt. Immer noch sind Konzerte, Platteneinspielungen und sein sympathisch offenes Wesen präsent.
Der am 25. September 1927 in Weybridge, Surrey in eine kinderreiche Familie geborene Colin Rex Davis wuchs in eher ärmlichen Verhältnissen auf. In seinen frühen Teenagerjahren erwachte das Interesse für Musik, sein Studium der Klarinette wurde von einem Großonkel finanziert. Schon bald entschloss sich Davis aber für den Beruf des Dirigenten. In die Dirigenten-Klasse wurde er nicht aufgenommen, da er nicht Klavier spielen konnte. Während seines Militärdienstes wirkte er als Klarinettist im Orchester der Life Guards, verfolgte aber weiterhin das Ziel, als Dirigent zu arbeiten.
Seine ersten Jahre als Dirigent gestalteten sich nicht sehr erfolgreich, anfangs arbeitete er mit kleineren, wenig prominenten Orchestern, erst allmählich stellten sich Erfolge ein. In einer konzertanten Aufführung von Mozarts „Don Giovanni“ ersetzte er den erkrankten Otto Klemperer, wenig später den ebenfalls erkrankten Sir Thomas Beecham bei einer Produktion der „Zauberflöte“ in Glyndebourne. Im Jahr 1960 wurde er Chefdirigent, ein Jahr Musikdirektor der renommierten Sadler’s Wells Opera. In dieser Position erarbeitete er sich ein breites Repertoire an Opern bis hin zu zeitgenössischen Werken. Im Anschluss an dieses Engagement wirkte er ab 1967 als Chefdirigent des London Symphony Orchestra und des BBC Symphony Orchestra.
Als Nachfolger Sir Georg Soltis übernahm Davis 1970 das Royal Opera House Covent Garden in London als Chefdirigent. Nach anfänglich negativer Kritik wurde seine insgesamt 16 Jahre dauernde Tätigkeit an dem Haus aber doch zu einer Erfolgsgeschichte. Ab 1983 wirkte er parallel als Chefdirigent des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks in München, eine Position, die ihn auch in Deutschland populär machte. Auch als erster Gastdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden war der 1980 von Queen Elizabeth zum „Sir“ Geadelte erfolgreich.
Erfolgreich verlief auch seine Zusammenarbeit mit verschiedenen Schallplatten-Labels. Seine wichtigsten, bis heute im Katalog befindlichen Einspielungen entstanden für Philips, hier ist vor allem sein Zyklus von Berlioz-Aufnahmen zu nennen, außerdem der in prominenter Besetzung entstandene Zyklus der drei Da Ponte-Opern von Mozart, alles auch nach Jahrzehnten noch Referenz-Aufnahmen.
Im Laufe seines Lebens wurde Davis mit Auszeichnungen überhäuft, auch als Lehrer war der Dirigent gefragt, zeitweilig unterrichtete er am „Landesgymnasium für Musik Carl Maria von Weber“ in Dresden.
In erster Ehe war Colin Davis ab 1949 mit der Sopranistin April Cantelo verheiratet, mit der er zwei Kinder hatte. Im Jahr 1964 trennte er sich von Cantelo und heiratete noch im gleichen Jahr die Iranerin Ashraf Naimi, genannt Shamsi. Aus dieser Ehe gingen fünf Kinder hervor. Als seine Frau im Jahr 2010 starb, verschlechterte sich der Gesundheitszustand von Colin Davis rapide. Nach einem Sturz vom Podium 2011 musste der Dirigent zahlreiche Termine absagen, im Jahr 2012 hatte er seine letzten öffentlichen Auftritte.
Sir Colin Davis starb am 14. April 2013 in London, 85 Jahre alt und sowohl für sein künstlerisches Format als auch für seine menschlichen Qualitäten bis heute in liebevoller Erinnerung für alle, die ihn kannten, oder ihn in Oper und Konzert erlebt hatten.
Peter Sommeregger, 27. September 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barchttps://klassik-begeistert.de/sommereggers-klassikwelt-200-fritz-wunderlich-klassik-begeistert-de-29-august-2023/elona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
Sommereggers Klassikwelt 201: Das Stimmwunder Albert Da Costa 6. September 2023