Foto: wikipedia.org
Der italienische Tenor Luciano Pavarotti konnte für sich beanspruchen, der erste Popstar unter den seriösen Opernsängern zu sein. Sicher gab es auch vor Pavarotti Tenöre, die sich neben Opernauftritten auch für populäre Konzerte buchen ließen, und gehobene Unterhaltungsmusik für die Schallplatte einspielten.
von Peter Sommeregger
Prominentestes Beispiel dafür war der große Enrico Caruso, der sich aber auf seine Auftritte auf Opernbühnen konzentrierte. Ein Medienstar wurde schließlich der Tenor Mario Lanza, dessen Karriere aber ausschließlich auf Filmen, Fernsehauftritten und populären Konzerten aufbaute, es sind nur wenige Bühnenauftritte von ihm nachweisbar.
Pavarotti, der in ärmlichen Verhältnissen in Modena aufwuchs, arbeitete zunächst als Volksschullehrer, während seiner Gesangsausbildung verdiente er als Versicherungsvertreter sein Brot. Nachdem er 1961 einen Gesangswettbewerb gewonnen hatte, entwickelte sich seine internationale Karriere innerhalb weniger Jahre in atemberaubendem Tempo. Es gab kaum ein international bedeutendes Opernhaus, das Pavarotti nicht zumindest als Gast engagiert hätte. Ein Schallplattenvertrag mit der DECCA Company trug zusätzlich zur Entwicklung seines Ruhmes bei.
Bereits im Jahr 1960 hatte Pavarotti seine Frau Adua geheiratet, mit der er drei Töchter hatte. Während dieser 40 Jahre dauernden Ehe soll der Sänger ein notorischer Fremdgänger gewesen sein, was seine Frau wohl lange stillschweigend tolerierte. Erst als ein Verhältnis Pavarottis mit seiner Sekretärin Nicoletta Mantovani 1993 durchsickerte, trennte sich das Ehepaar. In einem 10 Jahre dauernden Rosenkrieg wurde eine Scheidung erkämpft, und Pavarotti und Mantovani konnten heiraten. Nicoletta hatte bereits vor der Heirat ein Zwillingspärchen geboren, von dem allerdings nur das Mädchen überlebte.
Schon im Jahr 1981 begann der Sänger, seine Bühnenauftritte zugunsten von Fernsehshows und Konzerten zu reduzieren. Bereits seit 1967 war Herbert Breslin sein Agent, der Pavarottis Karriere systematisch in Richtung einer medialen Präsenz aufbaute. Höhepunkt dieser Entwicklung war das inzwischen legendäre Konzert der drei Tenöre in Rom 1990, bei dem der Sänger gemeinsam mit seinen Kollegen Plácido Domingo und José Carreras auftrat.
Der Erfolg dieses Konzerts und seine Vermarktung auf Ton- und Bildträgern war beispiellos und bescherte den Protagonisten eine große Bekanntheit auch jenseits des Klassik-Publikums. Puccinis Arie „Nessun dorma“ aus der Oper Turandot wurde so etwas wie eine Erkennungsmelodie für Pavarotti bei seinen Fernseh- und Konzertauftritten. Gleichzeitig geriet er damit aber auch in den Fokus von Kritikern, die ihm nicht ganz zu Unrecht eine Banalisierung der klassischen Musik vorwarfen.
Pavarottis wohl etwas unvernünftige Lebensweise führten zunehmend zu gesundheitlichen Problemen, in seinen letzten Bühnenjahren gerieten seine Auftritte zunehmend zur Peinlichkeit, seiner Leibesfülle wegen konnte sich der Sänger auf der Bühne kaum mehr bewegen. Ein eher unkritisches Publikum bejubelte aber weiterhin seine qualitativ reduzierten Leistungen.
Fatal war die 2002 erfolgte Trennung von seinem langjährigen Agenten Herbert Breslin, die wohl auf Betreiben seiner Ehefrau Nicoletta erfolgte. Breslin „rächte“ sich 2004 mit dem Enthüllungsbuch „The King and I“, wofür er kritisiert wurde, aber mit Breslin hatte Pavarotti auch so etwas wie seinen Kompass verloren.
Seine gesundheitlichen Probleme nahmen zu, 2006 wurde schließlich Bauchspeicheldrüsenkrebs bei Pavarotti diagnostiziert, dem er trotz intensiver Behandlung am 6. September 2007 erlag. Nicht mehr erleben musste er das juristische Feilschen um sein bedeutendes materielles Erbe zwischen seiner Witwe und den Kindern aus erster Ehe.
Die zahlreichen ausgezeichneten Schallplatten-Aufnahmen Pavarottis geben einen Eindruck von der Schönheit seines Timbres, seiner ausgereiften Technik, die bis heute begeistern können. Seine Neigung zur populären, massentauglichen Vermarktung klassischer Arien trübt allerdings ein wenig das Bild dieses großen Sängers.
Peter Sommeregger, 15. November 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
Lieber Herr Kollege!
Spätabends fuhr ich einmal in einem Taxi vom Bahnhof Hütteldorf nach Hause. Der Fahrer hatte eine ältere Aufnahme mit Pavarotti laufen, wo er noch leichte Schwierigkeiten in der Höhe hatte. Leider kann ich diese Aufnahme nicht mehr identifizieren. Diese „historische“ Aufnahme müsste gerade Seltenheitswert haben.
Lothar Schweitzer
Ich danke Ihnen, lieber Herr Sommeregger, dass Sie zwischen „der Schönheit des Timbres und der ausgereiften Technik“ und dem „Bild des Sängers“ unterscheiden, das sich durch seine „massentaugliche Vermarktung“ entwickelt hat. Ich kann zwar nicht sehen, dass es ein Problem gibt, wenn „klassische“ Musik massentauglich verbreitet wird. Wichtig ist doch, dass sie verbreitet wird! Bei Pavarotti bleibt mir nur zu sagen, dass seine Stimme, vor allem seine glänzende Höhe, bisher von keinem anderen Tenor erreicht wurde. Es war allenfalls Alfredo Kraus, der ihm das Wasser reichen konnte. Diese Stimme wird in meinen Ohren durch nichts getrübt, auch nicht durch seinen Lebenswandel oder seine (Selbst-)Vermarktung. Ich freue mich an jedem seiner Töne und bin dankbar, dass diese Stimme wenigstens auf Tonträgern noch hörbar ist.
Prof. Karl Rathgeber