Sommereggers Klassikwelt 214: Alma Schindler wurde von der höheren Tochter zur Muse einer ganzen Künstlergeneration

Sommereggers Klassikwelt 214: Alma Schindler wurde von der höheren Tochter zur Muse einer ganzen Künstlergeneration  klassik-begeistert.de, 13. Dezember 2023

Foto: Alma Mahler-Werfel, geb. Schindler (vor 1899) Wikipedia.org

 von Peter Sommeregger

Der am 31. August 1879 in Wien als Tochter des Malers Emil Jakob Schindler geborenen Alma Maria Schindler schien ein für eine „höhere Tochter“ vorgesehener Lebensweg in Form einer bürgerlichen Ehe und mehrfacher Mutterschaft vorbestimmt zu sein.

Tatsächlich aber gestaltete sich ihr Leben abwechslungsreich und turbulent, was natürlich auch in der Geschichte ihrer Lebenszeit begründet war.
Nach einer frühen Beziehung mit dem Komponisten Alexander von Zemlinsky, der sie in Komposition unterrichtete, lernte sie 1901 den Dirigenten und Komponisten Gustav Mahler kennen, der zu dieser Zeit Direktor der Wiener Hofoper war. Bereits nach kurzer Bekanntschaft gab Alma der stürmischen Werbung Mahlers nach und heiratete ihn am 9. März 1902 in der Wiener Karlskirche. Gustav Mahler verlangte von seiner jungen Frau, ihre Kompositionstätigkeit einzustellen, eine Bedingung, die der begabten Frau schwer fiel. Die später veröffentlichten Lied-Kompositionen Almas verraten tatsächlich ein deutliches musikalisches Talent.

Die Ehe mit Gustav Mahler gestaltete sich anfangs glücklich, zwei Töchter, Maria und Anna schienen das Glück zu vervollständigen. Als jedoch Maria am 12. Juli 1907 an Diphtherie starb und bei Mahler fast zeitgleich ein Herzleiden diagnostiziert wurde, setzte auch der schleichende Verfall der Ehe ein. Im Jahr 1910 begann Alma eine Affäre mit dem jungen Architekten Walter Gropius, die Gustav Mahler nicht verborgen blieb. Er bemühte sich weiterhin intensiv um den Erhalt seiner Ehe, seine Herzkrankheit verschlechterte sich allerdings rapide, nach Wien als todkranker Mann zurückgekehrt starb er dort am 18. Mai 1911 in einem privaten Sanatorium.

Alma setzte ihre Affäre mit Gropius mit Unterbrechungen weiter fort, ging aber zunächst ein leidenschaftliches Liebesverhältnis mit dem Maler Oskar Kokoschka ein, das seinen Niederschlag unter anderem in zahlreichen Gemälden Almas fand. Als Alma das Verhältnis schließlich beendete, ließ sich Kokoschka eine lebensgroße Puppe mit den Zügen seiner Geliebten anfertigen. Heute würde man so etwas in den Bereich der Sexualpathologie einordnen.

Erstaunlicherweise mündete das wieder aufgenommene Verhältnis Almas mit Walter Gropius doch in eine Ehe, die am 18. August 1915 in Berlin geschlossen wurde. Gropius war zu dieser Zeit noch Soldat im Ersten Weltkrieg, während Alma ihr gesellschaftliches Leben in Wien fortsetzte. 1916 wurde die gemeinsame Tochter Manon geboren, aber die Ehe blieb eher disharmonisch und krisenhaft. Nachdem Alma 1917 den Schriftsteller Franz Werfel kennengelernt hatte, und mit ihm ein Verhältnis begann, hatte die Ehe mit Gropius keine Zukunft mehr. Der Sohn, den Alma am 2. August 1918 zur Welt brachte, war wohl ein Kind Werfels, kam aber behindert zur Welt und starb bereits im folgenden Jahr. Die Ehe von Alma und Walter Gropius wurde am 16. Oktober 1920 geschieden.

Von diesem Zeitpunkt an lebte Alma mit Franz Werfel zusammen, obwohl es in der Beziehung permanent kriselte. Erst im Jahr 1929 heiratete das Paar. Alma war zu dieser Zeit bereits 50 Jahre alt, Werfel mit 38 Jahren deutlich jünger. Die Ehe blieb stürmisch und stets gefährdet, trotzdem folgte Alma Werfel 1938, nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland, freiwillig ins Exil. Nachdem das Paar wie viele andere prominente Flüchtlinge anfangs in Südfrankreich Zuflucht gefunden hatte, wanderte es auf abenteuerlichen Wegen über Spanien in die USA aus.

In Los Angeles lebte das Ehepaar Werfel in wohlhabenden Verhältnissen, was Werfels reichlich fließenden Tantiemen geschuldet war, er hatte als Romanautor große Erfolge zu verzeichnen. Nach einer schweren Herzattacke starb Franz Werfel am 26. August 1945 in Beverly Hills. Alma nahm, wie schon nach dem Tod Gustav Mahlers nicht an der Beerdigung teil.

Grinzinger Friedhof, Alma Mahler-Werfel

Später zog die Witwe nach New York, wo sie erneut einen Salon mit bekannten Literaten, Musikern und Persönlichkeiten des dortigen Geisteslebens führte. Am 11. Dezember 1964 starb sie in ihrer New Yorker Wohnung, bestattet wurde sie 1965 auf dem Grinzinger Friedhof im Grab ihrer Tochter Manon Gropius, die 1935 an Kinderlähmung gestorben war.

Alban Berg widmete ihr sein Violinkonzert „Dem Andenken eines Engels“, das gleichzeitig zum Schwanengesang des Komponisten selbst wurde. Das Grab von Mutter und Tochter liegt genau gegenüber der Grabstätte Gustav Mahlers.

Alma Mahler-Werfel verfasste ihre Memoiren unter dem Titel „Mein Leben“, die, wie schon die erste englische Ausgabe, stark kritisiert wurden.

Alma offenbart darin neben einem ausgeprägten Antisemitismus auch einen, freundlich gesagt, problematischen Charakter. Das Bild der schönen und klugen jungen Alma Schindler hatte sich über die Jahrzehnte eines intensiv gelebten Lebens in eine gealterte, von exzessivem Alkoholkonsum gezeichnete, übergewichtige Matrone gewandelt.

Nicht wenige Biographien Almas sind inzwischen erschienen, aber bei näherer Betrachtung lässt sich das positive Image dieser Frau nicht halten. Unbestritten ist aber der Reiz, den ihr die Verbindung mit bedeutenden Männern verlieh. Dass man sie ganz berechtigt als nymphoman bezeichen kann, tut diesem Reiz keinen Abbruch, erhöht lediglich die Zahl ihrer bekannten und weniger bekannten Liebhaber.

Peter Sommeregger, 13. Dezember 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.

Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.

Filmrezension: Alma & Oskar, Filmemacher Dieter Berner klassik-begeistert.de, 6. Juli 2023

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