Sommereggers Klassikwelt 216: Paul Hindemith, der spröde Klassiker der Moderne

Sommereggers Klassikwelt 216: Paul Hindemith, der spröde Klassiker der Moderne

Paul Hindemith © sn.at

von Peter Sommeregger 

Der am 16. November 1895 in Hanau am Main geborene Paul Hindemith entstammte einer schlesischen Familie, sein Vater war aber als junger Mann nach Hessen gezogen, wo er als Anstreicher arbeitete. Hindemith entstammte also einer Arbeiterfamilie, sein Vater war aber hochmusikalisch und unterrichtete seine drei Kindern, Paul, Antonie und Rudolf in Musik, als „Frankfurter Kindertrio“ traten sie öffentlich auf.

Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, meldete sich der Vater als Freiwilliger, und fiel 1915 an der Front in der Champagne. Als Erwachsene wurden die beiden hoch begabten Brüder Paul und Rudolf zunächst Mitglieder des Amar-Quartetts, das sich bevorzugt in der neuen Musikszene einen Namen machte.

Während der Cellist Rudolf später eine Hinwendung zu Blasmusik und Jazz vollzog, blieb Paul der Geige treu. Von 1915 bis 1923 wirkte er als Konzertmeister an der Frankfurter Oper, in den letzten Kriegsmonaten 1918 lernte er als Militärmusiker noch die Greuel des Krieges kennen.

Hindemith, der seit 1912 auch Kompositionsunterricht genommen hatte, konnte mit der Uraufführung seiner ersten Kurzopern „Mörder, Hoffnung der Frauen“ nach einem Libretto von Oskar Kokoschka und „Das Nusch-Nuschi“ durch Fritz Busch 1921 in Stuttgart einen großen ersten Erfolg als Komponist verbuchen. Bald darauf erregte er auch mit seinem 3. Streichquartett bei den ersten Donaueschinger Musiktagen Aufsehen und leitete diese von 1923 bis 1930. Dem neuen Medium Rundfunk stand der Komponist positiv gegenüber und komponierte einige Stücke speziell für das Radio.

Als Komponist entwickelte Hindemith große Vielseitigkeit, von Kammermusik über Orchesterwerke und Opern umfasst sein Werk ein reichhaltiges Spektrum.Im Jahr 1927 berief in die Musikhochschule Berlin als Professor für Komposition, ab 1929 lehrte er zusätzlich an der Volksmusikschule Neukölln.

In der Zeit des Nationalsozialismus geriet der Komponist Hindemith schnell in eine Gegnerschaft zum Regime. Seine Geisteshaltung und mehr noch sein avantgardistisches Werk erregten das Missfallen der neuen Machthaber, seine Werke erhielten schließlich Aufführungsverbot. Seine Möglichkeiten, sich musikalisch zu betätigen, wurden immer mehr eingeschränkt.

Im Jahr 1938 emigrierte Hindemith zusammen mit seiner Ehefrau Getrud, die ihrerseits Schwierigkeiten wegen ihrer jüdischen Abstammung bekam, zunächst in die Schweiz. 1940 erhielt der Komponist die Einladung zu einer Vortragsreise in die USA, in der Folge verlegte er auch seinen Wohnsitz dorthin, 1946 erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft.

Nach dem 2. Weltkrieg hatte Hindemith eine bedeutende Karriere als Dirigent, er konzertierte mit Spitzenorchestern wie den Wiener und Berliner Philharmonikern und dem Chicago Symphony Orchestra. Von 1951 bis 1957 lehrte er an der Universität von Zürich und nahm seinen Wohnsitz erneut in der Schweiz, wo er in seinen letzten Lebensjahren wieder als Komponist aktiv wurde. Am 28. Dezember 1963 starb Hindemith nach kurzer Krankheit in Frankfurt am Main.

Das reichhaltige Werk des Komponisten Hindemith ist immer wieder im Konzertsaal zu hören, und seine Opern „Cardillac“ und „Mathis der Maler“ finden sich immer wieder auf den Spielplänen der Opernhäuser.

Eine wirkliche Popularität hat aber letzten Endes keines seiner Werke erreicht, was verwundert, weil sein Stil erheblich eingängiger ist, als beispielsweise jener Arnold Schönbergs oder Alban Bergs, die es auf weit größere Aufführungszahlen bringen. Für Musikliebhaber bleibt also noch ein weites Feld zu entdecken.

Peter Sommeregger, 28. Dezember 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.

Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.

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Ein Gedanke zu „Sommereggers Klassikwelt 216: Paul Hindemith, der spröde Klassiker der Moderne“

  1. Mich wundert ein bisschen, dass im Text nirgendwo von seiner Oper oder Sinfonie von der „Harmonie der Welt“ die Rede ist. Beides, sowohl Oper als auch Sinfonie, halte ich für noch beeindruckender und ergreifender, als „Mathis der Maler“.
    Hindemith hat eben nicht nur avantgardistische Experimente hinterlassen, sondern auch das ein oder andere Stück großartiger Musik. Ein gut gelungenes Portrait!

    Daniel Janz

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