Hymn of the Nations 1944 OWI film (03 Arturo Toscanini conducting Verdi’s La Forza del Destino 03)
von Peter Sommeregger
Der am 25. März 1867 in Parma geborene Sohn eines Schneiders entschloss sich bereits früh zu einem Musikstudium, das er am Konservatorium seiner Heimatstadt mit Hilfe eines Stipendiums absolvierte.
Als Cellist spielte er im Orchester einer reisenden Opernkompanie, die 1886 durch Brasilien tourte. In Rio de Janeiro kam es im Vorfeld einer Aida-Aufführung zu einem Eklat mit dem Dirigenten der Aufführung, der Ersatzmann erwies sich als unfähig. Das Ensemble brachte den Assistenten des Chorleiters ins Spiel, der die gesamte Partitur kannte. Ohne das Dirigieren gelernt zu haben, leitete der 19-jährige die Aufführung erfolgreich. In der gleichen Saison dirigierte er bereits weitere 18 Opern mit großem Erfolg.
Nach Italien zurückgekehrt verfolgte Toscanini anfangs seine Tätigkeit sowohl als Cellist, als auch Dirigent. In der Uraufführung von Verdis „Otello“ 1887 in Mailand saß er als Cellist im Orchester. Während des nächsten Jahrzehnts konzentrierte er sich aber endgültig auf den Dirigentenberuf. Er dirigierte die Uraufführungen so bedeutender Werke wie Leoncavallos „Pagliacci“ und Puccinis „La Bohème“.
Parallel zu Operndirigaten entwickelte sich Toscanini auch zu einem bedeutenden Konzertdirigenten mit breitem Repertoire, das auch das deutsche Fach einschloss. Bereits 1898 avancierte er zum Chefdirigenten der Mailänder Scala, dieses Amt übte er bis 1908 aus, später noch einmal von 1921 bis 1929.
Im Jahr 1908 folgte er dem Direktor der Mailänder Scala, Giulio Gatti-Casazza, an die New Yorker Metropolitan Opera, wo er für sieben Saisons blieb. Zwischen 1926 und 1936 dirigierte Toscanini das New York Philharmonic Orchestra, mit dem er auch erfolgreiche Europa-Tourneen unternahm. Bei den Bayreuther Festspielen dirigierte er 1930/31 als erster nicht Deutscher Dirigent. 1936 leitete er das Palestine Orchestra, das heutige Israel Philharmonic Orchestra bei seinem Gründungskonzert.
In den Jahren 1934 bis 1937 trat er bei den Salzburger Festspielen auf, nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich sagte er kurzfristig seine Teilnahme an den Festspielen ab. Seine Gegnerschaft zu Faschismus und Nationalsozialismus veranlasste ihn, 1939 Italien zu verlassen, nachdem er von Anhängern Mussolinis mehrfach attackiert worden war und bedroht wurde.
Nach dem Ende seiner Zusammenarbeit mit dem New York Philharmonic Orchestra wurde gezielt für Toscanini das NBC Symphony Orchestra gegründet, dessen Konzerte speziell für Rundfunkübertragungen gedacht waren. 1937 dirigierte Toscanini das erste seiner Konzerte mit dem neuen Klangkörper.
Ein Großteil des akustischen Erbes Toscaninis besteht aus Aufnahmen mit diesem Orchester. Es handelt sich dabei zum Teil um Live-Mitschnitte, aber auch um im Studio entstandene Einspielungen. Seine zum Teil extremen Tempi, speziell bei Beethovens Symphonien, polarisieren Musikliebhaber bis heute. Wilhelm Furtwängler soll einmal geäußert haben. „Wo Toscanini aufhört, fange ich erst an“. Ein faszinierendes Dokument ist der Mitschnitt einer Zauberflöten-Aufführung von den Salzburger Festspielen, der deutlich Toscaninis spezielle Handschrift trägt.
Ab 1954 zog sich der Dirigent allmählich zurück und trat bis zu seinem Tod in New York am 16. Januar 1957 nicht mehr öffentlich auf. Sein Leichnam wurde nach Italien überführt und am Mailänder Hauptfriedhof bestattet.
Arturo Toscanini war seit 1897 bis zu deren Tod 1951 mit Carla De Martini verheiratet. Die Ehe überdauerte die zahlreichen Affären des Maestros. Mit der ihrerseits berühmten Sängerin Rosina Storchio, Puccinis erster Butterfly, hatte er einen Sohn, der behindert zur Welt kam, und im Alter von 16 Jahren starb. Eine der ehelichen Töchter Toscaninis, Wanda, heiratete den Pianisten Vladimir Horowitz. Als seinen künstlerischen Erben hatte Toscanini den jungen Dirigenten Guido Cantelli ausersehen, der aber im November 1956 bei einem tragischen Flugzeugunglück in Paris ums Leben kam. Dem bereits schwer erkrankten Maestro ersparte man diese Nachricht.
Arturo Toscanini gilt bis heute als einer der bedeutendsten Dirigenten seiner Zeit und hat mit das Bild moderner Pultstars geprägt.
Peter Sommeregger, 16. Januar 2024, für
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Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
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