Sony sollte Jonas Kaufmann ruhig tief schwarz geschminkt abbilden, wie es bis vor nicht allzu langer Zeit der Fall war. Aufnahmen mit del Monaco, später mit Domingo zeigten die Sänger alle als Dunkelhäutige.
William Shakespeare, auf dessen Theaterstück Giuseppe Verdis Oper „Otello“ basiert, nannte es im Untertitel „Der Mohr von Venedig“ – das Grundthema ist das Zerbrechen des schwarzen Feldherren Otello an seinen ethnisch bedingten Minderwertigkeitskomplexen und der Diskriminierung, die er deswegen erfährt. Welchen Sinn soll es machen, Otello mit weißer Hautfarbe auf die Bühne zu stellen ? Das Stück verliert seinen Sinn, und die schwarze Schminke, die man dem Schauspieler oder Sänger verpasst, will dies nur deutlich machen.
von Peter Sommeregger
Die Plattenfirma Sony hat für März 2020 die Veröffentlichung einer neuen „Otello“-Gesamtaufnahme mit Jonas Kaufmann in der Titelrolle angekündigt. Das wäre kein Grund, darüber schon vorab einen Artikel zu schreiben.
Was mich dazu veranlasst, ist das bereits veröffentlichte Cover dieser Aufnahme. Es zeigt Jonas Kaufmann in seltsam verfremdeter Optik, mit einem nachgedunkelten Teint, der aber immer noch hell genug ist, um nicht als „Mohr von Venedig“ zu erscheinen.
Ja, sie haben richtig gelesen: Ich wage es, das Unwort, Lieblingsfeind aller politisch korrekten „Besserwisser-Menschen“ zu verwenden. Warum auch nicht?
Ehe nun alle verfügbaren facebook-Daumen nach unten schnellen, sollte man vielleicht Grundsätzliches bedenken. Es existieren auf unserem Planeten Menschen verschiedenster Ethnien, die sich naturgemäß auch optisch voneinander unterscheiden. Der Ursprung aller Bezeichnungen für Menschen mit dunkler Hautfarbe ist das Wort „schwarz“ sowie verwandte Begriffe.
Im Fall „Mohr“ liegt die Sache ein wenig anders: Ursprünglich wurden so nur Bewohner Mauretaniens, also Mauren bezeichnet. Der Begriff dehnte sich dann auch auf andere dunkelhäutige Ethnien aus.
William Shakespeare, auf dessen Theaterstück Giuseppe Verdis Oper „Otello“ basiert, nannte es im Untertitel „Der Mohr von Venedig“ – das Grundthema ist das Zerbrechen des schwarzen Feldherren Otello an seinen ethnisch bedingten Minderwertigkeitskomplexen und der Diskriminierung die er deswegen erfährt. Welchen Sinn soll es machen, Otello mit weißer Hautfarbe auf die Bühne zu stellen ? Das Stück verliert seinen Sinn, und die schwarze Schminke, die man dem Schauspieler oder Sänger verpasst, will dies nur deutlich machen.
Die Schilderung einer Diskriminierung kann an sich nicht rassistisch und diskriminierend sein. Sony sollte Kaufmann ruhig tief schwarz geschminkt abbilden, wie es bis vor nicht allzu langer Zeit der Fall war. Aufnahmen mit del Monaco, später mit Domingo zeigten die Sänger alle Dunkelhäutige.
Ein anderer „Mohr“ auf der Opernbühne hat allerdings nur eine Nebenrolle, der Umgang damit ist daher nicht so auffällig, obwohl er zu ungeheuren Verrenkungen geführt hat. Die Rede ist von Monostatos in der „Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart. Dummerweise erwähnt er seine Hautfarbe in seiner einzigen Arie deutlich: „….weil ein Schwarzer hässlich ist“ und bittet um Vergebung, weil „eine Weiße nahm mich ein“.
Was fiel dem Regieteam der „Zauberflöten“-Inszenierung in Salzburg 2018 dazu ein? Der – natürlich nicht dunkel geschminkte – Monostatos sang „weil ein Diener hässlich ist“ und „eine Holde nahm mich ein“. Das ergibt keinen Sinn, und verfälscht ein Werk, das immerhin in Zeiten der Aufklärung entstand. In alten Fassungen bringt es Papageno auf den Punkt: „es gibt ja schwarze Vögel, warum soll es nicht auch schwarze Menschen geben?“
Nachdenken ist zu allen Zeiten sinnvoll gewesen, scheint mir aber inzwischen sehr vernachlässigt zu werden.
In Berlin wird von „Aktivisten“ immer wieder versucht, die historische Bezeichnung Mohrenstraße im alten Zentrum der Stadt durch einen neutralen Namen zu ersetzen. Die Straße war der Wohnort der am Berliner Hof als Exoten beschäftigten dunkelhäutigen Menschen. Wer kann sich ernsthaft dadurch diskriminiert fühlen?
Gefährlicher als die historisch zumeist ungebildeten „Aktivisten“ ist die Akzeptanz ihrer rabiaten Forderungen. Wider besseres Wissen folgt man den von ihnen gezogenen roten Linien und erhebt sie damit zum allgemein gültigen Konsens. Dies hat mehr und mehr weitreichende Folgen: Kinderbücher werden bereits in „bereinigter“ Form neu gedruckt, von da bis zur Geschichtsfälschung ist es nur ein kleiner Schritt, der da und dort bereits gegangen wird. Ein Lehrbeispiel, wie ein Mangel an Bildung sowie ein Mangel an Geschichtsbewusstsein in Zeiten sozialer Netzwerke die Oberhand gewinnen.
Während ich dies schreibe, sitzt auf meinem Balkon eine Amsel. Angelsachsen nennen den Vogel blackbird. Sicher gibt es bereits konstruktive Vorschläge für eine neue, politisch korrekte Bezeichnung dieser Spezies.
Peter Sommeregger, 12. Februar 2020, für
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Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Ricardo Muti und Anna Netrebko. Seit 25 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de .
Selten so viel Unfug gelesen….
Hat der Mann Jonas Kaufmann jemals „live“ aus der Nähe gesehen? Ein Sonnenstrahl genügt, um den Tenor „suntanned“ erscheinen zu lassen.
Jetzt das Cover-Foto, das zugegebenermaßen nicht sehr vorteilhaft ist, als missglückten Versuch, dem „blacking“ auszuweichen, zu interpretieren, kann nur einer sehr krausen Denkweise entspringen.
Also bitte: erst denken und sich informieren, dann schreiben. Besser gar nichts schreiben……..
Waltraud Riegler
Ihr Artikel kommt im Tonfall überlegener Abgeklärtheit daher – und verrät doch nur die eigene Ignoranz.
Wer die schmerzhafte rassistische Geschichte des “Blackface“ und „Minstrel Shows“ auf der Bühne offenbar nicht kennt, jedenfalls nicht erwähnt, und wer demzufolge nicht weiß, welche Konnotationen dieses Schminken für schwarze Mitmenschen hat, der sollte sich vielleicht nicht so selbstgewiss aus dem Fenster lehnen.
Sich über politische Korrektheit zu mokieren, ist immer leicht. Sich erst mal informieren und sich mit Empathie in andere Standpunkte hineinzudenken, ist hingegen, wo Journalismus beginnt.
Dann ist der Otello auf der Bühne eben nicht schwarz. Und? Wen kostet das etwas? In Theater und Oper muss man sich doch ständig etwas hinzudenken. Lesen Sie mal den Prolog zu Henry V, da erklärt Ihnen Shakespeare, dass es beim Theater gerade darum geht: Aus dem Unvollständigen, Skizzenhaften erschafft erst die Phantasie des Zuhörers eine lebendige Welt. Wenn uns das wie auch immer gestaltete Bühnenbild als Zypern durchgehen kann, dann kann uns wohl auch Herr Kaufmann als Schwarzer durchgehen, ohne dass wir gleich geifernde Kolumnen schreiben müssen.
„Cassio“
Ein wunderbarer Kommentar, dem ich mit jedem Wort zustimmen möchte. Herr Sommeregger, Sie nennen das Kind beim Namen, und dies zu Recht. Danke für dieses stimmige Statement.
Frank Kantereit Remigio
Sie sprechen mir voll aus der Seele! Wenn das Werk so geschrieben wurde, warum soll es verändert werden? Dieses „politisch korrekt“, wer schreibt das vor? Es ist alles überzogen und nicht normal.
Ilse Rist-Kvasnicka
Bravo Herr Sommeregger! Abgesehen von Kaufmann, der nie ein echter Otello war und es nie sein wird (eine zweite Aufnahme ist völlig absurd) – die hätte es nicht gebraucht. Schon beim Vorläufer Shakespeares, Holinshed, ist vom Moro die Rede. Das ist kein Schimpfwort. Zu Shakespeares Zeit und in der Folge war eine Heirat zwischen einer venezianischen Adeligen und einem Moro, ja warum denn nicht, ein Unding. Das ist nicht gutzuheißen, aber das ist die Basis der ganzen Tragödie und der Intrige. Machen wir aus Lungenkranken bei Thomas Mann im Zauberberg Leute, die an einer Hautkrankheit oder Diabetes leiden? Um Gottes Willen. Ich habe vor lange Zeit den Otello im Gepäck gehabt. Schon immer gab es, wenn auch wenige Leute, die meinten, man solle doch die Farbigen schonen. Da ist nichts zu schonen, sondern Anteilnahme geschieht ja eben dadurch, dass man das Diskriminierende benennt und belässt, wie es Klügere als viele heutigen Regisseure vertreten. Drei Mal hat man mir den Otello als Weißen angeboten. Das habe ich stets abgelehnt. Ich stelle mich nicht über Holinshed, Shakespeare und die Tatsachen. Danke Herr Sommeregger, wie ein paar wenige wissen Sie, wovon Sie reden.
Richard Clark m.a., Bologna
Lieber Herr Sommeregger,
vielen Dank für Ihren Beitrag.
„Minstrel Shows“ sowie „Blackface“ waren ja reiner Rassismus und haben mit Verdi gar nichts zu tun. Verdi behandelt das Thema des Rassismus in Opern wie „Otello“ und „La forza del destino“ (Don Alvaro war ja ein Indianer, und wird im vierten Akt von Carlo als „Mulatto“ genannt). Wenn man Verdi gut kennt und weiß, wie Verdi Rassismus tatsächlich hasste (er war ja auch stark gegen den Kolonialismus), versteht man genau, warum ein „schwarzer“ Otello auf der Bühne gar nicht rassistisch ist.
Verdi verstand es besser als viele andere wie es ist, als „Außenseiter“ in einer Gesellschaft zu leben – das sage ich als Syrer, der seit 16 Jahren in Europa (15 Schweden/1 Deutschland) lebt.
(P.S.: Ich glaube übrigens, für Sony geht es hauptsächlich darum, so viele CDs wie nur möglich zu verkaufen, und der CD-Umschlag hat eigentlich mit dem Werk gar nichts zu tun.“
Yehya Alazem, Stockholm
(Herausgeber capriccio.se)
Schon des Umschlags wegen würde ich diese CD nicht kaufen. Misslungen.
Wegen Kaufmann, der kein Otello ist, sowieso nicht.
Robert Forst