Beverly Sills in Manon © e.wikipedia.org
von Peter Sommeregger
Für alle von der Oper begeisterten Amerikaner stand fest, dass die Stars der großen Häuser aus dem Europäischen Ausland zu stammen hatten. Auch nachdem immer mehr amerikanische Opernsänger zu Starruhm kamen, galt die Regel: erst wenn man eine vorzeigbare Karriere in Europa gemacht hatte, wurde man an die Met, nach Chicago oder San Francisco engagiert.
Die erste Sängerin, die diese Regel durchbrach, war die am 25. Mai 1929 als Belle Silverman in Brooklyn, New York City als Tochter jüdischer Einwanderer aus der Ukraine und Rumänien geborene Beverly Sills. Diesen Künstlernamen nahm sie erst 1938 an, nachdem sie bereits als Dreijährige den Wettbewerb „Miss Beautiful Baby“ gewonnen hatte, und von da an regelmäßig in Radiosendungen zu hören war.
Gesangsunterricht erhielt sie von der bekannten Sängerin Estelle Liebling. Sills wurde vor allem durch ihre Auftritte in Rundfunksendungen bekannt, 1945 tourte sie schließlich mit einer Operntruppe durch zwölf Städte in den USA und Canada. Anschließend trat sie weiterhin bevorzugt in Operetten auf, wobei sie ihr komisches Talent entwickelte.
Ihr Debüt als Opernsängerin hatte Sills im Februar 1951 an der Philadelphia Civic Grand OIpera als Frasquita in Bizets „Carmen“. Mit der Charles Wagner Opera Company tourte sie durch Nordamerika, im September 1953 debütierte sie schließlich am Opernhaus von San Francisco als Helena in Boitos „Mefistofele“. Im Jahr 1955 wurde sie Mitglied der New York City Opera, wo sie als Rosalinde in Johann Strauß’ „Fledermaus“ debütierte.
Am 17. November 1956 heiratete Sills den Journalisten Peter Greenough. Das Ehepaar bekam zwei Kinder, Meredith und Peter jr., die beide schwer behindert geboren wurden. Beverly Sill schränkte der Kinder wegen die Zahl ihrer Auftritte während ihrer gesamten Karriere bewusst ein. Nach einem Umzug in die Nähe von Boston trat Sills häufig an der Opera Company of Boston auf, die von Sarah Caldwell geleitet wurde. Dort erweiterte sie ihr Repertoire kontinuierlich.
Einen großen Triumph erlebte sie 1969 mit der Rolle der Zerbinetta in Richard Strauss’ erster Fassung der „Ariadne auf Naxos“ in der Boston Symphony Hall. In einem Artikel des Time Magazine wurde sie 1971 als „America’s Queen of Opera“ bezeichnet. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie bereits zahlreiche Gastspiele auch an Europäischen Opernhäusern absolviert. Sie sang in London, Wien, Paris und der Mailänder Scala. Konsequent vermied sie aber längere Abwesenheiten, da die Sorge um ihre behinderten Kinder stets Priorität hatte.
Erst nach dem Ende der Direktion Rudolf Bings an der New Yorker Met wurde Beverly Sills an die erste Opernbühne der USA verpflichtet. Am 7. April 1975 hatte sie ihren ersten Auftritt dort in Rossinis „Belagerung von Corinth“. Am Ende erhielt sie 18 Minuten dauernde Ovationen. In der Folge trat sie an dem Haus auch als Traviata und Lucia di Lammermoor auf.
Neben ihren Opernauftritten trat Sills auch häufig in Konzerten auf, wobei sie ein umfangreiches Repertoire aller Stilrichtungen vortrug. Gegen Ende ihrer aktiven Sängerkarriere übernahm sie auch verschiedene administrative Aufgaben, schließlich leitete sie die New York City Opera von 1979 bis 1989.
Von weiteren Aufgaben zog sie sich 2005 endgültig zurück, da ihr Ehemann inzwischen zu einem Pflegefall geworden war. Er starb im September 2006, kurz bevor das Ehepaar seine goldene Hochzeit hätte feiern können. 2007 erkrankte Beverly Sills selbst an Lungenkrebs, dem sie am 2. Juli 2007 in einem New Yorker Krankenhaus erlag. Sie wurde 78 Jahre alt.
Relativ spät wurde die Schallplattenindustrie auf Beverly Sills aufmerksam, aber während der 1970er Jahre entstanden doch noch eine Reihe von kompletten Opernaufnahmen, die den dramatischen Koloraturgesang der Künstlerin für die Nachwelt festhielten. Charakteristisch war ihr glockenreines Timbre, das in seiner Schönheit und technischen Sicherheit bemerkenswert war.
Peter Sommeregger, 3. Juli 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.