von Peter Sommeregger
Nennt man den Namen der Wiener Sopranistin Gertrude Grob-Prandl, stößt man fast immer auf ein „Gertrude, wer?“ Sicher, die Künstlerin, 1917 in Wien geboren, und dort 1995 auch gestorben, hatte ihre große Zeit in den 1950er und 60er Jahren. Blickt man aber in die Chronik der Wiener Staatsoper und anderer Opernhäuser der ersten Garnitur, so stößt man immer wieder auf den Namen der Künstlerin.
Allein in Wien ist sie an die 300 mal aufgetreten, beginnend schon in den Ausweichquartieren der Wiener Oper, aber auch noch in dem wieder aufgebauten Haus am Ring bis 1971. Die Walküren-Brünnhilde gestaltete sie 20 Jahre lang, zwischen 1949 und 1969 mehrfach, auffälligerweise jene in Siegfried und Götterdämmerung nur je einmal. Ich hatte das Glück, sie in jenem Siegfried am 3. Juni 1965 vom Stehplatz aus zu hören. Ich wunderte mich damals schon, warum die Sängerin so selten zu hören war.
In Wien hat sie ein umfangreiches Repertoire gesungen, sei es Verdis Amelia, die Santuzza, nicht weniger als 33 mal die Rosalinde in der Fledermaus. In 50 Vorstellungen konnte man sie als Fidelio erleben, auch die erste Dame in der Zauberflöte befand sich in ihrem Repertoire, diese Rolle sang sie auch 1949 unter Wilhelm Furtwängler bei den Salzburger Festspielen.
Parallel zur Wiener Staatsoper war sie aber auch an vielen anderen Opernhäusern zu hören, Zürich, Rom, Mailand, Barcelona, die Arena von Verona erlebten sie ebenso, wie das Opernhaus von San Francisco. Speziell mit der Turandot hatte sie an italienischen Opernhäusern große Erfolge, an 29 Abenden verkörperte sie die Rolle auch in Wien.
Mitte der 1950er Jahre trat sie auch mehrfach an der damals Ostberliner Staatsoper Unter den Linden auf. Es ist heute kaum mehr nachvollziehbar, warum die Künstlerin keinen größeren Weltruhm erlangte. An ihren Leistungen kann es nicht gelegen haben, dass sie beständig von Astrid Varnay, Martha Mödl und später Birgit Nilsson überstrahlt wurde.
Erfreulicherweise ist Grob-Prandl relativ gut akustisch dokumentiert. Neben verschiedenen Turandot-Mitschnitten existiert ein faszinierender Tristan von der Mailänder Scala, wo sie 1951 mit Max Lorenz unter dem legendären Victor de Sabata eine Isolde von elektrisierender Leuchtkraft singt.
Ebenfalls als Isolde kann man sie in einem Wiener Mitschnitt von 1956 unter André Cluytens erleben. Erst kürzlich tauchte eine weitere Isolde von 1953 aus Paris auf. In allen Fällen fasziniert ihre ungewöhnlich helle Sopranstimme mit bombensicher gehaltener Höhe. Von der Schönheit des Timbres her gesehen, sticht sie ihre damaligen Konkurrentinnen mühelos aus.
Dank dem Graumarkt, auf dem auch noch Arien verschiedener Komponisten, eine Donna Anna und sogar eine Elektra zu finden sind. In einer kompletten Ring-Einspielung, die Rudolf Moralt für den Österreichischen Rundfunk 1948 einspielte, singt sie die Siegfried- und Götterdämmerungs-Brünnhilde. Man kann also auch noch heute weiter grübeln, warum diese Ausnahme-Sängerin teilweise doch unter dem Radar geblieben ist.
Peter Sommeregger, 24. September 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at