Foto: Franz Xaver Winterhalter: Adelina Patti
von Peter Sommeregger
Wenn heute das Opernpublikum einer berühmten Sängerin wie Anna Netrebko Ovationen darbringt, und ihr beim Schlussapplaus Blumen zuwirft, ist das nur ein Abklatsch dessen, was das Publikum im späten 19. Jahrhundert der Sängerin Adelina Patti an Huldigungen bereitete.
Die am 18. Februar 1843 in Madrid geborene Adelina, Tochter eines italienischen Sänger-Ehepaares, erzählte später gerne, ihre Mutter hätte hochschwanger mit ihr noch als Norma auf der Bühne gestanden. So war es ihr bestimmt, ebenfalls Sängerin zu werden.
Nachdem sie schon als Kind erfolgreich aufgetreten war, feierte sie schließlich mit 16 Jahren in New York ihr Bühnendebüt als Donizettis „Lucia di Lammermoor“. Von da an entwickelte sich ihre Karriere rasant, alle bedeutenden Opernbühnen verpflichteten sie für Gastspiele. Patti unternahm zahlreiche Tourneen durch die USA und das russische Zarenreich, in Europa war es hauptsächlich das Londoner Opernhaus Covent Garden, das Schauplatz ihrer Triumphe wurde.
Am Höhepunkt ihrer Karriere betrug ihre Abendgage 5000 Dollar- in Gold. Die Sängerin reiste mit einem eigenen Eisenbahnwaggon, und beschäftigte auf ihren Reisen eine große Zahl von Bediensteten, inklusive einem eigenen Koch.
Der Kult um Patti nahm zum Teil groteske Formen an, Souvenirs mit ihrem Bild und andere Devotionalien wurden zu Verkaufsschlagern.
Adelina Patti war dreimal verheiratet. Ihr erster Ehemann, der Marquis de Caux, entstammte dem französischen Hochadel. Die Ehe wurde 1868 geschlossen, verlief eher unglücklich und wurde 1877 getrennt, aber erst 1885 endgültig geschieden. Dadurch war der Weg frei, 1886 den Tenor Ernest Nicolini zu heiraten, mit dem sie bereits zusammenlebte. Diese Ehe gestaltete sich sehr glücklich. Patti erwarb in der Nähe des walisischen Swansea das Schloss Craig-y-Nos. Sie ließ auf dem Anwesen auch ein eigenes Theater errichten, das dem Bayreuther Festspielhaus nachgebildet war. Nicolini starb 1898 nach einer langen Krebserkrankung.
Pattis dritter und letzter Ehemann wurde 1899 der erheblich jüngere dänische Baron Rolf Cederström. Auch diese Ehe war allem Anschein nach glücklich und bestand bis zu Pattis Tod am 27. September 1919.
Die Sängerin interessierte sich sehr für die Möglichkeiten der Tonaufnahmen, die zu dieser Zeit ihre erste Blüte erlebten. Sie entschloss sich, trotz ihres fortgeschrittenen Alters, Schallplatten aufzunehmen.
Obwohl ihre Stimme auch durch eine ausgedehnte Karriere viel von ihrer Frische verloren hatte, sind die 1905 und 1906 auf ihrem Landsitz entstandenen Aufnahmen der über 60-jährigen Sängerin bei allen nötigen Abstrichen erstaunliche Dokumente einer brillanten Technik und der Schönheit ihrer Stimme, die zuvor die alte und neue Welt begeistert hatte.
Peter Sommeregger, 19. Februar 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
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