Fiorenza Cossotto, Aida April 1963
von Peter Sommeregger
Es ist das Los von Mezzosopranistinnen, in der Oper immer im Schatten der Sopranistin, der Primadonna zu stehen. Das ist zumeist im Libretto so vorgegeben, der Mezzo ist Gegenspielerin, im besten Fall Vertraute oder Freundin, und bekommt am Ende nie den Tenor.
Dieses Schicksal blieb auch der am 22. April 1935 im italienischen Crescentino geborenen Fiorenza Cossotto nicht erspart.
Nach einem Gesangsstudium in Turin, später in Mailand, machte sie schnell Karriere und wurde an das erste Opernhaus Italiens, die Mailänder Scala engagiert. In der Uraufführung von Francis Poulencs „Dialoge der Karmeliterinnen“, die zum Welterfolg wurde, sang sie 1957 dort die Rolle der Schwester Matilde. Nach anfangs noch kleinen Rollen wurde sie bald für die großen Partien ihres Stimmfaches herangezogen. Als Azucena in Verdis „Trovatore“, als Eboli im „Don Carlo“, als Maddalena im „Rigoletto“, als Adalgisa in Bellinis „Norma“ und zahlreichen weiteren Partien feierte sie große Erfolge.
In ihre Glanzzeit fiel auch die Hochblüte der Studioproduktionen für die Schallplatte. Kaum eine der Operngesamtaufnahmen der 1950er bis 1970er Jahre kam ohne die Mitwirkung Cossottos aus. Stimmlich „überlebte“ sie einige der bedeutendsten Sopranistinnen ihrer Zeit. Sie sang in Aufnahmen neben Maria Callas, Renata Tebaldi, später Montserrat Caballé. Herbert von Karajan spielte mit ihr Mascagnis „Cavalleria rusticana“ für die Platte und einen Film ein, eine Oper in der sie die Hauptrolle hatte, so wie in Donizettis „La Favorita“, deren Titelfigur ebenfalls für einen Mezzo geschrieben wurde.
Über viele Jahre galt: wo Fiorenza Cossotto besetzt war, da war auch der Bassist Ivo Vinco nicht weit, mit dem Cossotto seit 1958 verheiratet war. Das Paar hatte einen Sohn, trennte sich aber überraschend nach Jahrzehnte dauernder Ehe.
Neben dem Stammhaus Mailänder Scala gastierte Cossotto praktisch in der ganzen Welt. Sie trat an der Wiener Staatsoper, den Opernhäusern von Paris und Barcelona, ab 1968 auch an der Metropolitan Opera New York auf, wo sie in ihren Glanzrollen zu hören war. Bei den Salzburger Festspielen hatte sie als Solistin in Verdis „Requiem“ einen großen persönlichen Erfolg.
Cossotto galt auch als talentierte Darstellerin, was ihren Auftritten zusätzliche Qualität verlieh. Noch an ihrem 70. Geburtstag trat sie als Prinzessin in Puccinis „Suor Angelica“ auf. Die zahlreichen Schallplatten haben ihre Rollengestaltungen für kommende Generationen konserviert. Die Latte für ihre Nachfolgerinnen hat sie hoch gelegt, ihr 90. Geburtstag in dieser Woche ist eine gute Gelegenheit, sich ihrer zu erinnern.
Peter Sommeregger, 22. April 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
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