von Peter Sommeregger
Dieser Tage stolperte ich über eine unscheinbare Notiz in einem englischsprachigen Klassikblog: der walisische Tenor Stuart Burrows wäre im Alter von 92 Jahren gestorben. In keinem deutschen Print- oder Internetmedium wurde darüber berichtet. „Sic transit gloria mundi“ muss man unwillkürlich denken, war Burrows doch für längere Zeit DER international gefeierte Mozart-Tenor, wobei sein Repertoire aber deutlich weiter gesteckt war.
Geboren 1933 in einem walisischen Ort mit unaussprechlichem Namen, ergriff er zunächst den Beruf eines Lehrers, studierte parallel dazu aber Gesang.
So war er bei seinem Debüt an der Welsh National Opera bereits 30 Jahre alt. Nur zwei Jahre später verpflichtete ihn das Royal Opera House Covent Garden, sein dortiges Engagement dauerte 25 Jahre. Während dieser Zeit entwickelte sich seine internationale Karriere rasant. Der tragisch frühe Tod Fritz Wunderlichs hatte eine nicht zu schließende Lücke hinterlassen, Peter Schreier stand als Bürger der DDR nicht uneingeschränkt zur Verfügung, und gute lyrische, vor allem Mozart-Tenöre waren zu allen Zeiten ein seltener Schatz.
In rascher Folge erfolgten Debüts an den Opernhäusern von Mailand, Wien, dem Teatro Colón in Buenos Aires, der San Francisco Opera und schließlich der Metropolitan Opera in New York, wo er von 1971 an zwölf Jahre neben Mozart-Partien auch Puccini und Verdi sang. Herbert von Karajan holte ihn 1971 als Don Ottavio zu den Salzburger Festspielen. Diese Produktion ist in einem Mitschnitt erhalten.
Die in den 1970er Jahren noch boomende Tonträger-Industrie setzte Burrows für zahlreiche Aufnahmen ein, speziell der Dirigent Sir George Solti nahm mit ihm mehrere Opern, darunter Don Giovanni, Die Zauberflöte, und Tschaikowskis Eugen Onegin auf, aber auch andere Dirigenten versicherten sich seiner Mitwirkung.
Burrows’ technisch gut gebildete Tenorstimme zeichnete sich durch ein warmes, facettenreiches Timbre aus, das ihm auch einzelne Partien des Spinto-Faches ermöglichte. Neben seiner Opernkarriere gab Burrows auch immer wieder Konzerte und unternahm Tourneen. Besonders lag ihm die Musik seiner walisischen Heimat am Herzen.
Der Sänger, der sich in späteren Jahren auch karitativen Projekten widmete und einen Gesangswettbewerb begründete, führte ein relativ zurückgezogenes Leben. Nach dem Tod seiner Ehefrau Enid im Jahr 1985 ging er keine weitere Ehe ein. Zeit seines Lebens blieb Wales sein Lebensmittelpunkt. Am 29. Juni 2025 starb Burrows nach kurzer Krankheit in einem Hospiz in Cardiff.
Leider hatte ich nie Gelegenheit, den Sänger live zu hören, bewunderte seine Stimme aber in vielen Schallplattenaufnahmen.
Diese bieten auch heute noch die Gelegenheit, sich mit ihm zu beschäftigen, auch in einer Reihe von YouTube-Clips kann man einen Eindruck seiner Kunst bekommen. Er hätte es verdient, nicht so unbemerkt zu entschwinden!
Peter Sommeregger, 15. Juli 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint 14-tägig jeweils am Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
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