Sommereggers Klassikwelt 296: Der Musikwissenschaftler Max Graf


Kaum ein Wiener Musikfreund wird heute noch den Namen Max Graf kennen. Dabei hatte dieser bis zu seinem Tod 1958 über die Jahre verschiedene Positionen in der Musikwissenschaft besetzt. Was von ihm geblieben ist, sind mehrere Bücher, deren Entdeckung man Liebhabern der Musik, und speziell der Oper ans Herz legen sollte.

von Peter Sommeregger

Geboren 1873 in Wien, besuchte er hier und in Prag das Gymnasium. 1892 begann er an der Wiener Universität seine Studien der Rechtswissenschaft, Philosophie und Literaturgeschichte. Parallel dazu studierte er Musikgeschichte bei Eduard Hanslick und hörte musiktheoretische Vorlesungen Anton Bruckners. Bereits 1896 erfolgte seine Promotion sowohl als Dr.phil., als auch als Dr.jur.

Graf schlug anschließend die Laufbahn eines Musikjournalisten ein, bald erschienen seine Beiträge in renommierten Zeitungen Österreichs und Deutschlands, bald auch in einer Bostoner Zeitschrift.

Im Jahr 1909 erhielt er eine Professur für Musikgeschichte und –ästhetik an der Wiener Musikakademie. Er wirkte auch als Organisator der Wiener Musikfeste, sowie 1928 bei der Vorbereitung der Schubert-Zentenarfeier.

Wegen seiner jüdischen Abstammung emigrierte Graf 1938 mit seinen Kindern aus erster Ehe und seiner dritten Ehefrau Polly Batic, einer Opernsängerin, in die USA. Dort etablierte er sich schnell als Gastprofessor in New York, Pittsburgh und Philadelphia und arbeitete wieder als Musikkritiker. In dieser Zeit entstanden auch mehrere Bücher in englischer Sprache. Darunter „Legend of a musical City“, welches 1949 in Wien auf Deutsch als „Legende einer Musikstadt“ erschien. In einer biographischen Notiz erwähnt der Verlag nur, dass Graf von 1938 bis 1946 in den USA gelebt hätte. Diese Verharmlosung der Umstände ist leider eine speziell in der damaligen Zeit häufig anzutreffende Beschönigung.

Nach seiner Rückkehr erhielt Graf wieder eine Professur an der Wiener Musikakademie und dem Mozarteum Salzburg. Erneut war er als Journalist erfolgreich und verfasste auch Beiträge für den Rundfunk.

Die Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper 1955 nahm er zum Anlass für sein Buch „Die Wiener Oper“. Neben aktuellen Beiträgen griff er dabei auf frühere Artikel und Reportagen zurück und macht dabei die Geschichte der Oper in Wien zum übergeordneten Thema. Dieses Buch entdeckte ich vor einiger Zeit in einem Online-Antiquariat, und war von der Vielfalt der darin enthaltenen Informationen und Details begeistert. Inzwischen habe ich auch noch die „Legende einer Musikstadt“ und „Jeder Augenblick war erfüllt“ erworben. Man muss sich wundern, dass diese Bücher keine Neuauflagen erlebten, sie würden viele Publikationen der letzten Jahrzehnte mühelos in den Schatten stellen. Sie zeigen Max Graf als bedeutenden Akteur und Chronisten des Wiener Musiklebens.

Max Grafs Sohn Herbert war übrigens ein erfolgreicher Opernregisseur. 1955 schuf er die Neuinszenierung der „Meistersinger von Nürnberg“ für das Eröffnungsfest der Wiener Staatsoper.

Max Graf starb in Wien am 24. Juni 1958 und ist in einem Ehrengrab im Israelitischen Teil des Wiener Zentralfriedhofes begraben. Seine Publikationen würden die erneute Aufmerksamkeit von Opernfreunden verdienen, sie sind nach wie vor für kleines Geld antiquarisch erhältlich.

Peter Sommeregger, 19. November 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint 14-tägig jeweils am Mittwoch.

Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.

Sommereggers Klassikwelt 295: Sir Charles Mackerras zum 100. Geburtstag klassik-begeistert.de, 17. Oktober 2025

Sommereggers Klassikwelt 294: Höre ich nur diese Weise? klassik-begeistert.de, 1. Oktober 2025

Sommereggers Klassikwelt 293: Christoph von Dohnányi ist tot klassik-begeistert.de, 8. September 2025

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert