von Peter Sommeregger
Schwestern teilen oft vieles, auch Talente. Schließlich besitzen sie die gleichen Gene. Auch und gerade in der Musik finden sich immer wieder Fälle von parallelen, aber auch gegensätzlichen Karrieren. Ein historisches Beispiel sind die Schwestern Weber, Konstanze, Josepha und Aloysia, erstere Mozarts spätere Gattin, die anderen in ihrer Zeit hoch berühmte Sängerinnen. Die Beispiele sind so zahlreich, dass man sich besser auf besonders prominente Beispiele beschränkt.
Der absolute Superstar unter den Primadonnen des späten 19. Jahrhunderts war Adelina Patti. Ihr glamouröses Leben, ihre drei Ehen und die Faszination, die sie auf ihr Publikum ausübte, sind legendär. Bereits in fortgeschrittenem Alter nahm sie noch eine Reihe von Schallplatten auf, die uns die Brillanz ihrer Stimme zumindest in Teilen erhalten haben. Ihre Eltern waren beide selbst Opernsänger gewesen, da verwundert es nicht, das Pattis Schwestern Carlotta und Amelia ebenfalls die Bühnenlaufbahn einschlugen, und das durchaus mit Erfolg.
Ein noch viel engerer Zusammenhang bestand zwischen den Schwestern Rosa und Carmela Ponzillo, die unter dem Künstlernamen Ponselle beide große Opernkarrieren machten, Rosa allerdings die deutlich erfolgreichere. Begonnen hatten die Töchter italienischer Einwanderer als tingelndes Duo, den „Ponzillo-Sisters“. Als Rosa in den 1920er Jahren große Triumphe an der Metropolitan Opera feierte, war die Schwester Carmela nicht selten ihre Partnerin im Mezzofach. Gemeinsam traten sie häufig in Bellinis Norma als Titelheldin und Adalgisa auf.
Etwa zeitgleich begannen die Karrieren der Schwestern Anny und Hilde Koneczny, die ihren Namen später in Konetzni vereinfachten. Beides Kinder der österreichischen Donaumonarchie verliefen die Anfänge ihrer Karrieren doch recht unterschiedlich. Die ältere, Anny begann wenig erfolgreich als Choristin, nach erneutem Studium sang sie zuerst Mezzo-Partien, ehe sie sich über die Jahre bis zum hochdramatischen Fach entwickelte. Apart ist, dass Anny die eigentliche Entdeckerin ihrer Schwester Hilde war, und diese zu einem Gesangsstudium überredete.
Als Hilde 1929 am Stadttheater von Chemnitz als Sieglinde in der Walküre debütierte, sang Anny in der gleichen Vorstellung die Brünnhilde. In späteren Jahren waren beide Ensemblemitglieder der Wiener Staatsoper. Manche Rollen hatten sie beide im Repertoire, angeblich geschah es nicht selten, dass Hilde in der Oper anrief, und sagte:“ Anny kann heute nicht singen, aber ich übernehme die Marschallin“. Hilde blieb bis ins hohe Alter dem Haus am Ring verbunden, ich habe sie in meinen Stehplatzjahren noch häufig in kleineren Rollen gehört, besonders eindrucksvoll in der Episodenrolle der alten Madelon im Andrea Chenier.
In der nächsten Generation gab es an der Staatsoper erneut ein sehr erfolgreiches Schwesternpaar, Lotte und Leonie Rysanek.. Lotte war die eher Lyrische, während Leonie bald Furore im dramatischen bis hochdramatischen Fach machte. Nach ihrem Durchbruch bei den Bayreuther Festspielen 1951 als Sieglinde folgte eine internationale Karriere, im Wesentlichen teilte Leonie sich ihre Zeit mit den Engagements in Wien und an der New Yorker Met, an der sie seit 1956 sang. Immer wieder sangen die Schwestern auch gemeinsam, so z.B. sehr erfolgreich in Smetanas Dalibor, wobei man die Ähnlichkeit des Timbres der beiden deutlich bemerken konnte. Unvergesslich ist mir der Fidelio unter Karl Böhm, am 100. Jahrestag des Opernhauses am Ring, in dem Leonie die Leonore, Lotte die Marzelline sang. Zur besseren Unterscheidung führte Leonie auf den Wiener Besetzungszetteln stets einen Doppelnamen: erst Rysanek-Grossmann, nach ihrer zweiten Heirat Rysanek-Gaussmann. Lotte hätte vielleicht unter anderem Namen und an einem anderen Haus noch mehr Erfolg haben können, lehnte dies aber mit dem Hinweis auf das enge Verhältnis zu ihrer Schwester stets ab.
Die Liste ähnlicher Konstellationen ließe sich bestimmt noch fortführen, die genannten sind aber wohl die prominentesten der letzten Generationen.
Peter Sommeregger, 15. Juli 2020, für
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Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Ricardo Muti und Anna Netrebko. Seit 25 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.