Im Jahr 1999 beendete Margaret Price ihre Karriere, verließ München und kehrte in ihre walisische Heimat zurück, wo sie sich der Hundezucht widmete.
„Die Unverwechselbarkeit ihres großen, reinen Tones, die Schönheit ihres Timbres und nicht zuletzt die makellose Textbehandlung machen aus ihr eine Ikone der Gesangskunst.“
von Peter Sommeregger
Die walisische Sängerin, die in diesem Jahr ihren 80. Geburtstag hätte feiern können, hat leider nicht einmal ihren 70. Geburtstag erlebt, sie starb vor genau zehn Jahren an einem Herzleiden.
Dieses Herz verstand die am 13. April 1941 im walisischen Blackwood geborene Künstlerin in alle ihre Interpretationen wie kaum eine zweite Sängerin einzubringen. Egal, ob es ein Schubert-Lied war, oder ein veristischer Reißer wie Cileas „Adriana Lecouvreur“, in ihrem Gesang schwang immer mehr mit als ihre – allerdings phänomenale – Gesangstechnik. Vielleicht war sie genau deshalb wählerisch und vorsichtig bei der Auswahl ihrer Rollen, die insgesamt überschaubar blieben.
Das in eine musikalische Familie geborene Mädchen wollte ursprünglich Biologielehrerin werden, doch der Musiklehrer ihrer Schule erahnte ihr großes Potential und konnte sie zu einem Gesangsstudium in London überreden. Danach ging alles sehr schnell, bereits mit 21 debütierte Margaret Price als Cherubino an der Welsh National Opera in Cardiff, schon ein Jahr später wurde sie an die Londoner Covent Garden Opera engagiert, wo sie zunächst kleine Rollen übernahm, aber ihren Durchbruch erlebte, als sie kurzfristig für die erkrankte Teresa Berganza – wieder in der Rolle des Cherubino – einsprang. Sie setzte anschließend ihre Studien bei dem Dirigenten und Klavierbegleiter James Lockhart fort, der sie später auch häufig bei Liederabenden begleitete.
Auch der große Otto Klemperer war auf sie aufmerksam geworden, unter ihm entstand ihre erste wichtige Schallplattenaufnahme, die Fiordiligi in „Così fan tutte“. Ihre Karriere nahm rasch an Fahrt auf, bereits während der 1960er Jahre führten Gastspiele sie an alle großen Opernbühnen der Welt. Margaret Price wollte aber gerne ein Stammhaus haben, an dem sie sich im Rahmen eines Ensembles ihr Repertoire erarbeiten konnte. Ab 1971 wurde die Kölner Oper dieses Stammhaus, in dem berühmten Mozart-Zyklus des Dirigenten John Pritchard erarbeitete Price sich die Partien Mozarts, mit denen sie weltweit die größten Erfolge feiern sollte.
Ende der 1970er Jahre wechselte sie nach München an die Bayerische Staatsoper. Ihre Donna Anna in Mozarts „Don Giovanni“ wurde zu ihrem umjubelten Münchner Debüt, von diesem Tag an war und blieb sie der erklärte Liebling des Münchner Opernpublikums. Ihre beträchtliche Leibesfülle vergaß man nach spätestens fünf Minuten, denn neben ihren stimmlichen Qualitäten war Margaret Price durchaus schauspielerisch begabt.
Während ihrer gesamten Karriere widmete sie dem Liedgesang einen großen Teil ihrer Auftritte. Vor allem die Lieder Schuberts, Mendelssohns und Richard Strauss‘ trug sie mit einer Meisterschaft vor, die zusätzlich durch ihr idiomatisch perfektes Deutsch verstärkt wurde. Man muss dankbar sein, dass Margaret Price neben herausragenden Opernaufnahmen auch sehr viele Lieder eingespielt hat. Sie sind ein klingendes Erbe dieser singulären Künstlerpersönlichkeit.
Furore machte auch ihre Studio-Aufnahme von Wagners „Tristan und Isolde“ unter Carlos Kleiber. Es gelang ihr, der Partie der Isolde, die sie nie auf einer Bühne gesungen hätte, neben ihrer leuchtenden Höhe auch noch eine lyrische Verinnerlichung zu verleihen, die diese Aufnahme auch nach Jahrzehnten noch zum Maß aller Dinge macht. Ein ebenfalls wichtiges Tondokument ist die Einspielung des 2. Streichquartetts von Arnold Schönberg mit dem La Salle Quartett, in der sie das anspruchsvolle Sopransolo singt.
Die Sängerin galt in mancher Beziehung als schwierig, manche Rollen legte sie unerwartet zurück, Erklärungen dafür blieb sie schuldig. Privat weiß man von ihr nur, dass sie sich lebenslang engagiert um ihren jüngeren, behindert geborenen Bruder kümmerte.
Im Jahr 1999 beendete Margaret Price ihre Karriere, verließ München und kehrte in ihre walisische Heimat zurück, wo sie sich der Hundezucht widmete. Unerwartet starb sie dort am 28. Januar 2011. Die Unverwechselbarkeit ihres großen, reinen Tones, die Schönheit ihres Timbres und nicht zuletzt die makellose Textbehandlung machen aus ihr eine Ikone der Gesangskunst. Bis jetzt hat sich niemand gefunden, der ihr das Wasser reichen könnte!
Peter Sommeregger, 27. Januar 2021, für
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Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.