Sommereggers Klassikwelt 71: Erinnerungen an zwei verklungene Stimmen – Grace Hoffman und Hilde Rössel-Majdan

Sommereggers Klassikwelt 71: Erinnerungen an zwei verklungene Stimmen – Grace Hoffman und Hilde Rössel-Majdan

„Grace Hoffman und Hilde Rössel-Majdan gehörten zu jenen Sängern, die nicht unbedingt zu den umjubelten Stars zählten. Aber Oper auf hohem Niveau braucht dringend genau das, wofür die beiden beispielhaft standen: auch in kleineren und undankbaren Rollen das Gesamtniveau einer Produktion oder eines ganzen Ensembles auf hohem Standard zu halten. Ein ehrenvolles Andenken ist den beiden gewiss.“

von Peter Sommeregger

In diesen Monat fallen die 100. Geburtstage von zwei Sängerinnen des Mezzosopran- bzw. Alt-Faches, die beide lange, in einem Fall auch internationale Karrieren hatten.

Grace Hoffman

Grace Hoffman, eine Amerikanerin mit ungarischen Wurzeln, studierte in den USA, ihre Karriere fand aber zum größten Teil in Europa statt. Als sie 1955 an die Stuttgarter Staatsoper verpflichtet wurde, war das der Beginn einer 37 Jahre währenden Erfolgsgeschichte. Von ihrem Stammhaus Stuttgart aus wurde sie aber immer wieder zu Gastspielen an nahezu sämtlichen großen Opernhäusern Europas eingeladen. Die Wiener Staatsoper wurde für sie so etwas wie ein zweites Standbein. Wien erlebte etwa 200 Aufführungen mit ihr, häufig gesungene Rollen waren die Santuzza („Cavalleria Rusticana“), Herodias („Salome“) und Eboli („Don Carlo“), aber auch für kleinere Nebenrollen war sich die Künstlerin nicht zu schade.

Auch die Bayreuther Festspiele sicherten sich ihre Mitwirkung von 1957 bis 1970, ihre wichtigsten Rollen waren dort Brangäne, Waltraute, Fricka und Ortrud. Noch während ihrer aktiven Zeit als Sängerin begann sie an der Hochschule für Musik in Stuttgart zu unterrichten. Ihre letzte Rolle war Weseners alte Mutter in Zimmermanns „Soldaten“.

Die Schallplattenindustrie nahm von Hoffman bedauerlicherweise kaum Notiz. Es existieren einige Mitschnitte aus Bayreuth, Georg Solti besetzte sie als Herodias für seine Salome-Einspielung. Als Konzertsängerin begegnet man ihr etwas häufiger, so erschien erst kürzlich eine Live-Aufnahme von Mahlers „Lied von der Erde“ unter Hans Rosbaud von 1955.

Aus meinen Stehplatz-Jahren an der Wiener Staatsoper erinnere ich mich noch gut an ihren satten, auch in der Höhe sicheren Mezzosopran. Die Sängerin starb im Alter von 87 Jahren in Stuttgart an Krebs. Bestattet wurde sie in ihrer Heimatstadt Cleveland, USA.

Hilde Rössel-Majdan

Die ebenfalls 1921 geborene Hilde Rössel-Majdan war in Niederösterreich zur Welt gekommen und absolvierte ihre lange Karriere in Oper und Konzert hauptsächlich in Wien. Für jeden Opernbesucher Wiens war sie eine feste Größe, sie hatte an diesem Haus zwischen 1951 und 1976 nicht weniger als 1553 Auftritte in 62 Rollen. „Die Rössel“ wie man sie unter dem Stehplatzpublikum verkürzt nannte, war ein Muster an Zuverlässigkeit , Flexibilität und Teamgeist. Ihre Präsenz wurde als so selbstverständlich empfunden, dass man ihr leider oft nicht die Wertschätzung zugestand, die sie verdient hätte.

Ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit war auch der Konzertgesang, ob Bach-Kantaten oder Soli in großen geistlichen und weltlichen Chorwerken, ihr sonorer Alt wurde auch von der Elite der damaligen Dirigenten geschätzt. So singt sie das Alt-Solo in Herbert von Karajans erster Stereo-Einspielung der 9. Symphonie Beethovens, unter Otto Klemperer nahm sie die 2. Symphonie Gustav Mahlers auf. Auch Rössel-Majdan war als Gesangspädagogin tätig, in den 1960er Jahren am Konservatorium in Graz, ab 1972 bis zu ihrer Emeritierung 1991 an der Wiener Musikakademie.

Die Sängerin starb 2010 in Wien, wo sie auch ihre letzte Ruhestätte fand.

Grace Hoffman und Hilde Rössel-Majdan gehörten zu jenen Sängern, die nicht unbedingt zu den umjubelten Stars zählten. Aber Oper auf hohem Niveau braucht dringend genau das, wofür die beiden beispielhaft standen: auch in kleineren und undankbaren Rollen das Gesamtniveau einer Produktion oder eines ganzen Ensembles auf hohem Standard zu halten. Ein ehrenvolles Andenken ist den beiden gewiss.

Peter Sommeregger, 19. Januar 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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Peter Sommeregger

Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.

Ein Gedanke zu „Sommereggers Klassikwelt 71: Erinnerungen an zwei verklungene Stimmen – Grace Hoffman und Hilde Rössel-Majdan“

  1. Danke für diese Erinnerung an Grace Hoffman. Ich hörte sie öfters an der Düsseldorfer Rheinoper. Besonders erinnere ich mich an die Premiere von Tristan und Isolde im Mai 1963, wo sie die Brangäne wunderbar gab. Ihre Kollegen waren Astrid Varnay, Set Svanholm, Randolph Symonette … Der Dirigent war Alberto Erede, assistiert von einem gewissen Carlos Kleiber, der nach eigener Aussage viel von Erede gelernt hat. Es war übrigens die erste Opernregie von Jean Pierre Ponnelle, der am Düsseldorfer Schaupielhaus (bei Karl Heinz Stroux, dem Nachfolger Gustav Gründgens) Bühnenbildner war und zunehmend dort auch Regie führte

    Johannes Capriolo

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