Die Sängerin Anneliese Rothenberger starb am 24. Mai 2010 im gesegneten Alter von 90 Jahren. In den Jahrzehnten davor erreichte die in Mannheim geborene Künstlerin einen Grad der Popularität und Beliebtheit, wie er noch selten einem Opernstar zu Teil wurde.
von Peter Sommeregger
Die Anfänge der Karriere dieser Sängerin fielen noch in die Zeit des Zweiten Weltkrieges. Ihr erstes Engagement in Koblenz endete mit der Schließung der Theater 1944. Von Thüringen aus, wohin Rothenberger evakuiert worden war, gelangte sie nach Hamburg, wo Günther Rennert sie an die dortige Staatsoper engagierte. Dort trat die Sängerin sowohl in Operetten, als auch in Opernpartien auf, die sowohl das traditionelle Repertoire als auch neuere Werke einschlossen.
Bereits Anfang der 1950er Jahre unternahm Anneliese Rothenberger Tourneen bis nach Nord- und Südamerika und hatte erste Auftritte im amerikanischen Fernsehen. 1953 hatte sie ihr Debüt beim Edinburgh Festival.
In dem Journalisten und Schriftsteller Gerd W. Dieberitz, den sie 1954 heiratete, fand sie den idealen Partner, der ihre Karriere klug mitgestaltete und später ihr Manager wurde. Die als glücklich geltende Ehe hielt bis zu Dieberitz’ Tod im Jahr 1999.
Bereits während der 1950er Jahre wurde die Rothenberger an die Wiener und Bayerische Staatsoper engagiert und nahm an den großen europäischen Festivals in Edinburgh, Salzburg und Glyndebourne teil. Die Schwerpunkte in ihrem breiten Repertoire bildeten die Opernpartien von Mozart und Richard Strauss, mit denen sie ihre größten Erfolge feiern konnte. Mit ihrer Glanzrolle Zdenka in Strauss’ „Arabella“ debütierte sie 1960 an der Metropolitan Opera New York. Im gleichen Jahr verkörperte sie die Sophie im „Rosenkavalier“–Film von den Salzburger Festspielen unter Herbert von Karajan.
Neben ihrem Sänger-Beruf betätigte sich Rothenberger auch als Kunstmalerin, was ihr eigentlicher Berufswunsch gewesen wäre. 1963/64 hatte sie eine Ausstellung ihrer Bilder in Frankfurt. Die vielbeschäftigte Sängerin eilte von einem internationalen Engagement zum nächsten, gab dazwischen auch Liederabende und Konzertgalas.
Die Berühmtheit und das gute Aussehen Rothenbergers hatten bereits seit 1967 zu regelmäßigen Fernsehauftritten der Sängerin geführt. Ab etwa 1970 gab ihr das ZDF eine eigene Fernsehshow, „Anneliese Rothenberger gibt sich die Ehre“, in der sie andere Künstler vorstellte, teilweise mit ihnen Duette sang. Unvergessen sind die pastellfarbene Optik dieser Frühzeit des Farbfernsehens und die wie aus Beton wirkenden Frisuren jener Jahre. Der Ruhm und die Bekanntheit der Rothenberger erreichten schwindelnde Höhen.
Das führte aber in der Folge dazu, dass das Image der hoch seriösen Opernsängerin Rothenberger unter ihrer starken Präsenz in den Unterhaltungssendungen litt. Für die Liebhaber dieses Genres waren die Opernauftritte nicht interessant, das ernsthafte Klassik-Publikum mokierte sich dagegen über die etwas seichten Shows. Es geriet beinahe in Vergessenheit, was für ein anspruchsvolles Repertoire die Rothenberger im Verlauf ihrer Karriere gesungen hatte, darunter Uraufführungen von Liebermann und Sutermeister.
Ich selbst habe noch eindrucksvolle Auftritte in Bergs „Lulu“ und Strawinskys „The Rake’s Progress“, aber auch als Konstanze in „Entführung aus dem Serail“ in Erinnerung. Auf unzähligen Schallplatten sind beide Facetten von Rothenbergers Kunst festgehalten, sie verdient es nicht, nur als Fernsehstar wahrgenommen zu werden. Ihr blühender, schön timbrierter Sopran hat eine Leuchtkraft und persönliche Färbung, an der man sie sofort erkennt.
Nach dem Ende ihrer Karriere zog sich die Sängerin in ihr Haus auf der Schweizerischen Seite des Bodensees zurück, nach dem Tod ihres Ehemannes 1999 wurde sie kaum mehr in der Öffentlichkeit gesehen.
Seit ihrem Tod 2010 gibt es zwei abweichende Angaben über ihren Begräbnisort. Zum einen wird behauptet, sie ruhe in der Krypta der Schlosskapelle auf der Insel Mainau im Bodensee in der Gruft der mit ihr befreundeten Grafenfamilie Bernadotte. Zum anderen schreibt der Friedhof Ohlsdorf in Hamburg auf seiner Website, Anneliese Rothenberger wäre auf diesem Friedhof anonym im Grab einer befreundeten Familie beigesetzt. Das macht es den nach wie vor zahlreichen Verehrern ihrer Kunst leider unmöglich, das Grab zu besuchen und vielleicht eine Blume abzulegen. Ihr Platz in den Annalen der Operngeschichte ist ihr trotzdem sicher!
Peter Sommeregger, 24. Mai 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Beitragsbild: Von Pelz – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=27728293
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Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
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Meine letzte Aufführung mit dieser großartigen Sängerin war im März 1972 als Pamina
in der Hamburgischen Staatsoper unter Ferdinand Leitner in der legendären inszenierung
von Peter Ustinov.
Hans-B. Volmer
Lieber Herr Sommeregger,
danke für den Beitrag. Ich erinnere mich noch gut an den wie von Silberfäden durchzogenen Sopran der Sängerin. Trotz allen Suchens in meinen Unterlagen habe ich sie auf der Bühne aber offenbar nur einmal gesehen, 1966 als wunderbare Susanna in Mozarts Figaro. Die Haupterinnerung stammt wohl tatsächlich von ihren Fernsehauftritten; außerdem hat sie die Lulu mit dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg unter Leopold Ludwig eingespielt. Mit dieser Rolle ist sie mit der Hamburgischen Staatsoper 1967 auch auf Nordamerikatournee gegangen.
Ralf Wegner