Susanna Mälkki sorgt für ein Klangbeben im Wiener Konzerthaus

Susanna Mälkki, Andreas Haefliger, Wiener Symphoniker,  Wiener Konzerthaus, 25. April 2019

Foto: Susanna Mälkki. (c) Simon Fowler

Wiener Konzerthaus, 25. April 2019

Andreas Haefliger, Klavier
Susanna Mälkki, Dirigentin
Wiener Symphoniker

Richard Wagner
Karfreitagszauber (aus Parsifal)

Belá Bartók
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3, Sz. 119

Richard Strauss
Also sprach Zarathustra. Tondichtung frei nach Friedrich Nietzsche, op. 30

von Julia Lenart

Mit großer Besetzung zeigen die Wiener Symphoniker unter der Leitung der finnischen Dirigentin Susanna Mälkki, welches Volumen ein Orchester entfalten kann, ohne dabei brachial zu klingen. Der Schweizer Pianist Andreas Haefliger begeistert mit Bartóks höchst anspruchsvollem dritten Klavierkonzert.

Das Programm des Abends fügt sich thematisch passend zusammen. Wagner, Strauss, Bartók: Diese drei Komponisten haben sich gegenseitig stark beeinflusst. Um es kurz zu sagen: Ohne Wagner kein Strauss und ohne Strauss kein Bartók. Alle drei stützen sich nicht nur musikalisch, sondern auch philosophisch auf ähnliche Denkrichtungen, die (mehr oder weniger stark) in Richtung Nationalismus und Volkskultur tendieren.

Den Anfang macht Wagners Karfreitagszauber aus seiner letzten Oper Parsifal. Die religiöse Thematik des Stückes dreht sich um den frisch gesalbten Gralskönig Parsifal, der soeben die als verflucht geltende Kundry getauft hat. Daraufhin erblüht die gesamte Natur um sie herum, was Parsifal zunächst als Gegensatz zur eigentlichen Totenstimmung am Karfreitag sieht.

Susanna Mälkki leitet die Wiener Symphoniker mit vollem Elan an. Die feinen Harmonien, die Wagner so gekonnt entwickelt, stellen eine Herausforderung dar. Die Symphoniker spielen mit ungemeiner Feinfühligkeit und erfüllen den Großen Saal des Konzerthauses mit faszinierenden Klangfarben, die den Zuhörer in Bann ziehen.

Nach einer kurzen Umbaupause betritt der Solist Andreas Haefliger die Bühne. Bartóks drittes Klavierkonzert ist eines seiner letzten Werke, das er schwerkrank in seinem Exil in New York komponiert hat. Gewidmet ist es Bartóks Ehefrau Ditta, die es nach dessen Tod aufnahm – in ihrer fernen, geliebten Heimat Ungarn.

Haefliger und Mälkki geben eine spannende Darbietung des technisch so anspruchsvollen Konzertes. Die Schwierigkeit liegt darin, bei aller technischen Raffinesse und rhythmischer Tüftelei (die ständigen Wechsel zwischen Sechzehnteln, Quintolen, Sextolen, etc.) die Musikalität zu bewahren und verständlich zu spielen.

Allzu leicht können Noten und Akkorde zu einem undefinierbaren Einheitsbrei verschwimmen, der alles andere als schön anzuhören ist. Doch Haefliger behält die Oberhand: Er schleicht sich geschickt durch rhythmisch heikle Stellen und spielt ungemein dynamisch, wodurch das Werk an Spannung gewinnt. Haefliger weiß, wie man mit Musik Geschichten erzählt und zieht das Publikum in seinen Bann.

Der zweite Teil des Konzerts begibt sich auf die Spuren von Bartóks großem Vorbild: Richard Strauss‘ Also sprach Zarathustra – seine fünfte Tondichtung. Musikalisch stützt sich Strauss auf die Einflüsse Wagners, den er sehr verehrte. Thematisch stützt er sich auf Friedrich Nietzsche (konkret auf dessen gleichnamige Schrift). Diese erkundet die Unterschiede zwischen Gut und Böse und versucht den Menschen zu verbessern, beziehungsweise den „Übermenschen“ zu finden – nicht so fern von der Rassenlehre, die auch Wagner vertrat.

Die berühmte Einleitung, mit diesem markanten Naturklang c-g-c, überstrahlt den Saal. Im Vergleich zu späteren Fortissimo-Stellen wirkt sie fast verhalten. Denn es geht voluminös weiter: Das Konzerthaus bebt regelrecht, wenn die Symphoniker das letzte Quäntchen Lautstärke aus ihren Instrumenten herausholen. Dann folgen ruhige Stellen, die mit jener Feinfühligkeit gespielt sind, die das Werk verlangt.

Leider geht bei allem Volumen die Klangqualität verloren, laut sollte trotzdem noch schön und sauber klingen. Manchmal tut es das aber nicht. Ebenso das Ende, welches sich über mehrere feine Akkordklänge erstreckt – zugegebenermaßen keine leichte Sache. Die Einsätze sind teilweise verwaschen und ungenau. Aber ansonsten erzählen die Symphoniker auch mit Also sprach Zarathustra eine fesselnde Geschichte, spielen dynamisch und differenziert. Die Solisten treten bravourös hervor.

Mälkki, Chefdirigentin des Philharmonischen Orchesters Helsinki, trägt ihren Teil zum Erfolg des Konzertabends bei. Die 50-Jährige bereitet den Weg für junge Dirigentinnen, die gerade dabei sind, die Männerdomäne aufzubrechen. Der Solist des Abends, Andreas Haefliger, beweist seine technische Meisterklasse und musikalisches Feingefühl. Es war ein spannender Abend im Wiener Konzerthaus.

Julia Lenart, 26. April 2019, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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