Foto: John Eliot Gardiner © Maciej Schumacher
Offiziell war die Saisoneröffnung 2025/26 des Wienter Konzerthauses am 6. und 7. September 2025 mit Klaus Mäkelä und den Amsterdamern; das Konzert am 14. September 2025 war die eigentliche Eröffnung; ein Niveau, das seinesgleichen sucht. Mit einem halbszenischen „Sommernachtstraum“ und einer musikalische Untermalung, wie man es sich besser nicht vorstellen kann.
The Constellaton Choir & Orchestra
Samantha Cobb, Rebecca Hardwick, Jonathan Harley, Alex Ashworth, Jack Comerfold
Dirigent: John Eliot Gardiner
Felix Mendelssohn Bartholdy: Schauspielmusik zu „Ein Sommernachtstraum“ op. 61
Die erste Walpurgisnacht, op. 60
Wiener Konzerthaus, 14. September 2025
von Herbert Hiess
John Eliot Gardiner ist wohl kein bequemer Musiker und Mensch und hatte angeblich Probleme mit seinem Orchestre Révolutionaire und dem Monteverdi-Chor. Zu seiner Zeit waren diese Ensembles unzertrennlich und lieferten einige bis dato unvergessliche Konzerte. Aufgrund unterschiedlicher Auffassungen trennte man sich und diese Ensembles gehen ihren eigenen Weg.
Nur ist der Abschied für das Monteverdi-Ensemble zu einem Bumerang geworden und Chor/Orchester haben sich sprichwörtlich ins eigene Knie geschossen. Sie tingeln irgendwo mehr oder minder bedeutungslos durch die Konzertwelt, während Sir John Elion Gardiner in der Zwischenzeit wie Phönix aus der Asche zurückgekommen ist; mit dem Constellation Chor und Orchester, die sogar noch besser sind als die vorigen Ensembles.
Diesen Beweis sind die Musiker im Konzert angetreten; mit Werken von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Im Programm war die Schauspielmusik zu Shakespeares „Sommernachtstraum“ zu lesen – man erwartet eigentlich nur die bekanntesten Stücke wie Ouvertüre, Scherzo und Hochzeitsmarsch etc.
Dem war nicht so; gebracht wurde tatsächlich die zu den Nummern passenden schauspielerischen Szenen; mit phantastischen Schauspielern. Das Ganze war nur halbszenisch – die Damen und Herren Schauspieler waren minimalistisch verändert, z.B. trug Puck eine blaue Perücke usw.
Man vermisste die Bühne absolut nicht; eigentlich war das ganz nach Shakespeare, dem karge Bühnen sowieso lieber waren also irgendwelche opulente Ausstattungen. Es war auch gar nicht notwendig; die Schauspieler trugen diese ganze „Show“ mit einer Ausnahmegenialität; in breitestem Shakespeare-Englisch konnte man die humoresken Teile mit Freude miterleben; berührend Pucks Abschlussworte zu diesem Schauspiel; ja, zu dem Schauspiel, welches Gardiner und seine Constellation-Musiker die musikalische Begleitung lieferten.
Begleitung? Es war alles andere als Begleitung. Das traumhafte Orchester (und der ebensolche Chor) lieferten eine Klangorgie, die man schon lange nicht mehr gehört hatte. Jeder Akzent, jede Facette, jedes Rubato – Gardiner realisierte mit dem auf Originalinstrumenten spielenden Musikern eine selten so gelungene Aufführung. Die Präzision der Holzbläser war schon den Besuch des Konzertes wert; hier das berühmte Scherzo – da sprudelte es so richtig; man konnte sich bildhaft die burlesken Szenen vorstellen.
Ein ganz anderes Kapitel der Chor; war der Monteverdi-Chor schon auf höchstem Niveau; der Constellation-Chor stellt da alles in den Schatten. Wenn Leute von die Wiener Chören das gehört haben; müssten sie realistischerweise ihre „Binkel“ umschnallen und das Weite suchen.
So was hat man noch selten gehört; unglaublich brillante Soprane; Alt ebenso. Exzellente Tenöre und ebensolche Bässe machten daraus ein Fest.
Nach der Pause gab es die „1. Walpurgisnacht“ von Mendelssohn, wo die Solisten aus Mitgliedern des Chores stammten. Hier braucht man niemand extra erwähnen – wenn aber der Chor aus lauter solchen Personen besteht, weiß man, warum das auch Weltklasse ist.
Die „1. Walpurgisnacht“ wird als weltliche Kantate bezeichnet; phantastisch instrumentiert und von Gardiner so präsentiert, so dass keine Sekunde nur langweilig gewesen war. Letztlich durch die ausladenden Chorteilen und das Finale (Priester und Chor) war es dann doch wieder eine geistliche Kantate.
Auch hier hat der Chor gezeigt, was er kann. Beim „Sommernachtstraum“ ist Englisch sowieso Standard – aber die Wortdeutlichkeit bei der deutschsprachigen Walpurgisnacht war einfach umwerfend. Und alle Stimmgruppen zeigten hier mit seltener Brillanz, wie man von einem fast flüsternd gehauchten Pianissimo auf ein strahlendes Fortissimo kommt.
Alles in allem ein Fest, das man so schnell nicht vergessen wird.
Herbert Hiess, 16.September 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Portrait: Sir John Eliot Gardiner klassik-begeistert.de, 29. August 2023
Berliner Philharmoniker, Sir John Eliot Gardiner Dirigent, Philharmonie Berlin, 17. März 2022