Es muss nicht immer Bach sein: Ein Freudenfest mit dem Hallé Orchestra in Nottingham

The Hallé Christmas Concert, Stephen Bell, Noah Stewart, Hallé Orchestra,  Royal Concert Hall Nottingham

Foto: ©  Theatre Royal, Nottingham / Oxymoron
Royal Concert Hall Nottingham, 
18. Dezember 2018
The Hallé Christmas Concert

von Leah Biebert

In Zeiten, in denen ohne Unterlass Whams Last Christmas aus den Radios und Bachs Weihnachtsoratorium aus den Konzerthäusern des Landes schallt, freut sich der gemeine Musikfreund über etwas Abwechslung für die Ohren: Das Hallé Orchestra hatte in diesem Jahr große Opernarien und einen Sack voll festlicher Lieblingsstücke im Gepäck.

Tsching-bum! Vergnügt hüpfen die Geigen, die Triangel wirbelt hell glänzende Klänge durch den Nottinghamer Konzertsaal. Eric Coates Ouvertüre aus The Merrymakers ist eine musikalische Schlittenfahrt, die durch eine bezaubernd melodische Winterlandschaft führt.

Das Weihnachtskonzert des britischen Orchesters ist in zwei Hälften unterteilt. Die zweite entführt die Zuhörer in die magische Welt der Weihnachtsklassiker, während die erste von Stücken aus Oper und Ballett geprägt ist. Für das gewisse Fünkchen italienischen Flairs sorgt der Tenor Noah Stewart, der das Publikum mit seiner unglaublich ausdrucksstarken Bühnenpräsenz verzaubert.

Auch Dirigent Stephen Bell nimmt von Zeit zu Zeit das Mikrofon in die Hand. Er bietet Hintergrundinfos zu der Stückauswahl an und lässt es sich nicht nehmen, die Stimmung mit einer gehörigen Portion britischen Humors aufzulockern.

Die Werke Prokofievs brauchen jedoch keinerlei Erläuterung: Unheilvolles Ticken begleitet die dissonanten Orchesterklänge, als die Uhr Mitternacht schlägt. Stephen Bell setzt mit seinem Stab zum finalen Schlag an – es ist, als läge Aschenputtels Schicksal in seiner Hand. Selten ist der Verlust eines Schuhs so dramatisch inszeniert worden wie in Prokofievs Cinderella.

Treibendes Schellenläuten und majestätischer Bläserklang in Prokofievs Troika, funkelnde Triangelklänge in der Ouvertüre von Tschaikovskys Nussknacker. Stephen Bells Stab schwirrt unbeschwert durch die Luft, hüpft auf und nieder, beschreibt Spiralen, leicht und federnd, tänzerisch.

Die Partyhits der zweiten Hälfte geraten jazziger, aber auch traditionelle Weihnachtslieder wie Jingle Bells oder das walisische Deck The Halls präsentiert das Orchester in einer rein instrumentalen und monumental-festlichen Bearbeitung.

Ein Partystück der anderen Art ist Donizettis Una furtiva lagrima. Noah Stewarts warmes Timbre macht die von Tenören geliebte Arie zu einem tiefergreifenden Stück. Die Ausdrucksstärke des amerikanischen Sängers sorgt für Gänsehautfeeling und er schafft es sogar, mit herzzerreißender Hingabe den berühmt-berüchtigten immergrünen Tannenbaum zu besingen.

Auch ist Stewart an einem der Konzerthighlights beteiligt: „Even though it’s rainy and cold outside, that doesn’t mean it can’t get hot in here!“ Augustín Laras Granada ist ein mitreißender spanischer Walzer, bei dem die Kastagnetten knallen und das R leidenschaftlich rollt.

Auf den Köpfen der Musiker glitzern paillettenbesetzte Weihnachtsmützen, die Notenständer sind mit Lametta geschmückt. Erst zögerlich, dann immer selbstbewusster stimmen die Konzertbesucher in die Weihnachtsklassiker Let It Snow! und Have Yourself a Merry Little Christmas ein, Noah Stewart legt einen kleinen Stepptanz hin und Stephen Bell springt vor festlicher Freude gar in die Luft.

Das Weihnachtskonzert wird nun tatsächlich zum Freudenfest – und wer bei Andersons Sleigh Ride zu früh klatschte, wurde mit einem tadelnden Blick und einer spaßhaften Ermahnung von Stephen Bell bedacht.

Und keine Sorge: Ein bisschen Bach war dann ja doch dabei.

Leah Biebert, 20. Dezember 2018, für
klassik-begeistert.de

Stephen Bell                        Dirigent
Noah Stewart                       Tenor
Hallé Orchestra
Coates                                   Ouvertüre: The Merrymakers
Rossini                      Domine Deus aus Petite Messe Solenelle
Tchaikovsky             Ouvertüre : Der Nussknacker
Donizetti                  L’elisir d’amore : Una furtiva lagrima
Prokofjev                  Cinderella (Auswahl)
Puccini                      Manon Lescaut : Donna non vidi mai
Bach                          Sheep May Safely Graze
Prokofiev                  Troika
Lara                           Granada
Paul Campbell         A Swinging Christmas Overture
Spiritual                   I Want Jesus to Walk With Me
Traditional               O Tannenbaum
Pierpoint                   Jingle Bells (arr. Gould)
Adam                         O Holy Night
Traditional               Deck the Halls
Elfman                      The Nightmare Before Christmas
Cahn/Styne              Let It Snow!
Martin/Blane                       Have Yourself a Merry Little Christmas
Anderson                  Sleigh Ride

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert