Foto: Sabine Meyer © wikipedia.org.de
Musikverein Wien, Goldener Saal, 3. April 2022
Tonkünstler-Orchester Niederösterreich
Yutaka Sado, Dirigent
Sabine Meyer, Klarinette
Carl Maria von Weber
Konzert für Klarinette und Orchester Nr. 1 f-Moll, op. 73
Anton Bruckner
Symphonie Nr. 3 d-Moll; 3. Fassung 1889
von Jürgen Pathy
Karajans Klarinettistin. Als man sie 1982 bei den Berliner Philharmonikern engagierte, war Sabine Meyer gerade mal 23 Jahre jung. Dass sie als Spielball der Machtkämpfe wird herhalten müssen, war ihr damals vielleicht noch nicht bewusst. Herbert von Karajan hatte die junge Ausnahmekünstlerin mit Widerwillen des Orchesters in ihre Reihen gesetzt. Mit 73 zu vier Stimmen lehnte das Orchester sie ab.
Was folgte, war ein bitterböser Vernichtungskrieg, der damit endete, dass Karajan seinen lebenslangen Berliner Vertrag im April 1989 aufgab – ein Novum, das es bislang in der langen Geschichte der Berliner Philharmoniker noch nie gegeben hatte. Zu diesem Zeitpunkt war Sabine Meyer allerdings schon längst weg. Angesichts der Querelen hatte sie selbst einen Schlussstrich gezogen und das Orchester nach nur wenigen Monaten verlassen.
„Meinen Weg“, wie sich Sabine Meyer in einem Interview selbstbewusst gibt, „hätte ich auch ohne diesen Skandal gemacht“. Dessen kann man sich sicher sein. Das hat die mittlerweile 63-jährige, die in der Zwischenzeit die ganze Welt mit ihrem Spiel in Entzücken versetzt hat, im Goldenen Saal bewiesen.
Auf ein Tänzchen mit den Tonkünstlern
Nicht erst, als sie ihre pechschwarze Klarinette vor Energie nur so glühen lässt, wie im herzergreifenden Adagio, bei dem Carl Maria von Weber deutlich im Mozart’schen Teich gefischt hat. Bereits beim ersten Erblicken ihrer zierlichen Statur, die sie mutig in etwas Schwarz gehüllt hat, sind ihr die Blicke und das Gehör aller sicher. Denn bereits da wagt sie mit Webers Klarinettenkonzert in f-Moll ein Tänzchen gemeinsam mit den Tonkünstlern, denen sie immer wieder ihre ganze Aufmerksamkeit schenkt.
Auf der Bühne stehen, felsenfest verankert wie ein Amboss, das war gestern. Sabine Meyer dreht sich in alle Richtungen, sucht förmlich die Musik, saugt sie auf, kulminiert sie in ihrem Atem und lässt sie in einem Schwall aus grenzenlosen Energien auf das Publikum niederprasseln. Dass sie dabei auch noch eine gute Figur macht, ist eine erfreuliche Nebensache. Yutaka Sado ist ihr dabei ein aufmerksamer Begleiter. Einer, der ihren musikalischen Zauber trägt und ihn mit den Tonkünstlern auf einem sanften Hauch von Vollkommenheit bettet.
Mit wuchtiger Lautstärke
Das kann man bei Bruckner leider nicht immer behaupten. Dessen Dritte Symphonie lässt Yutaka Sado mit teils zügellosen Forte-Ausbrüchen entgleiten, wie sie heutzutage vielleicht nicht mehr angebracht sein dürften. Angesichts der vagen Bewegungen anscheinend eine bewusste Entscheidung. Denn der 60-jährige Japaner, der einst beim großen Lenny Bernstein seine ersten Sporen verdiente, vermittelt kaum irgendwelche Anzeichen, diese gewaltigen Wogen auch nur in geringster Weise zähmen zu wollen.
Dass Sabine Meyer zuvor teils auch wirklich mit dem Atem ringen musste, hatte damit aber nichts zu tun. Die virtuosen Hürden in Webers Klarinettenkonzert nimmt sie noch immer mit einem Klacks. Viel mehr war es ein verspieltes Liebäugeln, ein Flirten mit dem Publikum. Dessen Jubel, der nicht mehr enden wollte, dankte sie auch mit einer ebenso ausgiebigen wie makellosen Zugabe.
Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 5. April 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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