Tosca 2024, E. Buratto © Wilfried Hoesl
Am Ende dieser recht neuen Münchner Tosca brach das Publikum bei allen Beteiligten in begeisterte Bravo-Stürme aus, dennoch konnten weder Jonas Kaufmanns Mario Cavaradossi noch Eleonora Burattos Floria Tosca musikalisch wirklich überzeugen. Emotionen mitzufühlen stand nicht sehr hoch auf dem Spielplan, vor allem Herr Kaufmann punktete vorwiegend im Wettbewerb um den weltlautesten Opern-Fanclub.
Bayerische Staatsoper, 24. Juli 2024
Tosca
Musik von Giacomo Puccini
Libretto von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica
von Johannes Karl Fischer
Nach einigen Buh-Rufe vor der ersten Pause hatte ich mich bereits auf einen sehr interessanten Schlussapplaus vorbereitet… dennoch brach das Publikum am Ende von Puccinis dreiaktigen Opernklassiker für alle Rollen im fulminante Bravo-Stürme aus. Leider zu Unrecht: Insbesondere Jonas Kaufmann platzierte die Noten des Mario Cavaradossis nur hart erkämpft in den Saal, von Charaktergestaltung war hier in einer musikalisch eher einheitlich kämpferisch klingenden Darbietung wenig zu hören.
Ja, er sang alle Töne richtig und traf sie heute auch recht sauber. Insbesondere in den hohen Lagen klang sein Tenor allerdings recht eng, als würde der Maler schon in der Kirche in Scarpias Folterkammer hängen. Auch die Schlager-Arie „E lucevan le stelle“ sang er übereifrig kämpferisch, als würde er sich nach einer Befreiung von Floria Tosca als nach ihren süßen Küssen sehnen.
Naja, gibt ja noch die Titelrolle… Eleonora Buratto sang die Floria Tosca zwar mehr denn passabel, allerdings ließ auch ihre gesangliche Leistung musikalisch einiges zu wünschen übrig. Die eigentlich hoch emotionalen Melodien trug sie eher auch der leichten Schulter, die Noten flossen wie ein sanfter Strom über die Bühne.
Sorry, aber die halbe Rolle emotional auszusparen nur für ein paar schmetternden Spitzentöne, das ist mir einfach zu wenig. Floria Tosca ist eine der verliebtesten und eifersüchtigsten Charaktere der Opernwelt, diese hammerstarken Gefühle sollte man in ihrer Stimme eigentlich auch spüren. Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, ob diese Tosca – auch in der Handlung eine Opernsängerin – überhaupt in den Cavaradossi verliebt war oder eher ihre Gesangskonkurrenz mit den lautesten Spitzentönen zu überbieten suchte. In Ordnung, mehr nicht. Für die Münchner Opernfestspiele zu wenig!
Zum Highlight des Abends geriet allerdings Ludovic Téziers Baron Scarpia. Seinem bärenstarken Bariton nahm man die ganze brutale Macht seiner Rolle voll und ganz ab, in der Te Deum-Szene spürte man das Zittern ganz Roms vor diesem skrupellosen Polizeichef! In den Nebenrollen glänzte vor allem Martin Snell als Mesner mir brillantem Bass, auch Roman Chabaranok sang einen grundsoliden Cesare Angelotti. Ein ganz besonderes Bravo hatte sich der Solist der Tölzer Knabenchors verdient, der jede Note der Hirtenstimme makellos sauber und souverän in den Saal setzte!
Der Dirigent Andrea Battistoni ließ es im Graben ordentlich Krachen. Vor allem ein sehr laut spielendes Schlagwerk schien die in der Handlung herrschende Revolution klanglich in den Saal zu bringen, eventuell war das ein bisschen zu viel. Das Orchester spielte dennoch insgesamt souverän und brachte ordentlich feurige Puccini-Stimmung in den Abend. Auch der Chor der Bayerischen Staatsoper hatte einen sehr starken Abend und hielt die Fahnen einer triumphalen Te Deum-Szene ordentlich mit hoch.
Hochinteressant erwies sich Kornél Mundruczós Inszenierung. Keine Sant’Andrea della Valle, keine Engelsburg und statt der Maria Magdalena malt Cavaradossi abstrakte Bilder von nackten Models an weiße Leinwände.
Scarpias Polizeitruppen stürmen den opulent geschmückten Saal wie eine Mafia-Gang, der verfolgte Cesare Angelotti wird in einer Transportkiste statt einer Kapelle versteckt. Zum absoluten Highlight der Inszenierung wurde eine eindrucksvolle Videoinstallation am Anfang des 3. Aufzugs, wie in einem Kunstmuseum begleiteten mehrere simultan gespielte Schwarz-Weiß-Videos einer urban italienischen Motorradfahrt den Hirtengesang.
Ein kurzes Filmspektakel mit live-Musik, das waren fünf spektakuläre Minuten der großen Opernregiekunst! So bringt man diese zeitlose Handlung ins 21. Jahrhundert.
Liebes Publikum, bitte nicht von dem donnernden Schlussapplaus täuschen lassen: Gesanglich wird diese Tosca sicherlich nicht in die Sternstunden der Operngeschichte eingehen. Jonas Kaufmann mag vielleicht mit den lautesten Fan-Club der Opernszene haben, ein Vittorio Grigolo dürfte ihn an 9 von 10 Tagen trotzdem völlig an die Wand singen!
Johannes Karl Fischer, 25. Juli 2024 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeisert.at
Giacomo Puccini, Tosca (1900) Nationaltheater, München, 20. Mai 2024
Giacomo Puccini, Tosca Staatsoper Hamburg, italienische Opernwochen, 21. März 2024
Herzlichen Dank für die ehrliche und offene Erläuterung des Kritikers über die Gesangleistung besonders über Jonas Kaufmann. Da wird ein sogenannt weltbekannter Tenor von vielen Kritikern und Opernbesucher vielmals in den Himmel gelobt; aber wo bleibt die WIRKLICHE Realität des Gesangs und der Schauspielkunst dieses Sängers. Schauspielkunst: Ist Jonas Kaufmann wirklich Cavaradossi mit all seinen wahren Gefühlen, seinen Ängsten, seiner Liebe zu Tosca, ein sensibler Maler usw.? Hat er die Empathie, die Vorstellungskraft und Phantasie diese Persönlichkeit auszufüllen? Sein Gesang: Ist es mit lautem „Getöse“ auf der Bühne getan oder was ist mit wahrer GesangsKUNST zu verstehen? Blüht seine Stimme von der Tiefe über das Passaggio bis zur Höhe auf? Ist seine Stimme mit großem Druck geführt oder SINGT er stets mit seinen MITTELN, die ihm zur Verfügung stehen und ist es ein künstlerischer GENUSS ihm zuzuhören? Das Timbre seiner Stimme: Ist es schön, rein, klangvoll oder tönt es so wie wenn jemand eine heiße Kartoffel im Mund hat, gaumig und undifferenziert? Jeder kann sich seine eigene Meinung bilden. Studierempfehlungen dazu folgende Sänger: Enrico Caruso, Alfredo Kraus, der junge Beniamino Gigli, Richard Tauber (Musikalität! und Phantasie), Mario Lanza (Timbre, Tenorbalsam), Joseph Schmidt (Melancholie, Höhenglanz) usw…..
Michael Zimmermann
Lieber Herr Zimmermann,
Sie sprechen mir aus der Seele.
Leider hatt Jonas Kaufmann wegen zu großen DRUCKS, zu WENIG STIMMENPFLEGE und zu VIEL AUSSENAKTIVITÄTEN seine Stimme zu früh verloren.
Herzlich
Andreas Schmidt