Teodor Currentzis manövriert sich immer mehr an die Spitze eines Stardirigenten

Utopia Teodor Currentzis, Dirigent  Wiener Konzerthaus, 7. Oktober 2022

Teodor Currentzis, Foto: © Liliya Olkhovaya

Wiener Konzerthaus, 7. Oktober 2022

Igor Strawinski:                                   
L’Oiseau de feu (Der Feuervogel),
Ballettsuite (Fassung von 1945)

Maurice Ravel:                                     
Daphnis et Chloé, 2. Ballettsuite

La Valse   

Utopia
Teodor Currentzis, Dirigent

von Herbert Hiess

Ältere Jahrgänge werden sich noch erinnern, wie Lorin Maazel 1983 und 1984 in einem Ballettabend Strawinskis „Feuervogel“ und Ravels „Daphnis“ zu einem fulminanten und unvergesslichen Ereignis gestaltete. Und es sind viele damals in die Staatsoper gepilgert, eher um einem grandiosen Orchestererlebnis beizuwohnen als einem trotz allem superben Tanzereignis.

Und der griechisch-russische Dirigent Teodor Currentzis machte mit dem gleichen Repertoire eine Sternstunde mit seinem neuen Orchesterprojekt „Utopia“.

Dieses „Utopia“ wurde im Sommer 2022 gegründet mit 112 Musikern aus 28 Ländern, um den festgefahrenen Pfaden zu entfliehen, um neue Wege zu beschreiten und „sich kompromisslos den Sachen zu widmen, die uns unsere musikalische Vorstellungskraft anbietet“ (Teodor Currentzis).

An diesem Abend im Wiener Konzerthaus hat der Maestro ganz klar diesen Beweis angetreten und ein musikalisches Ereignis abgeliefert, von dem  noch lange geredet wird. Wo man heute gewisse Maestri vor Meisterorchester stellt und diese Taktschläger auch noch zu Großmeistern hochstilisiert, hat Currentzis quasi in „Knochenarbeit“ aus diesen 112 Musikern ein Ensemble geformt, das in Punkto Können, Stilsicherheit, Musikalität allein eine Rechtfertigung für einen Spitzenplatz in der Orchesterszene bringt.

In einem Programm, das sich auf das Tänzerische bezieht, ist schon Strawinskis „Feuervogel“ ein Prüfstein für sich. Currentzis und seine 112 Leute ließen ein Klangfeuerwerk vom Allerfeinsten genießen. Unglaublich, was man hier für feine Schattierungen hören und direkt fühlen konnte. Alleine die sanften Tremoli in den Streichern bewiesen, dass hier nichts dem Zufall überlassen wurde – trotzdem war immer Platz für Spontaneität.

Exzellent die einzelnen Instrumentengruppen und die solistischen Einzelleistungen; stellvertretend für alle muss man das unglaubliche Hornsolo im Schlussteil von Strawinskis Ballettsuite erwähnen. Einzigartig, wie in dieser „Hymne Final“ das Hornsolo mit den irisierenden Streichertremolo in ein fulminantes Finale der Suite einstimmte.

Genauso die Daphnis-Suite –  allein der „Sonnenaufgang“ (Lever du jour) war ein Meisterstück des Orchesters, das schon lange so nicht zu hören war. Currentzis bewies hier wieder einmal seine Stärke als Impulsgeber, Interpret und Motivator.

Und letztlich als Referenz an Wien und den Wiener Walzer kam Ravels „La Valse“ zum Zug. Ravels pointierte Kompositionsweise machte hier aus dem Wiener Tanz eine leichte Persiflage mit schelmischem Lächeln. Harfenglissandi, schmalzige Klänge in den Streichern wechselten mit immer wieder ironischen Noteneinwürfen der Bläser und dem Schlagwerk. Trotz allem beweist hier Ravel immer wieder großen Respekt vor dieser wienerischen Musikform. Und Currentzis und Utopia machten aus diesem Werk wieder ein Ereignis.

Nach diesem Programm kam noch als Zugabe Ravels Orchesterwerk mit dem Tanz aller Tänze – nämlich dem „Bolero“. Und zwar in einer Interpretation, die förmlich von den Sitzen riss. Und einfach nur herrlich, wie jede Phrase, jeder Legatobogen ausgekostet wurde und das Stück zu einer musikalischen Visitenkarte dieses Utopia-Projektes wurde.

Die Anwesenheit vieler Prominenter aus Musik und Politik bewies, wie sehr Currentzis hohes Ansehen in Österreich genießt. Sogar der momentan in etwas Ungnade gefallene Operndirektor war anwesend, der Uralt-Direktor Ioan Holender, der angeblich den jetzigen amtierenden Direktor einschulte, Außenminister Schallenberg …

Also keine Rede von der abstrusen Ausgrenzungspolitik wie beispielsweise des Kölner Intendanten Louwren Langevoort, der einfach ein Konzert mit den großartigen Musikern absagte.

Herr Louwrens Langevoort, Ihnen ins Stammbuch geschrieben: Sie bringen viele, viele Musikfreunde um einzigartige Erlebnisse, nur weil Sie sich offenbar als „Gut-Mensch“ darstellen wollen. Letztlich haben Sie einen Vertragsbruch begangen, der in Künstlerkreisen DAS Unding per se ist. Und hoffentlich wird Ihnen das nicht noch lange nachhängen!

Herbert Hiess, 9. Oktober 2022, für
klassik-begeistert.de un klassik-begeistert.at

UTOPIA, Dirigent TEODOR CURRENTZIS Laeiszhalle, Hamburg, 5. Oktober 2022

musicAeterna, Teodor Currentzis  Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus, 17. August 2022

musicAeterna, Alexandre Kantorow, Teodor Currentzis Elbphilharmonie, Hamburg, 15. April 2022

Ein Gedanke zu „Utopia Teodor Currentzis, Dirigent
Wiener Konzerthaus, 7. Oktober 2022“

  1. Danke für Ihre authentische Rezension… Ich habe L. Maazel mit Daphnis und Chloé -getanzt – superbe!! damals in der Staatsoper erlebt – noch „im Ohr“, aber das Abokonzert vom 9.10. (Programm idem 7.10.) versetzte nicht nur musikalisch in den 7. Musikhimmel sondern auch menschlich, da sich alle !! Musiker untereinander – und Teodor auch mit allen – während des Schlussapplauses umarmten. Das war eine nonverbale Mitteilung, die mehr als die von einigen Klugschreibern geforderten Lippenbekenntnisse zur Kriegssituation…

    Georgina Küntzelmann

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