Wir erinnern uns an längst vergangene Erlebnisse in der Wiener Kammeroper, Teil 2

Vergangene Erlebnisse in der Wiener Kammeroper, Teil 2  klassik-begeistert.de, 5. November 2024

© Programmheft Wiener Kammeroper

Reizwort Werktreue. Ein Drama besitzt eine Eigendynamik, lädt ein zum Weiterspinnen. So gab die Wiener Kammeroper den Auftrag zu einer Rock-Oper nach „Carmen“ von Bizet, Meilhac und Halévy. Der Texter Stewart Trotter führte auch die Regie, von Callum McLeod stammten Komposition und Arrangement. Gesungen wurde nicht in französischer, sondern in englischer Sprache.

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Die Carmen sang (siehe Bild oben) die seit diesem Auftritt in Österreich lebende britische Sängerin und Songschreiberin Lynne Kieran. Was war ihr persönliches Lebensschicksal?

Sie absolvierte eine klassische Gesangsausbildung und wurde ein Fixpunkt in der Wiener Musikszene als Background-, aber auch als führende Stimme in Pop-Musikgruppen. Berühmtheit erlangte sie als Mitglied des 1993 gegründeten österreichischen Soul/Jazz/Pop-Vokal-Trios „The Rounder Girls“.
Ihre Bandkollegin Tini Kainrath erzählt: „Sie hat sich schon am Tag davor nicht wohlgefühlt. Ich habe sie nach Hause gebracht und sie hat gemeint, sie würde sich jetzt ausruhen. Am nächsten Tag habe ich ihr ein paar Sachen zum Essen besorgt. Ich habe bei ihr angeläutet und wie ich die zwei Stockwerke zu ihrer Wohnung hinaufgegangen bin, muss sie gestorben sein.“ An andrer Stelle lesen wir: „Wenn sie einen Raum betreten hat, dann erleuchteten ihr Lächeln und ihre Augen das ganze Haus so wie die Sonne.“

Die „Martha“ in der Wiener Kammeroper zog uns an, um Alfred Šramek, der in der Staatsoper in kleinen und mittleren Rollen auffiel, endlich einmal in einer großen Basspartie zu hören. Auch der Volksopernstar, „unsere“ Ophelia aus „Hamlet“ (Ambroise Thomas), Olga Schalaewa war für unsre Wahl entscheidend.  Die russische Sopranistin begann ihre Bühnenerfahrung am Moskauer Kammermusiktheater. Ihre Karriere nahm hier am Fleischmarkt mit einer Co-Produktion des Moskauer Kammermusiktheaters in Schnittkes „Leben mit einem Idioten“ ihren Anfang. Ein Glück war dabei, dass die Inszenierung einen großen Widerhall in der europäischen Presse fand.

Umgekehrt lernten wir interessante SängerInnen am Podium der Kammeroper kennen, denen wir dann an die Wiener Staatsoper und an andere Opernhäuser folgten. So Adrian Eröd, von dessen Karriere wir Zeuge der ersten Stunde sind. Er war im Wiener Odeon (ʾؗΩδεĩον nannte man in der Antike ein überdachtes Theater) unser erster Billy Budd. Neugierig waren wir auf seinen Pelléas im Linzer Landestheater. Die Partie wird in der Literatur als „Tenor“, als „Charaktertenor, auch jugendlicher Heldentenor“ bzw. als „Tenor oder Bariton“ beschrieben. Sein Stimmtyp eignete sich für diese Partie.  Als seine Stimme an Kraft gewonnen hatte, wagte er sich, von uns zweimal erlebt, erfolgreich an den Feuergott Loge in „Das Rheingold“.

Zugunsten der Anschaffung eines Konzertflügels für die Kammeroper hörten wir 1997 die rumänische Mezzosopranistin Ruxandra Donose mit Liedern von Schumann, Brahms, Enescu, Poulenc und Fauré. Als Lola („Cavalleria rusticana“), Olga („Eugen Onegin“), Cherubino („Le nozze di Figaro“) und Rosina („Il barbiere di Siviglia“) war sie uns bis dahin jahrelang in der Staatsoper entgangen.

Ruxandra Donose als Elektra in Manfred Trojahns „Orest“ © Michael Pöhn, Wiener Staatsoper

Wir holten es nach mit Donizettis zu Recht selten gespieltem, weil inhaltlich schwachem Stück „Linda di Chamounix“, wo Donose den Pierotto, eine Comprimaria-Rolle neben der Linda spielte. Wir haben nie daran gedacht, dass sie einmal in Baden-Baden das Publikum als Kundry fesseln wird. Vor fünf Jahren feierten wir eine Wiederbegegnung mit ihr als obsessiver Elektra in Trojahns „Orest“.

Lothar und Sylvia Schweitzer, 5. November 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Teil 3 lesen Sie am Dienstag, 12. November 2024 hier bei klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at.  

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