Foto: Victor Julien-Laferrière © Jean-Baptiste Millot
Brüssel, Flagey, 26. Oktober 2018
Stéphane Denève, Dirigent
Victor Julien-Laferrière, Cello
Brüsseler Philharmoniker
Fabien Waksman – Solar Storm
Robert Schumann – Concerto für Violoncello und Orchester, op. 129
Richard Strauss – Also sprach Zarathustra
von Daniel Janz
Ein buntes Programm von den Ikonen der Romantik bis zu einer Komposition der Moderne steht diesen Freitagabend in Brüssel auf dem Programm. Mit der stellaren Komposition „Solar Storm“ von Fabien Waksman sowie Richard Strauss’ Epos „Also sprach Zarathustra“ ist zu Beginn des Konzerts gar von kosmischem Ausmaß die Rede. Mit solch hohen Ansprüchen kann man entweder begeistern oder eben auch scheitern, wie es an diesem Abend im Brüsseler Kulturzentrum Flagey beinahe passiert ist.
Seinen Anfang nimmt dieses Schauspiel mit dem erst 2009 komponierten Werk des Franzosen Fabien Waksman: „Solar Storm“. Der als „neuer Stern der französischen Musik“ gerühmte Komponist träumte ursprünglich davon, selber einmal als Naturwissenschaftler zu praktizieren. Entsprechend eng ist dessen Schaffen mit der Natur verbunden – für einige seiner Werke arbeitete er sogar mit dem Astrophysiker Jean-Philippe Uzan zusammen.
Tatsächlich handelt es sich bei seiner vom Royal Scottish National Orchestra in Auftrag gegebenen Schöpfung um ein ausgemachtes Furiosum: Das in Musik gegossene Bild eines immer wieder zerstörerisch aufbrausenden Sonnenwindes. Hier jagt ein eruptiver Höhepunkt den nächsten. Furios flirrende Streicher rasen dem ständig aufdonnernden Orchesterapparat davon. Schrille Aufschreie der Holzbläser begleiten dieses Treiben, klirrendes Orchester-Klimbim überdeckt jede noch so kleine Bewegung.
Es ist schade, dass dieses beeindruckende Klanggemälde keine wiederkehrenden Elemente kennt. Dadurch wirkt es chaotisch, unstrukturiert und leider auch in seiner Klangfülle ermüdend. Weiterhin fehlt ihm ein ganz entscheidender Aspekt, der bei der Beschreibung der Sonne nicht außer Acht gelassen werden sollte: Es fehlt die Beschreibung der Anmut und der Schönheit eines Himmelskörpers. Obwohl das Werk zweifelsohne beeindruckt, wirkt es gegen Ende leider doch wie eine ungenutzte Chance des Komponisten, trotz seines großen Talents ein wirklich herausragendes Werk zu erschaffen.
Als ruhiger Kontrast dazu dient das Cellokonzert des deutschen Romantikers Robert Schumann. Das Cellokonzert ist eine wohl durchdachte, von Anfang bis Ende durchstrukturierte Hommage an das edle Violoncello. Schumann selbst stellte 1839 fest, dass er nicht für Virtuosen komponieren könne, sondern etwas anderes probieren müsse. Das gelang ihm grundsätzlich mit diesem Schlüsselwerk der Romantik – es stellt eine gute Gelegenheit dar, die zarte Klangfarbe gemeinsam mit der Kraft des Solo-Instruments hervorzuheben.
Mit Victor Julien-Laferrière, 28, steht dabei ein junger Solist zur Verfügung, der hierzulande sicherlich (noch) viel zu wenig präsent ist. 2017 gewann er als erster Solist überhaupt den „Königin Elizabeth-Wettbewerb für Cello“ in Brüssel, ferner schmücken Preise aus aller Welt seinen Lebenslauf.
Dass diese Auszeichnungen verdient sind, beweist er bereits beim Anspielen der ersten Töne. Mit seinem zarten Anstrich und der klaren Intonation weiß er zu berühren. Gleichzeitig demonstriert der französische Cellist auch die nötige Reife, sich einem großen Komponisten wie Schumann zu widmen. Ganz im Sinne eines Solokonzerts stellt er sich selbst in den Mittelpunkt und prägt das musikalische Geschehen maßgeblich mit Können und Klasse.
Dem entgegen steht leider eine erschreckend monotone, geradezu zähe Orchesterbegleitung. Weder der französische Dirigent Stéphane Denève, 46, noch seine Musiker geben sich großartig Mühe, aus ihrem abgespeckten Part etwas Empfindsames herauszuholen. Trocken werden die Noten einfach vom Blatt heruntergespielt. Dynamik oder Kontraste fehlen fast völlig. Das Ganze grenzt schon an Solospiel mit Orchesterbehinderung und führt leider zu gähnender Langeweile.
Zwar treffen die Brüsseler Philharmoniker die Töne, aber von einem gestandenen Symphonieorchester sollte man doch deutlich mehr erwarten können als Schulorchester-Niveau. Da darf man auch ruhig darüber verärgert sein, dass einzig der Solist überhaupt etwas aus diesem Werk herausholen will. Solch eine Routine wird weder der Komposition, noch dem großartigen Spiel des Cellisten gerecht, was er auch noch einmal durch eine balladenartige Zugabe mit viel Gefühl eindrucksvoll beweist. Gegen Ende dieses Werks kann man sich nur in die Hoffnung flüchten, dass mit Strauss glücklicherweise ein Komponist auf dem Programm steht, der immer gut klingt.
Und tatsächlich wirkt es wie ein Erwachen aus dem Dornröschenschlaf, als nach der Pause die weltberühmten ersten Töne der Strauss’ schen Monumentalkomposition erklingen. Kaum ein anderes Werk hat einen so einprägsamen Einstieg wie das 1896 auskomponierte Werk „Also sprach Zarathustra“. Auch das Orchester ist plötzlich ganz anders präsent – allen voran Dirigent Stéphane Denève, der plötzlich so etwas wie Körperspannung offenbart. Einstieg und Ausstrahlung offenbaren hier endlich so etwas wie Gefühl und Willen!
Aber auch während der Aufführung dieses Werks zeigt sich, dass er das Orchester nicht voll unter Kontrolle hat. Es gibt immer wieder Details, die unschön durchstechen und den letzten Schliff vermissen lassen. Da gehen manchmal die Stimmen der Hörner oder das Glockenspiel unter. Die Holzbläser – generell stark an diesem Abend – übertreiben es einige Male und decken die Streicher komplett zu. Besonders zu Beginn rasen die Musiker passagenweise zu schnell durch das Werk und lassen so eine unnötige Hektik aufkommen.
Gerettet wird Zarathustra dadurch, dass sich Konzertmeister Otto Derolez seiner herausragenden Rolle in dieser Komposition bewusst ist. Im Tanzlied des letzten Drittels der Komposition kann er noch einmal besondere Akzente setzen und dieser Musik endlich den Glanz verleihen, den sie verdient. Hier tritt er selber als wahrer Solist auf, indem er mutig und mit äußerster Präzision hervorprescht. Endlich entsteht an diesem Abend das Gefühl, dass alles passt. Dadurch hat der Konzertmeister einen nicht unwesentlichen Anteil daran, dass die Aufführung trotz Mängel im Detail am Ende doch noch funktioniert, und der Höhepunkt mit den zerstörerischen Glockenschlägen seine ganze Dramatik entfacht.
Diese Leistung reicht zwar für das Publikum, das zufrieden applaudiert und auch das ein oder andere Bravo – vor allem in Richtung Konzertmeister – erklingen lässt. Einen gestandenen Kenner dieser Werke kann diese Leistung jedoch nicht zufriedenstellen. Das Zusammenspiel konnte nur stellenweise überzeugen, Dynamik und Ausdruck ließen besonders in den ruhigeren Passagen aller drei Werke zu wünschen übrig. Die Glanzlichter des Abends bleiben Victor Julien-Laferrière und Otto Derolez. Damit war das eindeutig ein Abend der Solisten!
Daniel Janz, 27. Oktober 2018, für
klassik-begeistert.de